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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Brinkmann, Adolf: Schloß Weißensee: ein Gegenstück zur Wartburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0165
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Schloß Weißensee, ein Gegenstück zur Wartburg. 153

anschließen (s. Abbildung 1). Nach Norden zu liegt ein kleineres Zimmer N und ein jetzt
mit einer Holztreppe ausgestatteter Raum K, der mit dem Flur durch einen mächtigen
Rundbogen (Abbildung 6) verbunden ist, dessen nach außen einmal abgetrepptes Gewände
von einem starken Viertelstab ausgefüllt ist, während ein Halbrundstab die Bogenleibung
begleitete und als Halbsäule zu Boden strebte. Jetzt fehlt dieser Halbstab und nur die
Kapitelle, die ihn trugen und von den Halbsäulen schieden, sind noch da. Seine Formen
gleichen dem Kapitell, das den Viertelstab trägt und von der Viertelsäule trennt, wie
dem zwischen beiden Kapitellen sitzenden Kämpfer. Die Kapitelle haben keinen Abakus,
was seinen Grund wohl darin hat, daß hier ein Kämpfer neben den Kapitellen sitzt.
Beide haben Blattornamente, die leider sehr dick über-
tüncht sind, so daß die Einzelheiten nur schwer zu
erkennen sind. Obgleich die Außenwand hier keine Tür
und überhaupt keine romanischen Formen erkennen
läßt, muß hier doch das Treppenhaus zum Haupt-
geschoß des Palas angenommen werden. Der Umbau
von 1580/1 hat hier das alte Bild anscheinend am
gründlichsten verändert. Das ganze Hauptgeschoß
hatte ursprünglich eine Einteilung, die sich mit der
heute durch die Innenwände gegebenen in keiner Weise
mehr deckt. Dessen Gesamtlänge von 25 m ist jetzt
durch sechs Zwischenwände in eine Anzahl Räume ge-
teilt, von denen der Flur bei weitem der größte ist.
Eine solche Raumverschwendung auf Kosten der Wohn-
räume ist natürlich für die alte Zeit undenkbar. Die
Frage nach der ursprünglichen Einteilung läßt sich
aber, wenigstens annähernd, nur lösen, wenn man die
Außenseite der Hauptfront betrachtet und sodann die
Einteilung des Landgrafenhauses der Wartburg heran-
zieht. Die Hauptfront öffnete sich in sieben mächtigen
Rundbogenfenstern nach Süden, deren Bogen alle noch
deutlich sichtbar sind. Sie sind jetzt aber entweder
ganz vermauert oder nur zum Teil, indem kleine vier-
eckige Fenster mit Renaissancegewänden offen gelassen

■ , o • j j • ö •• t-> ii* Abbildung 0. Teil des Hauptporlals

sind. So sind drei Bogen von ie einem Doppelfenster ^ , >

. . .J rr zum lestsaal.

ausgefüllt, drei von je einem einfachen; ein Bogen ist

völlig vermauert. Diese sieben Rundbogen sind voneinander nur durch schmale vier-
eckige Pfeiler getrennt. Sie überspannten als Blendbogen je zwei auf Säulen ruhende
offene Fensterbogen und gaben mit dieser reichen Architektur dem Palas das echt
fürstliche Aussehen, das wir am Landgrafenhause bewundern. Jetzt überragt den öst-
lichen Teil der Front ein hoher Giebel, der diese Wirkung sehr beeinträchtigt haben
würde, wenn er ursprünglich wäre. Das ist er aber nicht; seine westliche, fast 1 m
starke Wand steht nämlich so, daß sie nach Süden mitten auf den einen Rundbogen
stößt, weshalb dieser ganz vermauert ist. Der Giebel und das ganze zugehörige Ober-
geschoß ist daher eine Zutat von 1580/1. Der Palas war also nur zweistöckig, wie ur-
sprünglich auch das Landgrafenhaus der Wartburg; das Gesims setzte sich demnach bis ans
 
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