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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Guyer, Samuel: Ala Kilise: ein kleinasiatischer Bau des V. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0215

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199

Studium unterziehen, mehren sich die Zweifel noch mehr; wir sehen hier, daß ein Warid-
pilaster, auf dem die Scheidebögen aufruhen könnten, fehlt; dafür aber setzt an der ge-
wöhnlich als Ostabschluß des nördlichen Seitenschiffs dienenden Mauer ein senkrecht zur
Kirchenachse geführtes Tonnengewölbe an. Was für einen Raum es überspannte, wie
weit es gegen das Hauptschiff hinreichte, läßt sich nicht sagen; und die merkwürdige Sima
an der gleichen Wand, die so unvermittelt abbricht, häuft nur die Rätsel.

Sichere Tatsachen werden wir daher ohne Schürfungen wohl kaum aufstellen können;
aber die eine Vermutung läßt sich doch aussprechen, daß wir hier eine jener Bauten vor
uns haben, bei denen das Gewölbe schon eine gewisse Rolle spielte. Bestärkt wird diese
Vermutung durch die Stärke der Mauern, ferner dadurch, daß wir an den Pastopho-
rien sehen, daß die Wöl-
bung hier bekannt war,
vor allem aber durch die
enormen Schuttmassen,
die bei einer flachgedeck-
ten Basilika wohl nicht
so lioch wären.1 Ich ver-
mute daher, daß wir hier
— ähnlich wie bei einer
Kuppelkirche des Saec. V,
die wir in Meriamlik aus-
gruben2 — eine jener
Bauten haben, in denen
die damaligen kleinasia-
tischen Architekten sich
daran machten, das etwas
eintönige Schema der
Flachbasilika mittelst Ein-
fügung von Kuppel und Abbildung 8.
Gewölbe durch einen

neuen Rhythmus, durch stärkere Akzente zu beleben; ein Bestreben, das dann später
im benachbarten Kodscha Kalessi, im syrischen Kasr ibn Wardan etc. etc. seinen Aus-
druck gefunden hat.

Soweit in Kürze, was sich über diese Ruine heute sagen lä&t. — Mit den grofsen
Konstantinopler Bauten (Sergios und Bakchos etc.), mit den Kirchen, die an den großen Wall-
fahrtszentren (Meriamlik, Menasgrab) errichtet wurden, kann sich diese Ruine natürlich
nicht messen; die Schmuckstücke z. B. sind, wie auf den Abbildungen ersichtlich, nicht,
von kostbarem Marmor, sondern bloß von Kalkstein, und der ganze Bau wird dement-
sprechend einfacher gehalten gewesen sein. Trotzdem aber bietet er eben cntwicklungs-
geschichtlich großes Interesse und verdiente — falls wieder einmal eine Expedition in
jenen Gegenden arbeiten sollte —, daß man sich auch seiner ein wenig annehmen würde.

1 Aller Schutt rührt, da die Kapitelle des V. Jahrhunderts zuoberst liegen, sicherlich ausschließlich
von diesem Bau her.

2 Vergl. Archäolog. Anzeiger 1909, 3, pag. 448—449.
 
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