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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Mettler, Adolf: Die zweite Kirche in Cluni und die Kirchen in Hirsau nach den "Gewohnheiten" des XI. Jahrhundert, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0013
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IV. Jahrgang. Heft 1. Oktober 1910.

Die zweite Kirche in Cluni und die Kirchen in Hirsau
nach den „Gewohnheiten" des XI. Jahrhunderts.

Von Professor Dr. Mettler.

4. Der Chor.

Der Chorgesang verlangt eine Bildung, die nicht alle Mönche besitzen. Der Kon-
vent zerfällt hiernach in zwei Klassen, 1) die cantores oder Jiterati, 2) ii, qui cantare
nesciunt, auch illiterati oder idiotae, gewöhnlich conversi1 genannt. Im Chordienst
gehen die Sänger den Conversen vor ohne Rücksicht auf die sonstigen Rangverhältuisse,
die genau geregelt waren und sich im allgemeinen nach dem Tag des Eintritts be-
stimmten.2 Wenn der Raum beschränkt war — und er war es in Cluni in der zweiten
Hafte des XI. Jahrhunderts jedenfalls noch mehr als in St. Aurelius in Hirsau —, so
mußten die Conversen mit Plätzen außerhalb des Chors, in den Querhausfiügeln, wie
wir sehen werden, vorlieb nehmen.

Aber noch ein anderer Gesichtspunkt war für die Gliederung des Chors maßgebend,
der Gesundheitszustand. Die kranken, altersschwachen und dauernd gebrechlichen Mönche
hatten ihr eigenes Gotteshaus, die Marienkapelle; das Münster besuchten sie nur aus-
nahmsweise. Sie kommen hier nicht in Betracht. Aber in jeder zahlreicheren Brüder-
schaft gab es naturgemäß immer auch solche, die eine Art Mittelstellung zwischen den
Kranken und Gesunden einnahmen, im allgemeinen an dem klösterlichen Gemeinschafts-

1 Die cluniazensischen Conversen dürfen nicht verwechselt werden mit den zisterziensischen Conversen
oder Laienbrüdern; erstere sind Mönche, die zisterziensischen sind es nicht und können es nie werden,
vergl. meinen Aufsatz: Die Laienbrüder der Zisterzienser, Besondere Beilage des Staatsanzeigers für Würt-
temberg 1908, S. 15G ff. Eine den zisterziensischen Conversen ähnliche, nur noch viel weniger entwickelte
Einrichtung besaß Cluni und namentlich Hirsau in den barbati oder exteriores fratres. Doch geschieht
ihrer in den Vorschriften über den Gottesdienst keine Erwähnung; als Nichtmönche hatten sie ohne Zweifel
ihre Plätze in der westlichen Hälfte der Kirche, wie die Conversen der Zisterzienser.

2 CH II 11, S. 485: nulli de conversis ibi (in ecclesia) inter literatos locum concedit.
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. IV. 1
 
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