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14 Aus dem Nathhllttsener Tagblatt.

Rathhausen, den 7. Oktober.

Soeben kommt das Gerücht einer eben so beklagcnswer-
thcn als ruchlosen That zu unsern Ohren, einer That, die sich
nur aus der tiefen moralischen Verdcrbniß unserer modernen
gesellschaftlichen Zustände erklären läßt. Der Thatbestand ist
folgender: Ein junger Maler aus hiesiger Stadt lockt durch
Schmeicheleien ein junges schönes, aber noch sehr schüchternes
weibliches Modell in sein Atelier. Da sie ihm nicht zu Wil-
len ist, ermordet er sie. Alles Schreien der Unglück- !
lichen wird überhört, da das Atelier des Malers im j
Hintergebäude über drei Stiegen liegt. Bei cinbre-
chendcr Nacht schleppt der Mörder den Leichnam der
Ermordeten in den Hof, um ihn dort eigenhändig in
den Sand zu scharren. Unmittelbar daraus begiebt
sich derselbe in eine nahegelegene Brauerei und trinkt
wie gewöhnlich seine sechs Glas Bier, ohne daß eine
besondere Aufregung an ihm bcmerklich gewesen wäre.

Es steht zu erwarten, daß es der anerkannten Um-
sichtigkeit unserer hochlöblichen Polizei sehr bald gelin-
gen werde, die näheren Umstände und ticserliegenden
Motive dieser That an's Licht zu ziehen.

Nachschrift.

Wie wir aus glaubwürdiger Quelle vernehmen,
so soll eine würdige alte Dame unserer Stadt bei
diesem Vorfälle sehr nahe und schmerzlich betheiligt
sein. — Der Thäter ist bereits eingezogen, und wird
jetzt möglicher Weise schon sitzen.

Rathhausen, den 8. Oktober.

Dem von uns unter dem gestrigen Datum be-
richteten und bereits in weiteren Kreisen' vielfach be-
sprochenem Vorfälle scheint zu unscrm Bedauern ledig-
lich ein muthwillig verbreitetes Gerücht zum Grunde

Der unfrankirte Brief.

zu liegen und ist dasselbe dahin zu berichtigen,, daß allerdings
ein junger Maler ein junges weibliches Modell ermordet hat, und
daß allerdings eine alte würdige Dame von diesem Vor-
fälle nahe berührt ist; daß aber dieser Maler ein Thiermalcr,
und das Modell die Lieblingskatze einer alten Dame ist, in
deren Hause derselbe Maler vor Kurzem ein Atelier bezogen
hatte. Daß er demzufolge eingezogcu, ist gewiß, und daß
er jetzt schon sitzt, nämlich im Bierhausc, wird Niemanden,
der ihn näher kennt, unmöglich scheinen.

Der unfrankirte Brief.

Ein polnischer Jude kam durch mehrere Tage auf das
Postamt und fragte jedesmal sehr angelegentlich, ob denn kein
Brief unter Adresse: An Herrn Schaic Laib Perlstein aus
Brody, derzeit in Törschen in Böhmen, poste restante an-
gckommcn sei. Durch eine Zeit von vierzehn Tagen war
Schaie Laib jeden Tag auf das Postamt gegangen, und wenn
die Antwort lautete: „Nichts," so ging er ganz traurig und
niedergeschlagen weg.

Dem Postmeister wurden die häufigen Nachfragen schon
überlästig und er fertigte den zudringlichen Frager' grob ab.
Endlich langte richtig ein Brief unter der angegebenen Adresse
aber unfrankirt, an. Der Postmeister übergibt dem Juden
den Brief, und nennt dreizehn Kreuzer als Postgebühr. Schaie
Laib nimmt das Schreiben in die Hand, betrachtet cs von allen
Seiten ganz genau, legt cs endlich uneröffnet auf den Tisch
des Postmeisters hin und sagt: „Den Brief, den mog ich nit."
Dem Postmeister fiel das Benehmen des Juden auf und er sagte:
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Aus dem Rathhausener Tagblatt" "Der unfrankirte Brief"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Busch, Wilhelm
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Sparsamkeit
Postbeamter
Maler <Motiv>
Freimachung
Brief <Motiv>
Gerücht
Atelier
Schläue
Karikatur
Mord
Postamt
Satirische Zeitschrift
Juden

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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 706, S. 14

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