Sein Leben machen.
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Wesen ungestörter treiben zu können. Ich hielt es daher für
gut, gleich von vornherein ein Exempel zu statuiren.
Es war am ersten Tage. Zwei Deutsche saßen am Tische
bei einem Glase Bier. Ein Amerikaner stolzirtc zur Thüre
herein, der den Hut auf der Seite des Kopfes trug, und, mit
einer Uhrkette an der Brust und einem seidenen Sacktuch, das
prahlerisch aus dem Fracke hervorschaute, sich das Ansehen eines
ungeheuer „smarten Gentleman" zu geben versuchte.
„Können Sie mir eine Zehndollar-Note wechseln?" frug
er mich mit der Miene eines Crösus.
„Nein, nicht wegen eines einzigen Glases!" antwortete ich,
„denn die kleine Münze ist rar."
„Ich habe nur großes Geld!" sagte er, „nun, Sic wer-
den mir borgen, oder ist mein Gesicht nicht gut genug für ein
Glas?"
„Das Gesicht nicht, nur das Geld!" antwortete ich in
grobem Tone, setzte aber höflich hinzu, „obgleich hier Nichts auf
Credit verzapft wird, so traktire ich zuweilen; was trinken Sie?"
„Brandy mit Cayenne-Pfeffer!" sagte er, schenkte sich das
Glas über halbvoll ein, und stürzte den gewürzten Brandwein
die Kehle hinunter.
„Beim heiligen Moses, Euer schlechter Liqueur wäre hin-
reichend, einen Neger umzubringen! Gut genug für äutebmen,
aber nicht für Amerikaner. Und Ihr verlangt noch Geld da-
für?" frug er mich.
„Ja von allen ehrlichen Leuten!" antwortete ich im gro-
ben Tone, setzte aber im höflichen hinzu: „Ich habe Euch trak-
tirt, wollt Ihr auch eine Cigarre rauchen?"
„Natürlich!" antwortete er, „aber verdorren will ich, wenn
ich and're als Havannah rauche!"
Er zündete jedoch eine Kentucky-Cigarre, die ich ihm gab,
mit der Danksagung: „Gott verdamm' Euch!" an, wandelte
einige Male im Hochgefühl seiner „Smartheit" im Zimmer auf
und ab, und näherte sich daun den beiden Deutschen, die er
eine Zeitlang mit höhnischem Lächeln betrachtete; hierauf schüttete
er das Bier des Einen mit der kältesten Unverschämtheit auf
den Boden. Ich stund sogleich vor ihm. „Warum insultiren
Sie meine Gäste?" mit diesen Worten hielt ich ihm die rechte
Faust drohend vor's Gesicht, die er aufmerksam beobachtete, gab
ihm aber unversehens mit der linken einen ‘ Stoß unter die
Kinnlade, der nicht verfehlte, ihn rücklings niederzustürzen.
Dann schleifte ich den ungeheuer smarten Gentleman bei den
Beinen zur Thüre hinaus aus die Straße, wo er sich erhob und
mit den schrecklichsten Drohungen entfernte.
Auf ähnliche Weise bediente ich mehrere meiner Gäste,
täglich oft mehr als einmal, bis mein Partner und ich eine
Anzahl unverschämter Kerle, welche zu einer Louisviller Feuer-
kompagnie gehörten, unter Anwendung einer flachen Säbelklinge
aus dem Hause trieben. Ein wohlmeinender Amerikaner warnte
uns sogleich, auf der Hut zu sein, weil jene ohne Zweifel eines
Abends mit der ganzen Compagnie, die größten Theils aus
Loafern bestehe, um Rache zu nehmen wiedcrkchren würden.
Diese Feuerkompagnien sind das wilde Heer der Vereinigten-
Staaten. Aus der Jugend der Städte gebildet, toben sie so
oft es brennt — und das geschieht in den amerikanischen Städ-
ten alle Nacht wenigstens einmal — in Schwarz und Roth
gekleidet, mit einer Art blecherner Sturmhauben bedeckt, unter
dem Gerassel der Feuerspritzen, dem Blasen von Hörnern nnd
gräulichem Gebrülle durch die Straßen, und da manche dieser
Kompagnien als ein Band der Vereinigung für Loafer dienen,
so ist es nicht selten, daß neben dem Löschen der Häuser auch
Unheil angestiftet wird, namentlich in offenen Wirthshüusern,
an welchen ihr Weg vorüberführt. — Die Gerechtigkeitsliebe
des Geschichtschreibers erfordert es, zu erwähnen, daß sich unter
den Loafern fast ebensoviele Irländer und Deutsche von Geburt,
als Anglo-Amerikaner auszeichnen, und namentlich jene Deutschen,
die man nicht immer von den Nativs unterscheiden kann, durch
ihre Kenntniß der Muttersprache an ihren Landsleuten zum
Spion und Berräther werden. „Dem Verdienste seine Kronen!"
„Jetzt müssen wir uns reichlich mit Waffen versehen!"
rieth mein Partner, der selbst eine Doppelbüchse besaß und ein
ausgezeichneter Schütze war, „ich kann von meinem Onkel noch
eine Doppelbüchse und einen Revolver leihen, sieh zu, wo Du
noch mehr Pistolen herkriegst!"
„Wozu so viele Waffen!" antwortete ich, „die Loafer las-
sen es gewöhnlich bei Drohungen bewenden, wenn sie sehen,
daß man keinen Spaß versteht."
(Fortsetzung folgt.)
63
Wesen ungestörter treiben zu können. Ich hielt es daher für
gut, gleich von vornherein ein Exempel zu statuiren.
Es war am ersten Tage. Zwei Deutsche saßen am Tische
bei einem Glase Bier. Ein Amerikaner stolzirtc zur Thüre
herein, der den Hut auf der Seite des Kopfes trug, und, mit
einer Uhrkette an der Brust und einem seidenen Sacktuch, das
prahlerisch aus dem Fracke hervorschaute, sich das Ansehen eines
ungeheuer „smarten Gentleman" zu geben versuchte.
„Können Sie mir eine Zehndollar-Note wechseln?" frug
er mich mit der Miene eines Crösus.
„Nein, nicht wegen eines einzigen Glases!" antwortete ich,
„denn die kleine Münze ist rar."
„Ich habe nur großes Geld!" sagte er, „nun, Sic wer-
den mir borgen, oder ist mein Gesicht nicht gut genug für ein
Glas?"
„Das Gesicht nicht, nur das Geld!" antwortete ich in
grobem Tone, setzte aber höflich hinzu, „obgleich hier Nichts auf
Credit verzapft wird, so traktire ich zuweilen; was trinken Sie?"
„Brandy mit Cayenne-Pfeffer!" sagte er, schenkte sich das
Glas über halbvoll ein, und stürzte den gewürzten Brandwein
die Kehle hinunter.
„Beim heiligen Moses, Euer schlechter Liqueur wäre hin-
reichend, einen Neger umzubringen! Gut genug für äutebmen,
aber nicht für Amerikaner. Und Ihr verlangt noch Geld da-
für?" frug er mich.
„Ja von allen ehrlichen Leuten!" antwortete ich im gro-
ben Tone, setzte aber im höflichen hinzu: „Ich habe Euch trak-
tirt, wollt Ihr auch eine Cigarre rauchen?"
„Natürlich!" antwortete er, „aber verdorren will ich, wenn
ich and're als Havannah rauche!"
Er zündete jedoch eine Kentucky-Cigarre, die ich ihm gab,
mit der Danksagung: „Gott verdamm' Euch!" an, wandelte
einige Male im Hochgefühl seiner „Smartheit" im Zimmer auf
und ab, und näherte sich daun den beiden Deutschen, die er
eine Zeitlang mit höhnischem Lächeln betrachtete; hierauf schüttete
er das Bier des Einen mit der kältesten Unverschämtheit auf
den Boden. Ich stund sogleich vor ihm. „Warum insultiren
Sie meine Gäste?" mit diesen Worten hielt ich ihm die rechte
Faust drohend vor's Gesicht, die er aufmerksam beobachtete, gab
ihm aber unversehens mit der linken einen ‘ Stoß unter die
Kinnlade, der nicht verfehlte, ihn rücklings niederzustürzen.
Dann schleifte ich den ungeheuer smarten Gentleman bei den
Beinen zur Thüre hinaus aus die Straße, wo er sich erhob und
mit den schrecklichsten Drohungen entfernte.
Auf ähnliche Weise bediente ich mehrere meiner Gäste,
täglich oft mehr als einmal, bis mein Partner und ich eine
Anzahl unverschämter Kerle, welche zu einer Louisviller Feuer-
kompagnie gehörten, unter Anwendung einer flachen Säbelklinge
aus dem Hause trieben. Ein wohlmeinender Amerikaner warnte
uns sogleich, auf der Hut zu sein, weil jene ohne Zweifel eines
Abends mit der ganzen Compagnie, die größten Theils aus
Loafern bestehe, um Rache zu nehmen wiedcrkchren würden.
Diese Feuerkompagnien sind das wilde Heer der Vereinigten-
Staaten. Aus der Jugend der Städte gebildet, toben sie so
oft es brennt — und das geschieht in den amerikanischen Städ-
ten alle Nacht wenigstens einmal — in Schwarz und Roth
gekleidet, mit einer Art blecherner Sturmhauben bedeckt, unter
dem Gerassel der Feuerspritzen, dem Blasen von Hörnern nnd
gräulichem Gebrülle durch die Straßen, und da manche dieser
Kompagnien als ein Band der Vereinigung für Loafer dienen,
so ist es nicht selten, daß neben dem Löschen der Häuser auch
Unheil angestiftet wird, namentlich in offenen Wirthshüusern,
an welchen ihr Weg vorüberführt. — Die Gerechtigkeitsliebe
des Geschichtschreibers erfordert es, zu erwähnen, daß sich unter
den Loafern fast ebensoviele Irländer und Deutsche von Geburt,
als Anglo-Amerikaner auszeichnen, und namentlich jene Deutschen,
die man nicht immer von den Nativs unterscheiden kann, durch
ihre Kenntniß der Muttersprache an ihren Landsleuten zum
Spion und Berräther werden. „Dem Verdienste seine Kronen!"
„Jetzt müssen wir uns reichlich mit Waffen versehen!"
rieth mein Partner, der selbst eine Doppelbüchse besaß und ein
ausgezeichneter Schütze war, „ich kann von meinem Onkel noch
eine Doppelbüchse und einen Revolver leihen, sieh zu, wo Du
noch mehr Pistolen herkriegst!"
„Wozu so viele Waffen!" antwortete ich, „die Loafer las-
sen es gewöhnlich bei Drohungen bewenden, wenn sie sehen,
daß man keinen Spaß versteht."
(Fortsetzung folgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sein Leben machen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 19.1854, Nr. 440, S. 63
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg