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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Klaiber, Hans: Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0275
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Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben. 261

einzig da und es wird nicht gelingen, einheimische Vorbilder dafür namhaft zu machen.
Findet man doch nur einige wenige schüchterne Versuche oder Anläufe zu künstlerischer
Durchbildung der Westfassade in der romanischen Baukunst Schwabens, so z. B. in
Faurndau, wo der Westturm nicht rein als indifferente, in die Vorderseite hineingesetzte
Mauermasse behandelt, sondern durch Portal, Rosettenfenster und Giebel in Mittelschiff-
höhe ein Ansatz zur Gliederung und Belebung der Front gemacht ist. Im übrigen ist
bei den nicht zahlreichen romanischen Anlagen mit Westturm die Ausbildung einer Fassade
im Sinn einer der Westwand vorgelegten, als künstlerische Einheit aufzufassenden Fläche
aus verschiedenen Gründen nicht zustande gekommen. Entweder tritt der Turm stark
vor die Enden der Seitenschiffe vor (Hall, Grofikomburg, Oberslenfeld), oder er steht
zwischen Langhaus und Vorhalle (Denkendorf, Lorch). Nimmt man die notorische Vor-
liebe für östliche Gruppierung der Türme hinzu, so versteht man, daß für die Erfindung
einer Westturmfassade bei den einheimischen Bauten wenig Anregung zu holen war.
Übrigens steht es um die turmlose Westfassade nicht viel besser. Auch hier stand bei
den Hirsauer Kirchen die Vorhalle, soweit eine solche übernommen wurde, hindernd im
Weg. Nur in Kleinkomburg, das, an der fränkischen Grenze gelegen, im Reichtum der
Außengliederung überhaupt eine gewisse Sonderstellung einnimmt, hat man auch der
Westseite eine belebtere Teilung und Abstufung zukommen lassen. Bei den Zisterziensern
aber, die das Erbe der Hirsauer im Land antraten, war von vornherein nicht zu erwarten,
daß sie ein besonderes Interesse für Fassadenkünste an den Tag legen würden. Es
mochte ihnen in der Hauptsache genügen, wenn sie im äußeren Anblick den basilikalen
Querschnitt klar zum Ausdruck gebracht hatten, und darin hat ja wohl die Maulbroimer
Klosterkirche auch Schule gemacht. Wie mäßig aber der kompositionelle Sinn am Ende
der romanischen Periode entwickelt war, verrät die Fassade von St. Johann in Gmünd,
einer Kirche, die doch innerhalb des schwäbischen Spätromanismus einen hervorragenden
Platz beanspruchen darf. Unbekümmert um die Gesetze der symmetrischen Flächen-
gliederung hat man dort die Unregelmäßigkeiten des Planes bzw. der Entstehungsgeschichte
in das Schaubild der Westfront hineingenommen und durch die Willkür in der plastischen
Dekoration den Eindruck nicht verbessert. Wenn wir einen Bau nennen wollten, der auf
den ersten Blick dem zu Herrenberg nahesteht, so müssen wir in gotische Zeit herab-
gehen: der westliche Teil der Stadtkirche zu Markgröningen bei Ludwigsburg erinnert
noch am ehesten an Herrenberg. Hier wie dort steigen in der Westfront zwei als massige
Mauerblöcke gehaltene Türme empor. Die nach einem Brand vom Jahr 1277 neuerrichtete
Kirche ist, wie anderwärts ausgeführt, in den Hauptzügen des Systems der Eßlinger
Dominikanerkirche nachgebildet, weist aber in der fortgeschrittenen Dekoration auch noch
auf andere, bereits hochgotische Vorbilder hin. Bei näherer Betrachtung schwinden
freilich die Vergleichungspunkte mit Herrenberg ziemlich zusammen und die Übereinstim-
mung reduziert sich schließlich auf den allgemeinen, massigen Eindruck der Westfront.
Zu Markgröningen sind die beiden Türme schon im Grundriß von unten an als solche
charakterisiert, sofern sie zwei geschlossene Baukörper bilden, die eine Vorhalle zwischen
sich nehmen, und im Aufbau wird das noch deutlicher durch das zwischen ihnen vor-
schauende Mittelschiff. Anders in Herrenberg: Dort bildete der dem Langhaus vorgelegte
Westbau mit seinen dreischiffigen Hallen in zwei Geschossen übereinander einen einheit-
lichen, als Baukörper in sich geschlossenen, undurchbrochenen Organismus, der seine
Daseinsberechtigung durchaus nicht nur als Unterbau der auf ihm ruhenden Achtecktürme
 
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