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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Klaiber, Hans: Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0271
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Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben. 257

und daß die Bürgerschaft gewillt war, ihrer Pfarrkirche auch im Äußeren eine, das gewöhn-
liche Maß übersteigende, aufwendige Ausstattung zu geben, bezeugt die jetzige Gestalt des
Bauwerks. Doch wie man darüber urteilen mag, jedenfalls können wir uns nicht ent-
schließen, die Deutung auf ein Hallenbauprojekt für gesichert anzusehen, und enthalten
uns darum auch vager Vermutungen, woher in so früher Zeit — Allerheiligen und Kaisers-
lautern stünden örtlich und zeitlich am nächsten — dieser konstruktive Gedanke in das
Land importiert worden sein könnte.

Zuversichtlicher darf man sich über die Marienkirche in Herrenberg aussprechen,
der wir uns etwas eingehender widmen werden. Für die Datierung derselben stützt man
sich gewöhnlich auf die Notiz in Sattlers historischer Beschreibung des Herzogtums Wir-
temberg (Kap. XXVI, 4), wonach sie «schon anno 1336 zum andernmal von Grund aus
erbauet und anno 1440 erweitert wurde». Angesichts dieser dürftigen Angabe, über
deren Quelle der Geschichtschreibei' nichts verlauten läßt, empfiehlt es sich, Umschau
nach urkundlichen Baunachrichten zu halten. Eine Inschrift ist derzeit an der Kirche
nicht mehr zu lesen, scheint sich aber früher am Westbau befunden zu haben. In der
Gontinuatio der Chronik von Hildrizhausen vom Jahr 1680 (Stuttgart, Landesbibliothek)
lesen wir (S. 77): «Wegen Erbauung dieser schönen Kirch, wann selbige angefangen und
vollendet worden, hat man bishero keine Jahrzahl finden können. Aber am Taufstein
ist die Jahrzahl 1472 eingehauen, item an der Kirchhofmauer . . . -findet sich die Jahr-
zahl 1474. Nach der Hand hat man wider eine Jahrzahl an gemellter Stiff'tskirchen
gefunden 1280 bey der vorderen Kirchenthüren wo man hineingehet linkher Hand in
Stein eingehauen und schon ziemlich Tunckhel.» Der Verfasser der Herrenberger Chronik,
Heß (f 1761), fand die Zahl bereits nicht mehr und vermutet, sie habe 1480 geheißen,
weil die Malereien im Chor und die Wappen auf den Schlußsteinen des Schiffgewölbes
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen. Allein das Datum des gegen-
wärtigen Gewölbes und gar der Wandmalerei im Chor ist für die Frage des Baubeginns
völlig unerheblich, und jener Chronist konnte, wie seine beiden andern richtigen Zahl-
angaben zeigen, eine gotische Vier lesen; wir dürfen seiner Nachricht also nicht von vorn-
herein mißtrauen. Die älteste Erwähnung1 der Pfarrkirche zur hl. Jungfrau Maria findet
sich in einem Ablaß vom 22. März 1284, in dem übrigens von der Erbauung der Kirche
nicht ausdrücklich die Rede ist. Anno 1315 wird ein St. Annenaltar in der Pfarrkirche
erbaut und bewidmet. Sehr wichtig ist ein Ablaß vom Jahr 1317 für diejenigen, qui
ecclesiae ad consummationem operis manum porrexerint nec non ligna aut lapides
portarint, quia Ecclesia Herrenbergensis facultates non habeat nisi per subventionem. Im
Jahr 1325 erhält die Kirche samt den fünf Altären darin einen Ablaß, 1328 wird die
Kirche selbst und fünf Altäre in ihr geweiht, von denen zwei «in gradibus in
sinistro latere», einer «in gradibus in dextro latere», und zwei «ante gradus in si-
nistro rsp. dextro latere» gelegen sind. Im Jahr 1336 schenkt Agnes die Schwe-
ningerin Haus und Garten zum Kirchenbau, aus den Jahren 1336, 1337, 1359, 1377,
1404 hören wir von Altarbewidmungen; endlich wird 1453 ein Ablaß erteilt für die,
«qui collegialem ecclesiam in Herrenberg visitaverint et ad strueturam manus por-

1 Nach der Oberamtsbeschreibung von 1855 wäre die erste Erwähnung in einer Weiheurkunde vom
5. Januar 1283 zu sehen, wonach in Herrenberg eine Kapelle mit vier Altären geweiht und mit Ablaß aus-
gestattet wurde. Tatsächlich stammt die Urkunde erst vom 5. Januar 1293 (Wirt. Urkundenbuch X, 4320) und
bezieht sich dem Wortlaut nach gar nicht auf die Marienkirche, die stets als ecclesia oder eccl. parochialis
bezeichnet wird.
 
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