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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Haupt, Albrecht: Westgotische Baukunst in Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0235
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Westgotische Baukunst in Spanien. - 221

byzantinische) oder eine rechtwinklige Platte und dann ringsum profiliert. Die Fugen
der Bögen laufen radial nach dem richtigen Mittelpunkte des Kreisbogens.

Die arabischen Bögen dagegen charakterisieren sich durch steigende Überhöhung,
also immer schärferes Einspringen der unteren Spitzen in den lichten Bogen, sodann
aber durch Uberkragen der Bögen über die Stützenflucht. Der Bogen selber erhöht
sich möglichst, spitzt sich später oben zu, wird auch wohl eiförmig. Die Fugen der
Keilsteine gehen immer häufiger nach einem unter dem Kreismittel liegenden Punkte.

Die hohle Linie der schrägen Auskragung wird ebenfalls als arabisch, nicht mehr
als westgotisch anzusehen sein; demnach wäre sie bei christlichen Gebäuden als moz-
arabisch zu bezeichnen. Ebenso die rechteckige Umrahmung des Hufeisenbogens. —
Absolut zuverlässig scheinen aber diese Merkmale auch nicht immer zu sein, wenigstens
bedürfen sie noch weiterer Bewährung.1

Über die plastische Verzierung bei den Westgoten sind wir besser unterrichtet ;
davon geben jene Museumsbruchstücke hinreichenden Begriff. An anderer Stelle habe
ich dargetan, daß hier eine Behandlungsweise herrscht, die nur zu verstehen scheint,
wenn man sie aus der im Holzbau üblichen Technik erklärt. Vorzugsweise in Kerb-
schnitt hergestellt oder einfach auf Grund gesetzt, wie in ein Brett oder in einen Balken
Inneingearbeitet, ist alles, was als Ornament oder als Bildhauerarbeit auftritt; nirgends
über die Fläche vorspringend, ohne jede Modellierung, so weit solche sich nicht durch
eingegrabene Linien ausdrücken ließ — kurz in jeder Richtung das Gegenteil einer
plastischen Reliefbehandlung. — Ganz außerordentlich häufig ist dabei die Art der
Verzierung, die wir als Kerb- oder Kristallschnitt bezeichnen, wie wir sie fast bis heute
bei den nordisch-germanischen Bauern an jedem Geräte (man erinnere sich der be-
kannten friesischen Mangelhölzer) geübt sehen, wie überall auch im Süden auf dem
Lande, wo germanisches Blut noch lebendig ist (z. B. Nordportugal).

Auch was, wie Säulenkapitelle und ähnliches, nach der Sitte der Zeit den antiken
Mustern nachgebildet wurde, trägt diesen Stempel. Die Formen scheinen natürlich
«barbarisch» geworden, wie man es nennt, doch läßt sich bei besserem Vertrautsein
mit ihnen der natürliche Vorgang der Umformung in obigem Sinne nirgends verkennen.
Zu bemerken bleibt noch, daß der Import von byzantinischen oder hellenistischen Bau-
teilen, insbesondere von Marmorkapitellen, wie er im ostgotischen und langobardischen
Ralien, im merowingisch-fränkischen Gallien vorherrscht, in Spanien äußerst selten zu
konstatieren ist.

Alles dieses mußte vorausgeschickt werden, um das Nachfolgende verständlich
zu machen.

Schon länger hegte ich den dringenden Wunsch, im Innern von Spanien noch
eine Reihe von ganz frühmittelalterlichen Bauwerken, von deren Existenz ich irgendwie
erfahren hatte, zur Ergänzung meiner früheren Studien zu besuchen und ihre Zugehörig-
keit zu einer oder der andern Gruppe festzustellen. Insbesondere aber die allzu kurze

1 Ganz mißglückt ist der Versuch Morenos, einen westgotischen und arabischen Hufeisenbogen mathe-
matisch zu konstruieren, indem er angibt, daß die Überhöhung des ersteren '/s des Radius betrage, bei dem
letzteren aber immer mehr zunehme, bis zu 2/s, ja noch mehr. Gerade dies Verhältnis scheint vielmehr
ein rein willkürliches gewesen zu sein, wenn auch anerkannt werden muß, daß die erstgenannten Bögen
im allgemeinen stumpfer zu sein pflegen (Exursion ä traves del arco de herradura [Cultura Espnfiola, Madrid];
Julio-Septiembre 1906).

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