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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Haupt, Albrecht: Westgotische Baukunst in Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0234
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220 Albrecht Haupt.

Sie gibt uns infolgedessen die vornehmste völlig zuverlässige und vollständige Grund-
lage und Urkunde zur Beurteilung der nicht datierten Bauwerke, die wir als vermut-
lich oder vielleicht ebendahin gehörig ansehen. Denn die in großer Zahl vorhandenen
Skulpturen von westgotischen Gebäuden in den Museen, vor allem in Merida, Sevilla,
Toledo und Madrid sind nur herausgerissene verzierte Einzelteile, Kapitelle, Pfeiler,
Stützen, Schrankenplatten, Kämpfer und Bauornamente, die über ihren einstigen Zu-
sammenbau zu einem Ganzen wenig Aufschluß gewähren.

Je mehr sich also die Zahl der aufgefundenen und studierten Bauwerke, die dahin
zu gehören scheinen, häuft, um so dringender wird die Forderung hier zu einer ge-
sicherten Zuweisung kommen. Diese wird freilich dadurch außerordentlich erschwert,
daß die Westgoten selber offenbar erst langsam zu einer einigermaßen eigenartigen
und unterscheidbaren Steinbaukunst gelangten, naturgemäß am ausgesprochensten gegen
das Ende ihres Reiches (711), daß aber die nächsten folgenden Zeiten auch unter dem
arabischen Regiment noch eine Zahl von westgotischen Kirchen entstehen sahen, die
daher mit dem Namen mozarabisch (mozärabes) bezeichnet werden. Das zieht sich bis
ins 11. Jahrhundert hinein. Die Araber gestatteten ja den Christen freie Religions-
übung und — freilich nicht in den Städten — noch längere Zeit sogar die Errichtung
bescheidener neuer Kirchen, während die Unterhaltung der bestehenden überhaupt er-
laubt war. Erst der sich verschärfende Kampf zwischen Arabern und Christen infolge
des Fortschritts der christlichen Zurückeroberung brachte seit Abderrahman II. (822—52)
eine langsam zunehmende Verfolgung der Christen mit sich, die sich unter den Almo-
haden bis zu völliger Zerstörung aller Kirchen steigerte, so daß Yakub Almanzor sich
rühmen konnte, daß in seinen Reichen (Andalusien) keine mehr aufrecht stehe.

Es ist einleuchtend, daß, wenn im Anfang die langsam sich ausbildende spanisch-
arabische Baukunst stark auf der westgotischen fußte und vieles von ihr übernahm
(vor allem den Hufeisenbogen), im Verlauf der Entwicklung die anfänglich noch rein
westgotische mozarabische Bauweise von der ausgebildeten islamischen wieder erhebliche
Einflüsse erfahren mußte.

Es sind also die mozarabischen Kirchen des 8—10. Jahrhunderts denen der alten
Westgoten oft äußerst ähnlich und schwer von ihnen zu unterscheiden; ihre Chrono-
logie ist daher höchst unsicher. Man hat da schon vielerlei Kriterien zu gewinnen
versucht. Vor allem gerade an der Form und Konstruktion der Hufeisenbögen hat
man geglaubt, Unterschiede machen zu können. Auch dies Unterscheidungsmittel ist
immer noch recht unzuverlässig. Denn wenn die Araber diese Bogenform von den
Westgoten übernahmen — teilweise geradezu in natura, z. B. wenn sie die westgotische
Kathedrale S. Vicente in ihre Moschee zu Cordoba einfach einbauten —, so war da
zuerst natürlich überhaupt kein Unterschied; freilich bildete sich ein solcher rasch aus.
Daher wird man diejenigen Kirchen, die aus jenen Jahrhunderten stammen, deren Huf-
eisenbögen sich bereits an die später ausgeprägte arabische Form anlehnen, als sicher
mozarabisch betrachten dürfen.

Die Hufeisenbögen sind nämlich an den Bauwerken aus westgotischer Zeit der
Regel nach nur wenig überhöht, so daß man manchmal erst genauer zusehen muß,
um sie als Hufeisenbögen zu erkennen. Außerdem sitzen sie, wenn von Säulen ge-
tragen, stets auf diesen unter Einschiebung eines Kämpfers auf. Dieser ist entweder
schräg (abgestutzte Pyramide) und reich verziert (doch viel niedriger als der bekannte
 
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