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Sein Leben machen.
bald er Hand an Sie legte. Aber es macht schon einen Un-
terschied, ob der Getödtete in das Zimmer hinein, oder ans
die Straße hinaus fällt!"
Wir schritten jetzt durch das Thor der hohen Mauer,
welche das Gefängniß umgab, gingen über den Hof und traten
in ein Zimmer, in welchem sich andere Watchleute und der
Gefangenwärter befanden. Der City Marshal unterhielt sich
noch eine halbe Stunde mit mir, und übergab mich dann dem
Schließer, mit der Ermahnung, mich anständig zu behandeln.
Am andern Morgen rasselten die Schlüssel, die verschie-
denen Gefängnißthüren gingen auf und zu, und endlich öff-
nete sich auch die meinige und der Gefangenwärter, das Früh-
stück bringend, trat mit dem freundlichen Gruße ein: „Wie
geht's, Schinderhannes?"
Nach ihm kam der City Marshal und forderte mich
auf, ihm in das Hospital zu folgen, wo ich mit dem Ver-
wundeten konfrontirt werden müsse. Unterwegs erkundigte
er sich, wie ich mit der Behandlung des Gefangenwärters
zufrieden sei, und ich beklagte mich nicht. Mit uns gingen
noch mehrere mir Unbekannte, darunter, wie ich später sah,
der Ankläger, welcher meinem Benehmen und meinen Worten
die zarteste Aufmerksamkeit schenkte.
Den Irländer fanden wir mit blassem Gesichte auf dem
Bette, der ganze Schädel war rasirt und sammt der rechten
Seite des Gesichtes verbunden, ein Aufwärter war damit
beschäftigt, Eiswasser auf seinen Kopf zu träufeln.
„Ist das der Mann, den Sie gehauen haben?" frug
man mich zuerst, und als ich bejahte, den andern, ob er mich
erkenne?"
„Ohne Zweifel!" erwiderte der Matrose, „das ist der
Mann, der mich so zugerichtet hat, aber, so helfe mir Gott,
ich weiß nicht warum!"
„Wir wollen hier nicht weiter davon sprechen," sagte
ich aus Rücksicht auf seinen Zustand, aber der Ankläger
schnappte begierig diese Aeußerung auf, und suchte ihr später
vor Gericht eine nachtheilige Deutung zu geben. — Andern
Tag's erhielt ich meine Freiheit wieder, mit der Weisung,
der Untersuchung gewärtig zu sein.
Vierzehn Tage später, als der Irländer so weit hergestellt
war, den Verhandlungen beiwohnen zu können, wurde die Un-
tersuchung vorgenommen. Nur die Zeugen und die zwei Advo-
katen durften reden, ich selbst wurde weder gefragt, noch durfte
ich mich verantworten. Der Ankläger fuhr in einer grimmigen
Rede über mich her, deren Hauptinhalt war: Der Verwundete
könne sich fraglichen Vorfalls durchaus gar nicht erinnern, ein
Beweis, wie betrunken er damals gewesen sei und wie wenig
Anstrengung es mich gekostet haben dürfte, ihn zu entfernen,
die Richter möchten einen Blick auf den vom Blut rostigen
Säbel, auf das abgehauene Ohr nebst Backenbart, und den
noch jetzt leichenblassen Matrosen werfen, um daraus zu schlie-
ßen, wie Jndianermäßig ich gehaust habe, und keine 'Nachsicht
an einen Wirth verschwenden, der seine Gäste nicht besser zu
behandeln wisse! — Mein Advokat entgegnete, es sei durch
Zeugen bewiesen, daß der nicht sehr betrunkene Irländer mit
der Drohung, mich umzubringen, den Streit begonnen habe,
daß sein Vorgeben, sich an gar Nichts erinnern zu können,
der klarste Beweis seiner unleugbaren Schuld sei, daß ich als
Wirth nachsichtige Schonung bewiesen habe dadurch, daß ich
jenen zum zweiten Male eingelassen, — und daß jeder freie
Mann an meiner Stelle wie ich selbst gehandelt haben würde!
— Nachdem der Ankläger nochmals die Richter ermahnt hatte,
nicht zu übersehen, daß die Verwundung auf der Straße
ohne Zeugen stattgefunden habe, zog sich die Jury zurück, und
als sie einen Augenblick später zum Vorschein kam, verur-
theilte sie mich zur Erstehung von einer Stunde Gefangen-
schaft und zur Tragung der Kosten. Diese jedoch, welche sich
auf fünfundachtzig Dollar beliefen, erließ mir der Gouverneur
von Kentucky, an den ich eine Petition schickte, welche den
getreuen Sachverhalt enthielt und von mehreren angesehenen
deutschen und amerikanischen Bürgern, selbst vom Gerichts-
vorsitzer und Ankläger unterzeichnet war. —
Bald darauf verkaufte ich meinen Antheil an der Wirth-
schaft, undreiste mit meinem alten Busenfreunde Wendelin
nach New-Aork, um einige Wochen später das Farmerleben
kennen zu lernen.
Sein Leben machen.
bald er Hand an Sie legte. Aber es macht schon einen Un-
terschied, ob der Getödtete in das Zimmer hinein, oder ans
die Straße hinaus fällt!"
Wir schritten jetzt durch das Thor der hohen Mauer,
welche das Gefängniß umgab, gingen über den Hof und traten
in ein Zimmer, in welchem sich andere Watchleute und der
Gefangenwärter befanden. Der City Marshal unterhielt sich
noch eine halbe Stunde mit mir, und übergab mich dann dem
Schließer, mit der Ermahnung, mich anständig zu behandeln.
Am andern Morgen rasselten die Schlüssel, die verschie-
denen Gefängnißthüren gingen auf und zu, und endlich öff-
nete sich auch die meinige und der Gefangenwärter, das Früh-
stück bringend, trat mit dem freundlichen Gruße ein: „Wie
geht's, Schinderhannes?"
Nach ihm kam der City Marshal und forderte mich
auf, ihm in das Hospital zu folgen, wo ich mit dem Ver-
wundeten konfrontirt werden müsse. Unterwegs erkundigte
er sich, wie ich mit der Behandlung des Gefangenwärters
zufrieden sei, und ich beklagte mich nicht. Mit uns gingen
noch mehrere mir Unbekannte, darunter, wie ich später sah,
der Ankläger, welcher meinem Benehmen und meinen Worten
die zarteste Aufmerksamkeit schenkte.
Den Irländer fanden wir mit blassem Gesichte auf dem
Bette, der ganze Schädel war rasirt und sammt der rechten
Seite des Gesichtes verbunden, ein Aufwärter war damit
beschäftigt, Eiswasser auf seinen Kopf zu träufeln.
„Ist das der Mann, den Sie gehauen haben?" frug
man mich zuerst, und als ich bejahte, den andern, ob er mich
erkenne?"
„Ohne Zweifel!" erwiderte der Matrose, „das ist der
Mann, der mich so zugerichtet hat, aber, so helfe mir Gott,
ich weiß nicht warum!"
„Wir wollen hier nicht weiter davon sprechen," sagte
ich aus Rücksicht auf seinen Zustand, aber der Ankläger
schnappte begierig diese Aeußerung auf, und suchte ihr später
vor Gericht eine nachtheilige Deutung zu geben. — Andern
Tag's erhielt ich meine Freiheit wieder, mit der Weisung,
der Untersuchung gewärtig zu sein.
Vierzehn Tage später, als der Irländer so weit hergestellt
war, den Verhandlungen beiwohnen zu können, wurde die Un-
tersuchung vorgenommen. Nur die Zeugen und die zwei Advo-
katen durften reden, ich selbst wurde weder gefragt, noch durfte
ich mich verantworten. Der Ankläger fuhr in einer grimmigen
Rede über mich her, deren Hauptinhalt war: Der Verwundete
könne sich fraglichen Vorfalls durchaus gar nicht erinnern, ein
Beweis, wie betrunken er damals gewesen sei und wie wenig
Anstrengung es mich gekostet haben dürfte, ihn zu entfernen,
die Richter möchten einen Blick auf den vom Blut rostigen
Säbel, auf das abgehauene Ohr nebst Backenbart, und den
noch jetzt leichenblassen Matrosen werfen, um daraus zu schlie-
ßen, wie Jndianermäßig ich gehaust habe, und keine 'Nachsicht
an einen Wirth verschwenden, der seine Gäste nicht besser zu
behandeln wisse! — Mein Advokat entgegnete, es sei durch
Zeugen bewiesen, daß der nicht sehr betrunkene Irländer mit
der Drohung, mich umzubringen, den Streit begonnen habe,
daß sein Vorgeben, sich an gar Nichts erinnern zu können,
der klarste Beweis seiner unleugbaren Schuld sei, daß ich als
Wirth nachsichtige Schonung bewiesen habe dadurch, daß ich
jenen zum zweiten Male eingelassen, — und daß jeder freie
Mann an meiner Stelle wie ich selbst gehandelt haben würde!
— Nachdem der Ankläger nochmals die Richter ermahnt hatte,
nicht zu übersehen, daß die Verwundung auf der Straße
ohne Zeugen stattgefunden habe, zog sich die Jury zurück, und
als sie einen Augenblick später zum Vorschein kam, verur-
theilte sie mich zur Erstehung von einer Stunde Gefangen-
schaft und zur Tragung der Kosten. Diese jedoch, welche sich
auf fünfundachtzig Dollar beliefen, erließ mir der Gouverneur
von Kentucky, an den ich eine Petition schickte, welche den
getreuen Sachverhalt enthielt und von mehreren angesehenen
deutschen und amerikanischen Bürgern, selbst vom Gerichts-
vorsitzer und Ankläger unterzeichnet war. —
Bald darauf verkaufte ich meinen Antheil an der Wirth-
schaft, undreiste mit meinem alten Busenfreunde Wendelin
nach New-Aork, um einige Wochen später das Farmerleben
kennen zu lernen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sein Leben machen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 19.1854, Nr. 422, S. 79
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg