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Die kluge Schnecke.

Deßhalb erscheint es unglaublich fürwahr,

Wie also cs mochte kommen,

Daß Du beharrlich — zur Krone sogar
Des hohen Baumes geklommen!" —

„Unglaublich? — Ich verstehe Dich nicht!

Wohl kam ich nicht lausend zum Zwecke,

Doch eifrig kriechend." — Und also spricht
Zur Biene die pfifstge Schnecke.

F- H.

Was nicht Alles in der Welt passirt.

Geschäfte hatten mich mehrere Wochen im inneren Ungarn
festgehalten. So schön mir auch das Land erschienen war, so
unvollkommen sind doch seine Verkehrsmittel, nicht durch die
Schuld der Einwohner, sondern durch die Verhältnisse des
Landes, cs fehlt an Material zum Bau der Straßen. Ich
hatte fast meine ganze Reise auf Baucrnwagcn zurücklcgcn müssen,
und war herzlich froh, als ich in Tolna die Donau erreichte,
und die Strecke von hier bis Pesth auf einem comrortablen
Dampfschiffe zurücklcgcn konnte.

Ich betrat das Schiff zur Mittagszeit, und konnte an der
Table d’liote die bunte Reisegesellschaft mustern. Türken, Serben,
Ungarn, Slaven, Deutsche waren zugegen, und redeten Jeder
in seiner Sprache. Mir vis-a-vis saß ein junger Mann, der
eben aus Aegypten zurückkchrte, wohin er von Frankreich ge-
gangen war, um ein großes Maschinenwerk für den Pascha zu
montiren. Er erzählte der Tischgesellschaft seine Reiseerlebnisse

Was nicht Alles in der Welt passirt.

auf der Reise von Toulon nach Cairo, und folgende zwei Ge-
schichten schienen mir wohl der Aufzeichnung werth zu sein.

Nach vieler Mühe, erzählte er, die wir in Toulon mit
der Einschiffung unserer schweren Maschincnthcilc gehabt hatten,
lichteten wir endlich die Anker. Kaum hatten wir einige Stunden
den Hafen verlassen, als einer jener furchtbaren Stürme ein-
trat, die im Binnenmeer doppelt gefährlich sind. Der Capitain
sorgte für sein Schiff, ich für meine werthvolle Ladung von
Maschinen. Zu meiner Hilfe hatte ich unter anderen zwei
Brüder, Zimmcrlcute, der ältere einige zwanzig Jahr, der
jüngere vielleicht vierzehn. Letzterer war nur auf dringendes

Bitten mitgenommen, um mit sei-
nem Bruder die weite Reise zu
machen; bei keinem Schritte trenn-
ten sich die beiden, so auch jetzt in
der Stunde der Gefahr nicht.
Unermüdlich arbeiteten Beide im
Schiffsräume, um durch Ketten
die Maschinen zu bescstigcn, aus
einmal höre ich einen grellen
Angstschrei, der jüngere Bruder
j stürzt außer sich hinauf mit dem
Geschrei: „mein Bruder ist todt,
mein Bruder ist todt!" Ich fliege
hi» zu dem Zimmermann, und
finde den armen Menschen mit !
eingedrückter Brust auf dem Bo-
den liege», er war von einem
großen Rade, welches sich beim
Sturme losgcrisscn hatte, erfaßt
und erdrückt worden.

Ich weiß nicht, was mir
in diesem Augenblicke näher
ging, der Verlust des braven
Arbeiters, oder der Schmerz sei-
nes Bruders. Unter den kläg-
lichsten Ausrufungen stürzte er
sich immer wieder auf ihn, aber seine Liebkosungen.vermochten
ihn nicht wieder zu erwecken. Wir schafften ihn auf das Ver-
deck, hüllten ihn in ein leinenes Tuch, der Capitain sprach
einige Worte über seinem Leichnam, dann ließen wir seinen
Leichnam, beschwert mit Art und Schleifstein, den Symbolen
seines Handwerks, in die Mecresticfe hinab. So tobend auch die
Schmcrzensausbrüchc des jüngeren Bruders im Anfang ge-
wesen waren, so dumpf hatte er der feierlichen Handlung bei-
gcwohnt, jetzt im Augenblicke, als die Leiche die Fluth berührte,
packte ihn noch einmal der Wahnsinn des Schmerzes, und mit
dem Rufe: „mein Bruder, verlaß mich nicht!" stürzte er der
Leiche nach.

Es entstand ein Augenblick der größten Verwirrung auf
dem Schiffe. Nach dem Sturme trieb uns ein kräftiger Wind
unserem Ziele cntgegcgcn. Anhalten oder Umlegen des Schiffes
war nicht möglich, wir gaben beide verloren.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Was nicht Alles in der Welt passirt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Staunen <Motiv>
Schleifstein
Dampfschiff <Motiv>
Seemann <Motiv>
Bauch <Motiv>
Weißhai
Karikatur
Zimmerer
Öffnung
Reisebericht
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 742, S. 94

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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