Der tapfere Mörsburger.
rück, während eine zweite Armee unter Jonrdan vom Unter-
rhein her ebenfalls siegreich vorrückte und sich der ersteren
näherte. Mit vollem Recht fanden die Bauern das höchst be-
denklich, war doch der Erzherzog dem einen nicht gewachsen
gewesen und sollte es nun mit zweien zu thnn bekommen!
daß die Oestcrreicher ans dieser Schlamasse sich herauswinden
sollten, das schien ihnen undenkbar. „Werden sehen", sagten sie,
„jetzt hält den Franzosen keiner mehr ans, jetzt marschirt er
zu und immer zu und hält nicht eher an, als bis er nach
Wien kommt und den Kaiser gefangen nimmt." So sprachen
sie, fest überzeugt, daß es gar nicht anders sein könne, und
konnten sich ordentlich ärgern, wenn dcr Mörsburger mit
schlauem Lächeln sich bei ihren Reden aus dem Stuhle schau-
kelte und jedesmal beim Schlüsse sagte: „Leute, das versteht
ihr nicht. Ich sage: der Moreau muß zurück, er muß und
zwar bald, schon in der allernächsten Zeit, er kann es nicht
mehr lange treiben, das Vorrücken." „Woher wollt Ihr das
wissen?" riefen die Bauern, „Ihr da hier außen am Rhein?
He, wer sagt's Euch so gewiß? Ihr thut ja, als ob Ihr nur
zum großen Moreau sagen dürftet: Halt, Mändle, jetzt gcht's
wieder retour!" „Möcht' schier so sein", erwiedcrte dcr Sol-
dat. „Wie das zngeht, begreift ihr freilich nicht, aber 's bleibt
doch dabei: er muß zurück, der Franzos, er mag wollen oder
nicht!" ^„Daß Ihr die Kränk krieget", riefen die ergrimmten
Bauern, „Alles müßt Ihr doch nicht wissen wollen. Ihr thut
ja, als wenn Ihr allwissend wäret, und allmächtig dazu".
„Und dennoch sag ich's", sprach dcr Soldat, indem er ans-
stand und sich dcr Thüre näherte, „ich sag': er muß zurück,
dcr Moreau, so steht's geschrieben!" „Ein blitzbraver Kerl,
wenn er nur die verfluchte Marotte nicht hätt'", sagten,
als er fort war, die Bauern. „Behaup-
tet da steif und fest, dcr Moreau mit
seinem allmächtig großen Heere müß'
nur so ans einmal zurück, und ist doch
weit und breit keiner, der ihn dazu
zwingt, denn der Erzherzog hat leider
j dießmal auch 's Glück nicht gehabt."
So ging's an mehr als einem
Abende. Und es wäre wohl manchmal
zu ernsthaften Händeln gekommen, wenn
! der Mörsburger nicht immer noch zu
rechter Zeit den Rückzug, den er dein
berühmten Moreau so sicher prophezeite,
vorerst selbst angetreten und dadurch
dem Streit ein Ende
Aber >vie ward's
mit einem Mal
schäften ans dem Innern des Reichs
herausdrangen an den Rhein, als man
erfuhr, dcr junge Held Erzherzog Carl,
habe sich plötzlich gegen Jonrdan gewen-
det und ihn auf's Haupt geschlagen bei
Amberg, nochmal geschlagen bei Würz-
burg, und jage ihn jetzt im Sturm dem
99
Rhein zu? Als der Mörsburger am Abend in die Wirths-
stnbe trat und sich ruhig zu seinem Schoppen setzte, da mach-
ten ihm die Bauern respektvoll Platz und es dauerte eine
Weile, während dcr sic ihn neugierig anschauten und zu ihrer
Freude fanden, daß er seither nicht hochmüthig geworden war,
bis einer es wagte, ihm sein Glas anzubieten zum Anstoßen
und sagte: „Herr Soldat, nichts für ungut, dcr Erzherzog
Carl soll leben!" „Soll leben, dcr tapfere, dcr unvergleich-
liche Held", ries begeistert der Mörsburger, „soll noch lange
leben und siegen für Kaiser und Reich!"
Da klangen die Gläser und klangen wieder und wieder
auf's Wohlsein des Helden. Und hernach holte dcr Soldat
seine Kreide hervor und malte die Stellung der Heere, malte
den Rückzug Jvnrdans und das siegreiche österreichische Heer
auf seinen: Nacken, malte den Moreau mitten in Feindes-
land, malte vor ihm das österreichische Beobachtungsheer und
hinter ihm am Rheine da malte er noch etwas hin. „Was
ist denn das für ein Cörpslcin?" fragten die Bauern, „das
sollt' ja bei uns herum in der Nähe sein und da steht doch
lucit und breit kein Soldat." Der Mörsburger antwortete
nichts, aber er inachte von Moreau's Heer einen langen
dicken Strich mitten durch den Schwarzwald hindurch bis zun:
Rheine hin, indem er sagte: „So, das ist dem Moreau sein
Weg". — „Dem Moreau sein Weg!" riefen die Bauern,
„was soll das sein? Der hat's jetzt leicht, seitdem der Erz-
herzog von ihm weg ist und denkt gewiß nicht an's Umkehren,
sondern rückt gerade nach Wien." — »Das versteht Ihr
nicht", antwortete der Soldat, „hört, was ich Euch sage:
„Ehedenn dieser Monat September um sein wird, werdet
Ihr den berühmten Moreau und seine große Armee nach dem
13 *
rück, während eine zweite Armee unter Jonrdan vom Unter-
rhein her ebenfalls siegreich vorrückte und sich der ersteren
näherte. Mit vollem Recht fanden die Bauern das höchst be-
denklich, war doch der Erzherzog dem einen nicht gewachsen
gewesen und sollte es nun mit zweien zu thnn bekommen!
daß die Oestcrreicher ans dieser Schlamasse sich herauswinden
sollten, das schien ihnen undenkbar. „Werden sehen", sagten sie,
„jetzt hält den Franzosen keiner mehr ans, jetzt marschirt er
zu und immer zu und hält nicht eher an, als bis er nach
Wien kommt und den Kaiser gefangen nimmt." So sprachen
sie, fest überzeugt, daß es gar nicht anders sein könne, und
konnten sich ordentlich ärgern, wenn dcr Mörsburger mit
schlauem Lächeln sich bei ihren Reden aus dem Stuhle schau-
kelte und jedesmal beim Schlüsse sagte: „Leute, das versteht
ihr nicht. Ich sage: der Moreau muß zurück, er muß und
zwar bald, schon in der allernächsten Zeit, er kann es nicht
mehr lange treiben, das Vorrücken." „Woher wollt Ihr das
wissen?" riefen die Bauern, „Ihr da hier außen am Rhein?
He, wer sagt's Euch so gewiß? Ihr thut ja, als ob Ihr nur
zum großen Moreau sagen dürftet: Halt, Mändle, jetzt gcht's
wieder retour!" „Möcht' schier so sein", erwiedcrte dcr Sol-
dat. „Wie das zngeht, begreift ihr freilich nicht, aber 's bleibt
doch dabei: er muß zurück, der Franzos, er mag wollen oder
nicht!" ^„Daß Ihr die Kränk krieget", riefen die ergrimmten
Bauern, „Alles müßt Ihr doch nicht wissen wollen. Ihr thut
ja, als wenn Ihr allwissend wäret, und allmächtig dazu".
„Und dennoch sag ich's", sprach dcr Soldat, indem er ans-
stand und sich dcr Thüre näherte, „ich sag': er muß zurück,
dcr Moreau, so steht's geschrieben!" „Ein blitzbraver Kerl,
wenn er nur die verfluchte Marotte nicht hätt'", sagten,
als er fort war, die Bauern. „Behaup-
tet da steif und fest, dcr Moreau mit
seinem allmächtig großen Heere müß'
nur so ans einmal zurück, und ist doch
weit und breit keiner, der ihn dazu
zwingt, denn der Erzherzog hat leider
j dießmal auch 's Glück nicht gehabt."
So ging's an mehr als einem
Abende. Und es wäre wohl manchmal
zu ernsthaften Händeln gekommen, wenn
! der Mörsburger nicht immer noch zu
rechter Zeit den Rückzug, den er dein
berühmten Moreau so sicher prophezeite,
vorerst selbst angetreten und dadurch
dem Streit ein Ende
Aber >vie ward's
mit einem Mal
schäften ans dem Innern des Reichs
herausdrangen an den Rhein, als man
erfuhr, dcr junge Held Erzherzog Carl,
habe sich plötzlich gegen Jonrdan gewen-
det und ihn auf's Haupt geschlagen bei
Amberg, nochmal geschlagen bei Würz-
burg, und jage ihn jetzt im Sturm dem
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Rhein zu? Als der Mörsburger am Abend in die Wirths-
stnbe trat und sich ruhig zu seinem Schoppen setzte, da mach-
ten ihm die Bauern respektvoll Platz und es dauerte eine
Weile, während dcr sic ihn neugierig anschauten und zu ihrer
Freude fanden, daß er seither nicht hochmüthig geworden war,
bis einer es wagte, ihm sein Glas anzubieten zum Anstoßen
und sagte: „Herr Soldat, nichts für ungut, dcr Erzherzog
Carl soll leben!" „Soll leben, dcr tapfere, dcr unvergleich-
liche Held", ries begeistert der Mörsburger, „soll noch lange
leben und siegen für Kaiser und Reich!"
Da klangen die Gläser und klangen wieder und wieder
auf's Wohlsein des Helden. Und hernach holte dcr Soldat
seine Kreide hervor und malte die Stellung der Heere, malte
den Rückzug Jvnrdans und das siegreiche österreichische Heer
auf seinen: Nacken, malte den Moreau mitten in Feindes-
land, malte vor ihm das österreichische Beobachtungsheer und
hinter ihm am Rheine da malte er noch etwas hin. „Was
ist denn das für ein Cörpslcin?" fragten die Bauern, „das
sollt' ja bei uns herum in der Nähe sein und da steht doch
lucit und breit kein Soldat." Der Mörsburger antwortete
nichts, aber er inachte von Moreau's Heer einen langen
dicken Strich mitten durch den Schwarzwald hindurch bis zun:
Rheine hin, indem er sagte: „So, das ist dem Moreau sein
Weg". — „Dem Moreau sein Weg!" riefen die Bauern,
„was soll das sein? Der hat's jetzt leicht, seitdem der Erz-
herzog von ihm weg ist und denkt gewiß nicht an's Umkehren,
sondern rückt gerade nach Wien." — »Das versteht Ihr
nicht", antwortete der Soldat, „hört, was ich Euch sage:
„Ehedenn dieser Monat September um sein wird, werdet
Ihr den berühmten Moreau und seine große Armee nach dem
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der tapfere Mörsburger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 717, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg