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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Mettler, Adolf: Die zweite Kirche in Cluni und die Kirchen in Hirsau nach den "Gewohnheiten" des XI. Jahrhunderts, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0290

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274 Mettler.

das in Band I dieser Zeitschrift behandelte ßomainmötier) zu Gebot, die auf Cluni als
gemeinsames Vorbild zurückweisen und durch kritische Vergleichung ihrer gemeinsamen
Züge die Gestalt der Mutterkirche erschließen lassen. Allein es liegt in dem "Wesen
dieser Methode, daß sie im besten Fall Resultate von hoher Wahrscheinlichkeit gibt.
Die «Gewohnheiten» dagegen stammen aus der Feder von solchen, die das in Frage
stehende Objekt teils aus eigener Anschauung, teils durch Vermittlung von Augenzeugen
genau kannten. Ihrem Zeugnis kommt unbedingte Gewißheit zu.

Es schien daher eines Versuches wert, das, was sie über die bauliche Form und
Einrichtung der Kirche in Cluni und die von ihr in entscheidenden Punkten beeinflußten
Kirchen in Hirsau mitteilen, heraus- und zusammenzustellen. Den Rahmen dafür gibt
am besten die liturgische Verwendung der Kirche nach cluniazensischem Ritus ab,
eine Darstellung, die für sich schon ein Bedürfnis bildet; denn die Form eines Bau-
wesens läßt sich ganz verstehen erst aus seiner praktischen Bestimmung.

Von unseren vier Quellen ist die älteste die aus Farfa. Sie geht unter verschie-
denen Titeln als Disciplina, Ordo, auch Usus; ich zitiere sie als Consuetudines Farfenses
(CF) nach der Ausgabe von B. Albers im ersten Band seiner Consuetudines monasticae,
Stuttgart 1890. Ihre Abfassungszeit fällt zwischen 1039, das Todesjahr Kaiser Konrads II.
und Abt Hugos von Farfa, deren Beisetzung im Schlußkapitel1 erwähnt wird, und 1048,
das Todesjahr Odilos von Cluni, der im Prolog als noch lebend bezeichnet ist.2

Das in der neueren Literatur mehrfach behandelte und ausgebeutete erste Kapitel des
zweiten Buchs der CF enthält Angaben über die Lage und die Abmessungen der Kloster-
gebäude in teils beschreibender teils vorschreibender Form. Hinsichtlich seiner Beur-
teilung stimme ich J. v. Schlosser zu, der sich in seiner «abendländischen Klosteranlage»
S. 41 ff. einläßlich mit ihr beschäftigt. Nur ist sein Situationsplan verfehlt, aber von
G. Hager unter Heranziehung der noch vorhandenen Denkmäler cluniazensischer Ab-
stammung aufs glücklichste berichtigt (Ztschr. f. christl. Kunst 1901, S. 167 ff.). Die
Bauordnung der alten Reichsabtei in den Sabinerbergen wird deshalb so hoch gewertet,
weil sie dafür gilt, daß sie auf Cluni zurückgeht und dessen Bestand in den Haupt-
zügen widerspiegelt. Der volle Beweis für diese Hypothese ist aber erst erbracht, wenn
sich zeigt, daß die aus Gluni selbst stammenden Quellen, deren Verfasser das Kloster
Cluni in der ihm durch Abt Odilos umfassende Bautätigkeit3 verliehenen Gestalt vor

1 II 63, S. 205: als Muster der Einträge im Martyrologium werden unter anderem aufgeführt: depositio
domni Chonradi regis und depositio vel obiit hugo abbatis nostrae congregationis. Auch Heinrich II. ist an
derselben Stelle und schon im 1. Buch c. 141, S. 134 als gestorben erwähnt.

2 Albers datiert die CF erheblich früher, bald nach 1009. Er geht aus von der Stelle des Prologs:
«pater vero Hugo ... ad Galliarum studia venerabilium coenobiorum Cluniacensium, ubi venerabilis pater
Odilo . . . adhuc fulget, multa de illorum consuetudine ad utilitatem fratrum illi commissis . . . im-
posuerit» und bemerkt dazu: Quae sane verba tempus Hugoni posterius, Odiloni coaevum indicant, und
zwar versteht er darunter die Zeit nach Hugos Rücktritt im Jahre 1009 (Hugo ist später wieder Abt geworden).
Der Guido, der auf dem Rand des ersten Blattes der CF sich vorstellt mit dem Vers: Hoc opus in Christi
monachus Guido fecit honore, werde nicht ein unbekannter Mönch, sondern Abt Guido, Hugos Nachfolger,
sein. Nun sehe ich mit Albers in der angeführten Stelle des Prologs einen terminus post quem. Aber die
Worte passen doch zweifellos ebensogut wie auf die Zeit nach Hugos Abdankung auf die nach seinem Ab-
leben, und dann schließt sich Prolog und Schlußkapitel zeitlich aufs schönste zusammen. Das ganze Buch
ist bald nach Hugos Tod von einem Farfenser Mönch namens Guido verfaßt.

3 Siehe die S. 273, Anmerkung 2, zitierte Stelle. Ebenda wendet Odilo das Wort des Augustus auf
sich an in der Form: ich habe eine Abtei aus Holz vorgefunden und hinterlasse eine aus Marmor.
 
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