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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Pomtow, Hans: Die alte Tholos und das Schatzhaus der Sikyonier zu Delphi, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0113

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mente ebenda Abbildung °2; den erhaltenen Grundriß des Thesauros zeigt Abbildung 3
(Neuvermessung durch Regierungsbauführer A. Gockel), die Zeichnungen der Ost- und
Südwand enthalten die Abbildungen 4 und 5 auf S. 100 f.

In den Delphica I (Berl. Phil. Wochenschrift 1906, Sp. 1178 = Sonderdruck S. 37)
war mitgeteilt worden, daß sich an Stelle des sikyonischen Schatzhauses ursprünglich ein
uralter Säulenrundbau (Tholos) aus Porosstein erhoben hätte. Diese Notiz erschien
den meisten Lesern wenig glaublich.1 Man war gewöhnt, als ersten Erbauer oder Erfinder
von Rundbauten den jüngeren Polyklet und als ihr frühestes Beispiel dessen berühmte
96\oc; in Epidauros anzusehen2, der die große delphische Marmortholos in der Marmaria
etwa gleichaltrig ist (Anfang des IV. Jahrhunderts). Darum stehen namhafte Archäologen
dem plötzlichen Auftauchen dieser Gebäudeart um etwa 580 v. Chr. in Delphi mit den
stärksten Zweifeln gegenüber. Sicherlich mit Unrecht. Denn von vornherein war anzu-
nehmen, daß auch bei dieser Baugattung einfachere Vorstufen den Prachtbauten des
IV. Jahrhunderts vorausgegangen sein müssen ■— wobei an die primitiven Rundgebäude
sakralen oder sepulkralen Charakters erinnert sei, die Bulle in Orchomenos aufdeckte —
und zum anderen waren gerade in Delphi angesichts der vielen überraschenden Neuig-
keiten und Anomalien — man denke an den Skulpturenfries des Siphnier-Thesauros, an
seine Karyatiden, an die Naxiersäule, die Tänzerinnensäule usw. — die Zweifel an solchem
«vollständigen Novum» weniger berechtigt als anderswo.

Auch hier hat der Spaten jene Angaben der Delphica bestätigt und in ungeahnter
Weise vervollständigt. Man hatte angenommen, daß nach Analogie aller übrigen The-
sauren auch der sikyonische kein durchgeschichtetes Fundament habe, sondern daß nur
die Umfassungswände nebst Cellawand fündamentiert seien. Da in diese Fundament-
mauern die Bauglieder der Tholos verbaut waren, hofften wir, durch Wegräumung des
inneren Erdschuttes an jene Baureste auch von der Innenseite heranzukommen und sie
so von beiden Seiten leidlich vermessen zu können; denn außen waren die Ost- und
Südfundamente bereits von den Ausgrabenden völlig freigelegt. Unsere Hoffnung wurde
angenehm enttäuscht; es zeigte sich nämlich nach den ersten Spatenstichen, die die
dünne, nur wenige Zoll starke Erddecke wegräumten, daß der ganze Fundamentbau
massiv durchgeschichtet war, daß er fast ganz aus den Baugliedern des ab-
gebrochenen Rundbaues bestehe, und daß die Schichtung und Konstruktion dieses
Unterbaues eine sehr sinnreiche und planvolle war, indem sämtliche runden Bauglieder,
einschließlich der Säulen, die man zum Teil abplattete, sorgfältig zu der oblongen Gestalt
des neuen Thesauros zusammengepaßt wurden. Mit pietätvoller Freude sahen wir, wie
diese vor 2300 Jahren neben- und aufeinander geschichteten einzigartigen Überreste un-
versehrt das Tageslicht wieder erblickten.

Die oberste Lage des Stereobats im Innern der Gella bestand aus keilförmigen
Estrichplatten und ringförmigen Steinen; als sie gezeichnet und aufgehoben waren, zeigte
der ganze SW.-Teil der nächsten Lage einen schachbrettartig zusammengefügten

1 Nur Fiechter teilte mir im Februar 1909 mit, er habe bei seinem letzten Besuch in Delphi (mit
Furtwängler 1904) im Tagebuch vermerkt: «im Fundament des Sikyon-Thesauros sind merkwürdige runde
Gehälkstücke und alte Kapitelle verbaut. Etwa älteste Tholos?»

2 Vergl. Springer-Michaelis, Kunstgeschichte I7, S. 251: «mit des jüngeren Polyklets Tholos oder
«Thymele» tritt der säulenumschlossene Rundbau in den Kreis der griechischen Architektur». — Beloch,
Griech. Gesch. II, S. 390: «Auch der Rundtempel ist in dieser Zeit [gegen 400 v. Chr.] erfunden worden».

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