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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Borchardt, Ludwig: Die Totentempel der Pyramiden
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0082

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von M. Mariette im Innern ausgegraben; die Fassaden1 liegen heute noch unter hohem
Sand. Ein 1903 von deutscher Seite gemachter Versuch, sie freizulegen, führte wegen
unzureichender Mittel zu keinem Resultat. Wir müssen uns also vorläufig damit be-
gnügen, uns die Außenansicht dieses Torbaus nach Analogie derer der Torbauten aus
der 5. Dynastie zu rekonstruieren. Diese liegen auf einem vorn durch eine Rampe
zugänglichen Kai, der sie während der Überschwemmungszeit über die große, das Niltal
bedeckende Wasserfläche erhebt, und haben einfach geböschte Seiten mit Rundstäbeu
an den Ecken und oberem Hohlkehlabschluß. Die Fassaden zeigen vorn in die Front-
mauern zurückspringende Vorhallen mit Säulen. Bis auf diese Vorhalle, glaube ich,
dürfen wir uns den Torbau des Chaf-re (s. Abbildung 2a) im Äußern ebenso vorstellen,
auch das Material, weißer Kalkstein, dürfte das gleiche gewesen sein. Wenigstens
scheint neben dem Eingange heute noch ein Block der Kalksteinbekleidung zu sitzen.

Die Säulenvorhalle aber wird wohl nicht vorhanden
gewesen sein, denn erstens sind, wie wir später sehen
werden, Säulen an den Totentempeln dieser Zeit noch
nicht nachgewiesen, und zweitens spricht die seitliche
Lage des Eingangs gegen die Annahme einer Vorhalle.
Daß die, übrigens von innen verschließbar gewesene
Tür in der Ecke der Fassade liegt, entspricht wieder
der Anordnung in orientalischen Häusern, bei der
vermieden wird, daß man von außen sogleich einen
Durchblick in die Räume des Innern haben kann.
Dieser eröffnet sich dem Eintretenden erst in dem
breiten, hinter der Fassadenmitte liegenden Raum, von
dem aus man bis in die Tiefe des Hauptraumes der
Anlage, des großen T-förmigen Pfeilersaales, blicken
kann. In ihm haben, wie die Grabungen im Torbau
des Men-kew-re-Totentempels gezeigt haben, die Königs-
statuen des Chaf-re gestanden, die in dem bekannten
Abbildung 2a. Torbau des Chaf-re. Brunnen — wohl einer Sammelgrube für die Wasser-
ableitung — gefunden worden sind. Der T-förmige
Pfeilersaal ist aus dem Zusammenfließen zweier Motive entstanden, denen wir einzeln
bei den Totentempeln der 4. Dynastie noch mehrmals begegnen werden. Erstens steckt
darin die übliche Anordnung des ägyptischen Wohnhauses mit dem «breiten» und «tiefen»
Raum2, und zweitens die staffeiförmige Ausnischung der Hinterwand eines Pfeilersaales,
die dadurch bewirkt wird, daß die Mitte einer solchen Hinterwand eine Nische mit
Pfeilerstellung erhält, die dann unter Umständen — in unserem Falle nicht — wieder
zu einer ebensolchen, aber noch schmäleren Nische sich öffnet. Es ist das ein Motiv,
das bisher nur bei den Totentempeln der 4. und bei einein der 5. Dynastie nachzuweisen
ist und nach dieser Zeit völlig aus der ägyptischen Architektur verschwunden zu sein

1 Die Angabe über die immerhin mögliche Nischenarchitektur in der Fassade (Perrot-Chipiez, Geschichte
der Kunst im Altertum I, S13) geht wohl nur auf die Angabe Mariettes (Le Serapeum de Memphis, 1882,
S. 97) zurück: il ne serait pas deraisonnable de supposer que ce temple lui-meme avait requ
exterieurement cette decoration.

2 S. Zentralblatt der Bauverwaltung 1893, S. 517—19, 521.
 
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