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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0177
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um etwa 141/2 cm gesenkt hat; die horizon-
tale Lage des Fußbodens ergab also da eine
Stufe, wenn die Altarnische nicht zu niedrig
werden sollte.

Die vermutlich beabsichtigte Ausstattung
des oberen Raumes mit Mosaik an der Decke
und Marmor an den Wänden war allem An-
schein nach nie ausgeführt, wie das Ge-
bäude überhaupt nicht fertig ist. Die keines-
wegs zahlreichen Haken und Eisenstifte an
den Wänden lassen sich durchaus auf spätere
Einrichtungen des Raumes beziehen, wie
denn bestimmte symmetrische Löcher und.
Eisen um den Nischeneingang beweisen, daß
dieser später irgendwie schmückend um-
rahmt gewesen sein muß.

Ist das Fenster der Nische sicher in
seinem heutigen Zustande später eingehauen,
so ist daraus nicht gleich der Schluß ge-
geben, daß an seiner Stelle nicht vorher ein
kleineres sich befand, wie auch ganz oben
nach SW. zu ein kleines Fenster in gotischer
Zeit bedeutend vergrößert ist.

Der Verfasser stellt in diesen Dingen ohne
Grund abweichende Behauptungen auf, aus
denen er gleich schließt, daß die Nische nicht
nur fensterlos und dunkel, sondern gar —
ganz zugemauert (!) gewesen sei, und folgert
allen Ernstes dann weiter, daß sie, weil zu
klein für den liegenden Leichnam, ihn — in
halb sitzender Stellung beherbergt haben
müsse. Wir betreten hier innerhalb einer an-
geblich streng wissenschaftlichen Methode also
plötzlich das Reich der Dichtung.

Betreffs der Sago von Karls des Großen
Begräbnisöffnung durch Otto III. verweise ich
auf Joseph Buchkremers in seinem «Grab
Karls des Großen» überzeugend gelieferten Be-
weis dafür, daß die Auffindung des alten
Kaisers in gewölbter Gruft auf einem Stuhl usw.
eitel Legende ist. Der Kaiser starb nach Ein-
hard sehr rasch und wurde noch am Sterbe-
tage in der Münsterkirche begraben! —

Unsicher genug ist die Beweisführung des
Verfassers auch in anderen Dingen. Das mag
z. B. daraus hervorgehen, daß des Cassio-
dorus' Variae wieder herangezogen werden
und behauptet wird, die darin erwähnten Ar-
chitekten Aloisius und Daniel seien vermut-
lich die "des Grabmals gewesen. Erstcrcr

heißt dort: Aloiosus; der König läßt ihm
einen Brief schreiben, in dem er von der
Schönheit von Thermenanlagen spricht. Der
letztere ist sogar Bildhauer, nicht Architekt.
Schulz übersetzt den Brief bei Cassiodor so,
daß Daniel beauftragt werde, Grabgewölbe
zu konstruieren usw. Die fragliche Stelle
aber lautet: et ideo artis tuae peritia delec-
tati, quam in excavandis atque ornandis mar-
moribus diligenter exerces, praesenti aueto-
ritate concedimus, ut te rationabiliter or-
dinante dispensentur arcae, quae in Ra-
vennati urbe ad recondenda funera distra-
huntur etc. — Es wird demnach Daniel als
geschickter Marmorbildhauer für reich ge-
schmückte Särge (arcae) gerühmt (und
weiterhin gewünscht, daß auch den Ärmeren
der Kauf solcher sich ermögliche). Schulz
hat also arca, Schrein, mit arcus, Bogen, ver-
wechselt, und so aus den Sarkophagen nicht
nur Bögen, sondern gleich — Grabgewölbe
hergestellt! Ohne dies hätte ja freilich Da-
niel weder als Architekt noch gar als Erbauer
unseres Grabmals auftreten können. Mehr
Wissenschaft wäre daher, besonders inner-
halb einer strengen Methode, wohl auch im
Lateinischen geboten gewesen.

Andere Behauptungen sind ähnlich fun-
diert. So S. 30, daß ein Bogenfries auf
Konsolen in Italien nicht vor dem 8. Jahr-
hundert, auch in Syrien erst nach den Ara-
bern auftrete, folglich mein Bogenfries am
Theoderichdenkmal ein grober Anachronis-
mus sei.

Der oben genannte Bivoira bringt S. 37
zwei Abbildungen von antik römischen
Bogenfriesen auf Konsolen und weist auf
syrische ähnliche Bildungen hin. Dehio und
v. Bezold aber, deren grundlegendes Werk
doch heute das ABC aller späteren Archi-
tekturgeschichte bilden muß, sagen S. 124:
«Daß der Bogenfries nicht erst eine Erfin-
dung der christlichen Epoche ist, beweist ein
Grabmal in Pompeji, eine gemalte Imitation
daselbst, die Innendekoration in der Basilika
des Junius Bassus, die vielfältige Verwen-
dung an den Bauten Zentralsyriens etc." —
und geben auf Taf. 31 mehrere Muster dafür.

Einspruch muß ich dagegen erheben, daß
meine Beispiele für schräg geknickte Gesimse

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