Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mispel, der Kobold.

»2

Leute so scheu," antwortete derWessyr. — „Wer plünderte?" —
»Tie Wachen Teines Borfahren, Herr." — „Ungestraft?" —
»Herr, die Gerechtigkeit schläft, wenn sic muß. Die Leibwache
zählt Tausende und der Sultan ist nur Ein Mann."—Julius
stutzte und kehrte straks um, aus den öden Gassen und dem
leeren Bazar.—„Ich will Zeitvertreib!" sprach er zu seinem
Mispelchen. — „Besieh Deine Schätze, Tein Serail," erwiderte
Papchen; „laß Tänzerinnen und Gaukler kommen, oder Einigen,
deren Gesicht Dir etwa zuwider ist, den Kopf abschlagen." —
„Pfui", donnerte Julius, und dies Wort setzte alle Umstehende
in solchen Schrecken, daß sie auf ihre Stirn zu Boden fielen
und riefen: „Herr, warum zürnst Du ? Befiehl und unser Leben
nimm, wenn es Dir ein Lächeln abzuschmeicheln vermag."—
„Heuchlerbrut!" brummte Julius zwischen den Zähnen und
folgte dem vorivatschelnden Berschnittnen zu den Frauen des
Harems. — Welche Reihenfolge von abgehärniten, frechen und
phlegmatischen Gesicht-"'»! nirgends Liebe, nirgends Reiz; pure
Sklaverei. Julius, die stumm und zitternd Dastehenden mu-
sternd, sagte dieses dem Kislar Aga, der seine Peitsche schüttelte,

und meinte, er getraue sich wohl, die Damen zärtlicher zu
machen. Verächtlich drehte sich Julius ab und ging hinweg. —
„Schon der Zugang zu dem Weiberkerker ist finster wie die
Hölle", sprach er, das schwarzePfortcngewölbe bettachtend.—
! „Der Platz ist merkwürdig", entgegnete der Neger grinsend;
„hier ward Sultan Hussein ermordet, da er zu seinen Weibern
fliehen wollte." — Julius schauderte. — „Wer war dieser
Hussein?" fragte er. — „Tein vorletzter Vorfahr", versetzte der
Eunuch; „der Letzte, o Herr, ward in dem Schatzgewölbe er-
drofielt, was Dir der Chasnadar bezeugen wird, denn er selbst
hat die Trabanten angeführt. — „Scheußlich!" schrie Julius;
„ist denn Damast eine Mordgrube und bin ich von Missethätern
umringt?" — „Allah ist gerecht!" sagte der Kislar Aga, sich
demüthig verbeugend; „des Menschen Leben ist aber kurz und
seit undenklichen Zeiten kein Fürst von Damaskus eines natür-
lichen Todes gestorben." — Wie vor einem Verpesteten floh
Julius vor dem schwarzen Unglücksvogel und rief seinem Kobold
zu: „Fort Mispel, fort mit mir! Lieber in eine Einsiedelei der
Wüste, als länger hier verweilen, wo der Knecht dem Herrn
mit dem Schwerte gebietet." — „Nach Gefallen!" ttähte
i der bunte Vogel; „halte Dich an meinen Schwingen fest.

Am Berg Sinai steht just eine Anachoretenwirthschatt ledig.

! Ehe Tein Mund dem schönen Tamask „Adieu!" zurückrufcn
mag, sind wir dort!"

6.

Für Julius, den Diogenes der Wüste, waren die Sorgen
der unttilttvirten Welt ein Unding geworden, so wie ihre Be- -
dürfnisse. Das benachbarte Kloster sandte ihm Lebensmittel; i
in der Verlassenschaft seines Vorgängers fand er Lumpen zur Be- ;
deckung, ein Moosbett zur Ruhe, ein Kopsttssen von Stein,
und ein coptisches Sentenzenbuch, das er — Dank sei's dem
Koboldchen, das ihn häufig besuchte, — bald verstand. Der
Welt müde, lebte er geraume Zeit in der Ruhe eines Weisen, !
und achtete sich glücklich, keinem Menschen unterthan zu sein in
seiner dürftigen Beschränktheit. Lange hörte Mispelchen bei
seinen Visiten nur die Versicherung aus Julius Munde, daß er
zufrieden sei. Nach und nach wurden aber die Unterhaltungen
einsilbiger; Julius gähnte und der Kobold nicht minder. — :
»Tu hast wieder Langeweile," sagte endlich Mispel; „und,
meiner Treu, ich bin davon angesteckt. Wie kann man es Dir
denn recht machen, Du Unbestand?" — „Ei, versetzte Julius:
„wie sollte man auch nicht unwirsch werden? Sieh einmal den
Himmel an, der ewig blau und klar ist, ohne Veränderung und
ohne Regen. Sieh diese Klosterkost; ewig dieselbe abgeschmackte
Küche. Das Buch hier weiß ich auswendig; zur Bearbeitung
gibt sich der dürre Boden nicht her. Dies Kleid wird in die Länge
unerttäglich, und zudem ... wäre ich nur, wie ich mir schmei-
chelte, mein eigener Herr! Aber die Beduinen sind's, Verehr-
tester, die mir von Zeit zu Zeit wegnchmen, was ich sammelte,
meinen Brunnen durch ihre Kameele verunreinigen, und mir
beim leisesten Widerstand den Tod androhen. — „Ach!"—er
schwieg mit einem Seufzer. — „Was soll ich denn für Dich
thun?" fragte Mispel lachend! „Fünfmal that ich Dir zu Wil-
len. Ein sechstesmal nur vermag ich noch Deinen Stand zu
ändern. Merke jedoch auf: Behagt Dir auch die neue Sphäre
nicht, so bist Tu mein Serviteur ohne Widerrede, und ich werde
Dir in meiner Heimath ein Bedientenkämmerchen anweisen
lassen. Bedenke also genau und wähle. — „Das lange Fasten
hat meinen Geist schwach gemacht," versicherte Julius! Ich
weiß nicht mehr, was ich will und was ich soll. Aber um
Alles in der Welt; aus dieser Stteusandbüchse schaffe mich
fort. Wäre ich nur ein geringer Mann, hätte ich sogar Weib
und Kind, ich würde glücklicher sein, als in dieser Einsamkeit, in
welcher selbst Deine seltne Nase mir alltäglich wurde. — „Topp!"
jauchzte das Koboldchen! in diesem Augenblicke ersäuft bei
Ceylon ein Gärtner, der, exotische Gewächse zu holen, den Ocean
überschiffte, und schon wieder auf der Heimkehr begriffen war.
„Tröste Tu die Hinterbliebenen." — „Wen?" — „Die Frau,
die Kinder, den Hausfreund." — „Gott bewahre mich!" rief
der entsetzte Julius, der sich beim Worte genommen sah;
aber in diesem Augenblicke stürzte eine Araberhorde herbei,
um dem armen Julius den.Garaus zu spielen. Dieser hatte nun
nichts Eiligeres zu thun, als sich in sein Schicksal zu- fügen.
Mispel verwandelte sich daher in riesigen Spuck, nahm den
Schützling unter den Arm, schlug sich mit ihm durch die
Beduinen, und setzte ihn in Deutschland, mit einem Ränz-
chen bepackt, vor einem niedlichen Hause nieder.

(Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mispel, der Kobold."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Unidentifizierte Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Sultan
Harem <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Orientalismus

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 36, S. 92
 
Annotationen