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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Hirsch, Fritz: Der Markttor in Bruchsal
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0255

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Das Markttor in Bruchsal. 239

fast durehgehends ganz verlassen seien». Schließlich begnügte man sich, die Wacht-
häuser der beiden Haupttore zwei zuverlässigen rechtschaffenen Bürgern als freie Woh-
nung einzuräumen und diese zu verpflichten, «alles dasjenige genau zu besorgen, was
den Thorwachten zu beobachten zukommt».1 Im Jahre 1801 konnte es geschehen, daß
an unserem Markttor «die Thüre zum Thum» entwendet wurde! Die sechs wacht-
habenden Bürger jenes Tages mußten den Kostenbetrag für die neue Tür ersetzen.2

Unterdessen hatte man bereits angefangen, mehrere Stadttore, deren Zwecklosigkeit
erkannt war und deren Beseitigung nach dem neuen Geschmack der damaligen Zeit den
Straßen ein besseres Ansehen gab, abzureißen.8 Das Markttor blieb zunächst noch vor
diesem Schicksal bewahrt, vielleicht durch einen seitens der neuen großh. badischen
Regierung erlassenen frühen amtlichen Akt der Denkmalpflege, nach welchem «Stadt
Thore und Gebäude aus dem Mittelalter nicht ohne vorherige Anzeige demolirt werden
sollten».4 Der sich dann immer mehr einwurzelnden Idee, daß ein die Straße ab-
schließendes Tor ein Verkehrshindernis sei, kam dann in der Nacht vom 6. Mai 1864
ein zwischen 9 und 10 Uhr ausgebrochener Brand zu Hilfe, bei welchem «5 Hintergebäude
ganz und 3 Hauptgebäude, sowie der Thurm am oberen Thor theilweise» durch die
Flammen zerstört wurden.5 Am 30. Mai beschließen Gemeinderat und engerer Aus-
schuß den Abbruch des oberen Tores." Die nach dem Brand aufgenommene Photo-
graphie (Abbildung 3) läßt deutlich erkennen, daß der Abbruch nicht notwendig war,
aber man war des Vorwandes froh, wie überlebende Zeitgenossen des Brandes zu er-
zählen wissen. Und wenn in einem damals im Bruchsaler Wochenblatt erschienenen
poetischen Erguß7 zunächst zwar die Schönheit des Bauwerkes gewürdigt wird:

«Denn schon sieht man die Flammen auch den Thurm belecken,
Der lange schon die Obre von der Vorstadt trennt;

Man sieht das grausig' Feuer ihn schon ganz bedecken,

Und gleich erschallt der Ruf „der schöne Thurm, er brennt!"

Und welches Schauspiel gab die Kuppel in den Flammen!

Sie leuchtete gleich einem schönen Feuerwerk,
Und sank im Brillantenschmucke dann zusammen.

usw.»,

so läßt doch auch der Einsender dieses Gedichtes, aus welchem nicht des poetischen
Wertes halber einige Strophen hier wiedergegeben werden, erkennen, daß auch ihm des
Schicksals Tücke nicht ganz unwillkommen erschien.

«0! sollte nicht des schönen Thurmes Feuerzeichen

Ein Zeichen uns der Einigkeit und Liebe seyn;
Es möchten all' die großen Scheidewände weichen,
Die uns als Bürger und als Volk der Zwietracht zeih'n!»
Die Baugeschichte ist um ein Denkmal ärmer geworden. Ex mortuis diseimus.

1 Ratsprot. vom i). Januar 1800. — 2 ltatsprot. vom 26. August 1802.

3 z. B. wurde aus diesem Grunde, und weil es baufällig war, das Speierer Tor im Jahre 17'J1 ab-
getragen (Ratsprot. vom 31. März 1791).

1 Ratsprot. vom 30. Mai 1812. — 5 Bruchsaler Wochenblatt vom 12. Mai 1864, Nr. 56.

6 Ratsprot. vom 30. Mai, 20. Juni, 27. Juni, 4. Juli und 10. November 1864.

7 «Der Brand in Bruchsal», Bruchsaler Wochenblatt vom 21. Juli 1864, Nr. 85.
 
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