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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0029
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Literatur.

Geschichte der Baukunst des XIX. Jahr-
hunderts von Dr. D. Joseph. Zwei Halbbände.
57 Bogen. Lex.-8°, mit 879 Abbildungen. Leipzig,
Baumgartners Buchhandlung, o. J. Geb.20 Mk.

Auf 863 Seiten, von denen der Baum für
879 Abbildungen hinwegzudenken ist, werden
über 1200 Architekten des Kontinents samt Eng-
land und Amerika abgetan. Wer da eine tief-
gründige Entwicklungsgeschichte der Baukunst
dieses kompliziertesten Jahrhunderts erwartet, ver-
langt Unmögliches. Ich selbst hätte auf den Text
ganz verzichtet und wäre zufrieden gewesen, wenn
unter den Abbildungen jeweils der Autor und
die Erbauungszeit genannt worden wären. Man
hätte dann mit Genuß in dem Bilderbuch ge-
blättert und gelegentlich die Freude erlebt, eine
bisher irrige Annahme über Entstehungszeit oder
Urheber eines Baues berichtigt zu sehen. Wer
die Kenntnisse nicht mitbringt, die nötig sind,
um sich selbst aus der gebotenen Bilderreihe
die Genesis zu entwickeln, aus dem gebotenen
Text kann er sie keinenfalls schöpfen. Der Ver-
fasser entschuldigt sich bei allen denen, die in
dem Werke nicht genannt sind, aber ein Anrecht
hierzu zu besitzen glauben. Es mag ja sein, daß
noch recht viele sich hier am Glanz der Drucker-
schwärze erfreut hätten, ich muß aber gestehen,
daß ich eigentlich niemanden vermißt habe, wohl
aber sind mir sehr viele Namen begegnet, deren
Träger zur Entwicklung der Baukunst des XIX. Jahr-
hunderts nichts beigetragen haben und die somit
auch nicht verdienen, in einer Geschichte dieser
Baukunst verewigt zu werden. Ich denke dabei
keineswegs an den verehrten Verfasser selbst,
dem es durchaus zu verzeihen ist, wenn er sich
in der selbst gezimmerten Walhalla ein beschei-
denes Plätzlein sichert. Aber wenigstens hätten
die zuviel genannten deutlich von den Pfadfin-
dern getrennt werden sollen. Wenn beispiels-
weise im letzten Abschnitt über Baden als die-
jenigen, die den «Übergang zu einer neuen Zeit»
vermitteln, in einem Atemzug genannt werden
«Kircher, Durm, Levy, sowie Neumeister und
Häberle» und wenn dann vollends in der Detail-
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. IV.

behandlung mit Levy begonnen wird, um dann
erst Durm folgen zu lassen, so muß hier eine
ganz bedauerliche Verkennung der historischen
Entwicklung festgestellt werden. Man mag über
Durm denken, wie man will, von den Genannten
hat nur er bahnbrechend gewirkt, und zwar zu
einer Zeit, da Levy noch in den Kinderschuhen
lief. Die der Vergangenheit angehörende Bedeu-
tung des heute noch in der Praxis stehenden
Durm für die Entwicklung der Baukunst in Baden,
die er am Beginn seiner glänzenden Laufbahn in
völlig neue Bahnen leitete und die er jahrzehnte-
lang mit seltenem Erfolg völlig beherrschte, muß
der objektive Historiker trotz des seither einge-
tretenen Wandels in der Bewertung der Durm-
schen Architektur festnageln. Auch der wahre
Kern von Schäfers Bedeutung ist nicht genügend
herausgeschält und der Wert von Friedrich Batzels
kurzer Tätigkeit völlig verkannt. Auch das Ge-
stirn Billings, der übrigens meines Wissens nicht
die geringste Neigung hat, sich schriftstellerisch
zu betätigen (cf. Bd. I, pag. 52), hebt sich von der
zu hell beleuchteten Umgebung der viel zu vielen
nicht mit dem ihm gebührenden Glänze ab. Wir
stehen mit diesen Namen in der Mitte des pul-
sierenden Lebens von heute. Es wäre wohl besser
gewesen, vor den Toren dieser allerneuesten Zeit
haltzumachen. Aber auch da, wo der Verfasser
in dem größeren zeitlichen Abstand des ersten Ban-
des sich bewegt, begegnen wir schiefen Urteilen,
die zum Teil auf den Umstand zurückzuführen sind,
daß der Verfasser die Werke des übrigen Deutsch-
land zu sehr durch die Brille des Berliners be-
trachtet. Die Künstlerschaft des auf 5 Seiten er-
ledigten Karlsruher Weinbrenner oder des mit knapp
einer Seite bedachten Hübsch ist nicht genügend
erfaßt und gewürdigt im Vergleich zu den 25 Sei-
ten, die Schinkels Tätigkeit gewidmet sind.

Was hier in Kenntnis der badischen Verhält-
nisse zu tadeln war, wird auch für andere Ge-
biete zutreffen. Für Bayern ist eine Berichtigung
in der Süddeutschen Bauzeitung (vom 4. Juni 1910)
bereits erfolgt. Weitere gründliche Besprechungen
sind im Interesse des Werkes dringend zu wün-
schen, vielleicht wird dann die zweite Auflage
mehr befriedigen. H.

Wilhelm Worringer, Abstraktion und
Einfühlung. Ein Beitrag zur Stilpsychologie.
2. Auflage. 116 Seiten. München 1909.

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