1 54 Poesie und Prosa.
(Fortsetzung.)
„Fünfhundert Thaler verkrümeln sich leicht auf Reisen,
vorzüglich, wenn man flott den großen Herrn dabei spielt.
So mußte ich denn bald aus einen ehrenvollen Rückzug denken
und wollte cs so einzurichten suchen, daß das leicht verdiente
Geld Null für Null aufging, wenn ich in der Hauptstadt
wieder einträfe. Dies ist mir denn auch trefflich gelungen, ich
nahm von dem Glücksmammon nicht einen Heller in's neue
Leben mit hinüber, das dann ganz solid wieder begann. —
Auf dieser meiner Rückreise nun," setzte er zögernd und mit
sinkender Stimme hinzu, „geschah es, daß der bekannte Unfall
mit dem Wagen sich zutrug — und das Weitere werden Sie
mir wohl erlassen."
„Ja das wollen wir," ließ sich Emmelinens Stimme
unter dem Tuche vernehmen, und Müller versetzte: „nun nur
noch zwei Worte zu meiner Vcrtheidigung. Daß ich eine solche
Lösung meines Abenteuers auf dem Eulenhorst nicht voraus-
sehen konnte, werden Sic mir glauben. Und gestehen Sic dies
zu, so wird es Ihnen auch nicht schwer werden, mir die Sünde
zu vergeben, daß ich mich in Schlesien ansässig gemacht. End-
lich aber verspreche ich Ihnen bei der Ehre meines bürgerlichen
Namens, den ich fürder als wackerer Bürgersmann zu führen
gedenke, daß meine Erlebnisse auf dem Eulenhorst gegen jeg-
liches Menschenkind ein Geheimniß bleiben sollen, also daß Sic
in keiner Weise eine Compromittirung durch mich zu befürch-
ten habe». Was meine Wenigkeit selbst aber betrifft, so wird
es Ihnen leicht werden, einen Unwürdigen zu vergesse», der
in Ihre Kreise sich einzudrängen die Verwegenheit hatte."
Müller schwieg jetzt, denn er wußte in der That nichts
weiter zu sagen, und blickte verlegen zu Boden, der ihm unter
den Füßen brannte, Emmeline aber lispelte: „ein Glas Wasser,
mir wird unwohl!"
Der Schneider froh, die Luft wechseln zu können, sprang
eiligst davon und vergaß im übergroßen Eifer die Thür zu
schließen.
„Ach, wie zieht's, und ich bin so heiß!" sagte Emmeline
mit schwacher Stimme und Clothilde eilte nach dem offenen
Zimmcreingange, den sie jedoch noch nicht ganz erreicht hatte,
als ein junges Mädchen in einfacher bürgerlicher Kleidung die
Schwelle überschritt und nachdem sie Clothildcn erblickt hatte,
dieser mit einem Freudcnrnfe in die Arme stürzte. Vergebens
suchte Emmelinens Freundin sich aus der Umarmung zu win-
den und der stürmisch sie Begrüßenden mit der Hand den
Mund zu schließen. Sie konnte nicht loskommcn und den
Freudenrus: „mein Malchen, o mein Matchen!" nicht ersticken,
der hell durch's Zimmer klang.
„Was — soll das?" tönte es zum zweiten Male aus
Emmelinens Munde, die verwundert nach der plötzlich leichen-
blaß gewordenen Freundin hinüberschaute. Jetzt erst gewahrte
das junge Mädchen die fremde Dame und schnell verschüchtert
trat sie einige Schritte zurück und befreite somit Clothildcn
aus ihren Armen. Diese suchte die Kleine zur Thür zu dränge», !
die, über dies sclbsame Beginnen verwundert, sich sträubte, 1
so daß Clothilde von ihr ablassen mußte.
„Wer sind Sie?" fragte jetzt Emmeline hinüber. „Malchen 1
Wunderwald," tönte cs zurück, „und die Dame hier, die plötz-
lich vornehm geworden und mich nicht kennen will, ist meine |
Cousine Christine Wunderwald, denn unsere Mütter waren
Schwestern, müssen Sic wissen."
In diesem Augenblick trat bas Mädchen, welches die
Damen in's Zimmer geleitet, ein Wasserglas auf einem Teller
tragend, herein und schritt aus Emmeline zu und diesen Mo- j
ment benutzte deren Freundin, um jetzt die „Cousine" alles ;
Ernstes mit Gewalt aus dem Gemache zu drängen. Es gelang !
ihr dies, und sie kehrte alsbald, die Thür hinter sich in's >
Schloß drückend, allein wieder zurück.
„Nicht hier, kommen Sie meine Gnädige, Sie sollen
Alles erfahren!" raunte sie Emmelinen in's Ohr, welche die
Wucht der aus sie eindrängenden Ereignisse zu erdrücken schien.
Mechanisch erhob sich diese und taumelte aus dem Zimmer,
den Corridor entlang der Treppe zu. Clothilde folgte ihr un-
sicher» Ganges nach. Die Kleine war verschwunden und auch
Müller nicht um die Wege.
Auf ihrem Zimmer im Hotel lehnte, das wirre Haupt
in die Kiffen des Divans gedrückt, Emmeline. Vor ihr stand,
das blaffe Gesicht von Thränen überschwemmt, Clothilde. Die
Gardinen an de» Fenstern waren herabgelasscn, der Duft
starker wohlriechender Wasser erfüllte die Atmosphäre, tiefe
Stille herrschte und das Gemach gewährte ganz den Anblick
eines Krankenzimmers.
Die Herrin des Eulcnhorst langte nach dem Glase Limo-
nade, das auf einem Tischchen vor ihr stand, trank einige
Schlucke, fiel dann in ihre vorige Stellung wieder zurück und
(Fortsetzung.)
„Fünfhundert Thaler verkrümeln sich leicht auf Reisen,
vorzüglich, wenn man flott den großen Herrn dabei spielt.
So mußte ich denn bald aus einen ehrenvollen Rückzug denken
und wollte cs so einzurichten suchen, daß das leicht verdiente
Geld Null für Null aufging, wenn ich in der Hauptstadt
wieder einträfe. Dies ist mir denn auch trefflich gelungen, ich
nahm von dem Glücksmammon nicht einen Heller in's neue
Leben mit hinüber, das dann ganz solid wieder begann. —
Auf dieser meiner Rückreise nun," setzte er zögernd und mit
sinkender Stimme hinzu, „geschah es, daß der bekannte Unfall
mit dem Wagen sich zutrug — und das Weitere werden Sie
mir wohl erlassen."
„Ja das wollen wir," ließ sich Emmelinens Stimme
unter dem Tuche vernehmen, und Müller versetzte: „nun nur
noch zwei Worte zu meiner Vcrtheidigung. Daß ich eine solche
Lösung meines Abenteuers auf dem Eulenhorst nicht voraus-
sehen konnte, werden Sic mir glauben. Und gestehen Sic dies
zu, so wird es Ihnen auch nicht schwer werden, mir die Sünde
zu vergeben, daß ich mich in Schlesien ansässig gemacht. End-
lich aber verspreche ich Ihnen bei der Ehre meines bürgerlichen
Namens, den ich fürder als wackerer Bürgersmann zu führen
gedenke, daß meine Erlebnisse auf dem Eulenhorst gegen jeg-
liches Menschenkind ein Geheimniß bleiben sollen, also daß Sic
in keiner Weise eine Compromittirung durch mich zu befürch-
ten habe». Was meine Wenigkeit selbst aber betrifft, so wird
es Ihnen leicht werden, einen Unwürdigen zu vergesse», der
in Ihre Kreise sich einzudrängen die Verwegenheit hatte."
Müller schwieg jetzt, denn er wußte in der That nichts
weiter zu sagen, und blickte verlegen zu Boden, der ihm unter
den Füßen brannte, Emmeline aber lispelte: „ein Glas Wasser,
mir wird unwohl!"
Der Schneider froh, die Luft wechseln zu können, sprang
eiligst davon und vergaß im übergroßen Eifer die Thür zu
schließen.
„Ach, wie zieht's, und ich bin so heiß!" sagte Emmeline
mit schwacher Stimme und Clothilde eilte nach dem offenen
Zimmcreingange, den sie jedoch noch nicht ganz erreicht hatte,
als ein junges Mädchen in einfacher bürgerlicher Kleidung die
Schwelle überschritt und nachdem sie Clothildcn erblickt hatte,
dieser mit einem Freudcnrnfe in die Arme stürzte. Vergebens
suchte Emmelinens Freundin sich aus der Umarmung zu win-
den und der stürmisch sie Begrüßenden mit der Hand den
Mund zu schließen. Sie konnte nicht loskommcn und den
Freudenrus: „mein Malchen, o mein Matchen!" nicht ersticken,
der hell durch's Zimmer klang.
„Was — soll das?" tönte es zum zweiten Male aus
Emmelinens Munde, die verwundert nach der plötzlich leichen-
blaß gewordenen Freundin hinüberschaute. Jetzt erst gewahrte
das junge Mädchen die fremde Dame und schnell verschüchtert
trat sie einige Schritte zurück und befreite somit Clothildcn
aus ihren Armen. Diese suchte die Kleine zur Thür zu dränge», !
die, über dies sclbsame Beginnen verwundert, sich sträubte, 1
so daß Clothilde von ihr ablassen mußte.
„Wer sind Sie?" fragte jetzt Emmeline hinüber. „Malchen 1
Wunderwald," tönte cs zurück, „und die Dame hier, die plötz-
lich vornehm geworden und mich nicht kennen will, ist meine |
Cousine Christine Wunderwald, denn unsere Mütter waren
Schwestern, müssen Sic wissen."
In diesem Augenblick trat bas Mädchen, welches die
Damen in's Zimmer geleitet, ein Wasserglas auf einem Teller
tragend, herein und schritt aus Emmeline zu und diesen Mo- j
ment benutzte deren Freundin, um jetzt die „Cousine" alles ;
Ernstes mit Gewalt aus dem Gemache zu drängen. Es gelang !
ihr dies, und sie kehrte alsbald, die Thür hinter sich in's >
Schloß drückend, allein wieder zurück.
„Nicht hier, kommen Sie meine Gnädige, Sie sollen
Alles erfahren!" raunte sie Emmelinen in's Ohr, welche die
Wucht der aus sie eindrängenden Ereignisse zu erdrücken schien.
Mechanisch erhob sich diese und taumelte aus dem Zimmer,
den Corridor entlang der Treppe zu. Clothilde folgte ihr un-
sicher» Ganges nach. Die Kleine war verschwunden und auch
Müller nicht um die Wege.
Auf ihrem Zimmer im Hotel lehnte, das wirre Haupt
in die Kiffen des Divans gedrückt, Emmeline. Vor ihr stand,
das blaffe Gesicht von Thränen überschwemmt, Clothilde. Die
Gardinen an de» Fenstern waren herabgelasscn, der Duft
starker wohlriechender Wasser erfüllte die Atmosphäre, tiefe
Stille herrschte und das Gemach gewährte ganz den Anblick
eines Krankenzimmers.
Die Herrin des Eulcnhorst langte nach dem Glase Limo-
nade, das auf einem Tischchen vor ihr stand, trank einige
Schlucke, fiel dann in ihre vorige Stellung wieder zurück und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Poesie und Prosa"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 737, S. 54
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg