Plaudereien aus der Schummerstunde.
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Anfänge der Praxis nicht allzuhäufig; aber wie erschrak er,
als nun der Bauer den Sack öffnete und sich ihm das lang-
ohrigc Antlitz eines jungen Schweines grunzend cntgegen-
strccktc. „Bleiben Sie mir mit Ihrer Schenkasche vom Leibe!"
schrie er ganz außer sich und retirirte sich in die äußerste
Zimmerecke,*" gefolgt von dem Bauer mit dem Schweine, der
das nur für Spaß hielt und treuherzig sagte: „keine Umständig-
keiten, Herr Doktor, mein Hans is noch mit dat groote Veeh
für de Döör" — „Um Gotteswillcn, machen Sie, daß Sie
hinauskommen, ich will nichts davon wissen!" kreischte der
Arme, jetzt ganz in Verzweiflung, „ich kann keine Thicre
leide», hinaus, hinaus!" Jetzt merkte der Bauer wohl, daß
es Ernst war und indem er sich verlegen zurückzog, sagte er
noch zur Entschuldigung: „Na, nehmen's »ich för ungood,
Herr Doktcr, Ehr Fründ, de Doktcr Schmidt hctt mi secht,
Se hätten sick all lang so 'n paar Ferkel gewunschcn, nu
merk' ick woll, he is 'n Spitzbov!" — „Gottlob, daß er
weg ist!" seufzte der gequälte Thierfeind tief auf, aber sein
zweiter Gedanke war der des tiefsten Unwillens über den Streich,
den ihm sein Freund gespielt hatte und in der ersten Zorncs-
hitze, sandte er sogar eine Herausforderung an denselben ab.
So weit ließ cs dieser aber nicht kommen, ging zu ihm,
versöhnte ihn bald und auf seine Acußcrung: „Du hättest
mich, wenn Du mich wirklich lieb hättest, doch nicht so !
necken sollen," versetzte Schmidt: „Ach, lieber Freund, j
kennst Du denn das alte Sprüchwort nicht: Was sich liebt,
das neckt sich?" Das Sprüchwort hat sich der Freund denn >
gut gemerkt und noch jetzt zuweilen bringt er cs — aber,
Doklcrchcn, Sic dampfen ja fürchterlich!" schloß die Mutter
hier plötzlich ihre Anekdote. „Hm, hm," meinte der alte Herr
etwas verlegen, „die Pfeife ist gleich aus — aber, was ich
sagen wollte," — „Warum hast Du uns denn den Namen
des einen Freundes gar nicht genannt?" fiel der vorlaute
Adolph ein. Da riß dem Onkel die Geduld und in halb
scherzhaftem Zorne brach er los: „Nun, Du Gelbschnabel,
wenn Du cs denn durchaus wissen mußt, ich bin's gewesen,
ich — Ihr habt's ja doch schon lange errathen," setzte er ;
murrend hinzu, wie die Mutter lächelnd nickte. — „Ach, das
ist köstlich", rief die kleinste Tochter, in die Hände klatschend,
während die Andern lachten. „Ja, lacht nur ihr unartiges
Volk!" fing der Onkel jetzt wieder an „und Sie, gnädige
Frau, — nun warten Sie nur, Sic sollen mir es büßen, >
jetzt komme ich an's Erzählen!" „Nur immerzu!" versetzte die >
Hausfrau, „ich bin recht begierig!" Der Onkel setzte die aus-
gcrauchtc Pfeife weg, rückte noch einmal an der Halsbinde
und erzählte dann: „Auch in der Geschichte, die ich Euch
jetzt mittheilen will, komme ich vor — Du brauchst nicht wieder
zu lachen, Adolph, das schickt sich überhaupt nicht für Dich,
wenn Du cs zu weit treibst — nun nu». Du werde nur
nicht gleich ärgerlich, ich meinte es nicht so bös — aber wie
gesagt, ich komme wieder darin vor, wenn auch leider nur
ganz als Nebenperson. Einige Monate später, nachdem die
elenden Schweine in mein Haus gebracht waren, brachte uns
der Postwagen zwei allerliebste junge Damen nebst ihrer Mutter
in die Stadt, die von jetzt an jeden Abend der ganzen jungen
Männerwelt den Kopf verrückten, und da ich damals auch noch
dazu gehörte, natürlich mir auch. Die eine der beiden Damen war
nämlich Sängerin und die andere eine vortreffliche Schauspielerin
und namentlich von der letzteren waren wir Alle so cnthusiasmirt,
daß wir um einen Blick von ihr zu erhaschen, die Turandot'schcn
Räthsel zu lösen versucht hätten, und hätte es uns auch den
Kopf gekostet. Schmidt, was übrigens auch nur ein von der
gnädigen Frau improvisirter Name ist, hatte. ohnedies den
fcinigcn schon beinahe gänzlich verloren, noch mehr aber sein
Herz, so hell hatten ihn die schwarzen Augen der schönen
Künstlerin Caroline angcblitzt. Es gelang ihm denn auch, bei
der Mutter der beiden Damen eingcführt zu werden und da
er gerade nicht häßlich war, und bis auf seine Thierfrcund-
schaft recht charmante Eigenschaften besaß, so blieb Carolinens
Herz auch nicht unerbittlich seinen stürmischen Bewerbungen
gegenüber; ewige Liebe und Treue wurde, wie denn das so
geht, geschworen, und die beiden Liebenden schwebten in einem
Meer von Glückseligkeit.
(Schluß folgt.)
Chor der Kahlköpfe.
Wir armen Kahlköpfe sind gar nicht so dumm,
Wir haben kein Haar mehr und wissen warum.
Niel garstige Stunden im wandelnden Jahr,
Die warfen uns borstige Kletten in's Haar.
Wir zupften und rupften mit Weh und mit Ach,
Wir zogen die Kletten, die Locke kam nach.
Ja, garstige Stunden, die rupften uns sehr,
Doch nahmen, die guten uns leider noch mehr.
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Anfänge der Praxis nicht allzuhäufig; aber wie erschrak er,
als nun der Bauer den Sack öffnete und sich ihm das lang-
ohrigc Antlitz eines jungen Schweines grunzend cntgegen-
strccktc. „Bleiben Sie mir mit Ihrer Schenkasche vom Leibe!"
schrie er ganz außer sich und retirirte sich in die äußerste
Zimmerecke,*" gefolgt von dem Bauer mit dem Schweine, der
das nur für Spaß hielt und treuherzig sagte: „keine Umständig-
keiten, Herr Doktor, mein Hans is noch mit dat groote Veeh
für de Döör" — „Um Gotteswillcn, machen Sie, daß Sie
hinauskommen, ich will nichts davon wissen!" kreischte der
Arme, jetzt ganz in Verzweiflung, „ich kann keine Thicre
leide», hinaus, hinaus!" Jetzt merkte der Bauer wohl, daß
es Ernst war und indem er sich verlegen zurückzog, sagte er
noch zur Entschuldigung: „Na, nehmen's »ich för ungood,
Herr Doktcr, Ehr Fründ, de Doktcr Schmidt hctt mi secht,
Se hätten sick all lang so 'n paar Ferkel gewunschcn, nu
merk' ick woll, he is 'n Spitzbov!" — „Gottlob, daß er
weg ist!" seufzte der gequälte Thierfeind tief auf, aber sein
zweiter Gedanke war der des tiefsten Unwillens über den Streich,
den ihm sein Freund gespielt hatte und in der ersten Zorncs-
hitze, sandte er sogar eine Herausforderung an denselben ab.
So weit ließ cs dieser aber nicht kommen, ging zu ihm,
versöhnte ihn bald und auf seine Acußcrung: „Du hättest
mich, wenn Du mich wirklich lieb hättest, doch nicht so !
necken sollen," versetzte Schmidt: „Ach, lieber Freund, j
kennst Du denn das alte Sprüchwort nicht: Was sich liebt,
das neckt sich?" Das Sprüchwort hat sich der Freund denn >
gut gemerkt und noch jetzt zuweilen bringt er cs — aber,
Doklcrchcn, Sic dampfen ja fürchterlich!" schloß die Mutter
hier plötzlich ihre Anekdote. „Hm, hm," meinte der alte Herr
etwas verlegen, „die Pfeife ist gleich aus — aber, was ich
sagen wollte," — „Warum hast Du uns denn den Namen
des einen Freundes gar nicht genannt?" fiel der vorlaute
Adolph ein. Da riß dem Onkel die Geduld und in halb
scherzhaftem Zorne brach er los: „Nun, Du Gelbschnabel,
wenn Du cs denn durchaus wissen mußt, ich bin's gewesen,
ich — Ihr habt's ja doch schon lange errathen," setzte er ;
murrend hinzu, wie die Mutter lächelnd nickte. — „Ach, das
ist köstlich", rief die kleinste Tochter, in die Hände klatschend,
während die Andern lachten. „Ja, lacht nur ihr unartiges
Volk!" fing der Onkel jetzt wieder an „und Sie, gnädige
Frau, — nun warten Sie nur, Sic sollen mir es büßen, >
jetzt komme ich an's Erzählen!" „Nur immerzu!" versetzte die >
Hausfrau, „ich bin recht begierig!" Der Onkel setzte die aus-
gcrauchtc Pfeife weg, rückte noch einmal an der Halsbinde
und erzählte dann: „Auch in der Geschichte, die ich Euch
jetzt mittheilen will, komme ich vor — Du brauchst nicht wieder
zu lachen, Adolph, das schickt sich überhaupt nicht für Dich,
wenn Du cs zu weit treibst — nun nu». Du werde nur
nicht gleich ärgerlich, ich meinte es nicht so bös — aber wie
gesagt, ich komme wieder darin vor, wenn auch leider nur
ganz als Nebenperson. Einige Monate später, nachdem die
elenden Schweine in mein Haus gebracht waren, brachte uns
der Postwagen zwei allerliebste junge Damen nebst ihrer Mutter
in die Stadt, die von jetzt an jeden Abend der ganzen jungen
Männerwelt den Kopf verrückten, und da ich damals auch noch
dazu gehörte, natürlich mir auch. Die eine der beiden Damen war
nämlich Sängerin und die andere eine vortreffliche Schauspielerin
und namentlich von der letzteren waren wir Alle so cnthusiasmirt,
daß wir um einen Blick von ihr zu erhaschen, die Turandot'schcn
Räthsel zu lösen versucht hätten, und hätte es uns auch den
Kopf gekostet. Schmidt, was übrigens auch nur ein von der
gnädigen Frau improvisirter Name ist, hatte. ohnedies den
fcinigcn schon beinahe gänzlich verloren, noch mehr aber sein
Herz, so hell hatten ihn die schwarzen Augen der schönen
Künstlerin Caroline angcblitzt. Es gelang ihm denn auch, bei
der Mutter der beiden Damen eingcführt zu werden und da
er gerade nicht häßlich war, und bis auf seine Thierfrcund-
schaft recht charmante Eigenschaften besaß, so blieb Carolinens
Herz auch nicht unerbittlich seinen stürmischen Bewerbungen
gegenüber; ewige Liebe und Treue wurde, wie denn das so
geht, geschworen, und die beiden Liebenden schwebten in einem
Meer von Glückseligkeit.
(Schluß folgt.)
Chor der Kahlköpfe.
Wir armen Kahlköpfe sind gar nicht so dumm,
Wir haben kein Haar mehr und wissen warum.
Niel garstige Stunden im wandelnden Jahr,
Die warfen uns borstige Kletten in's Haar.
Wir zupften und rupften mit Weh und mit Ach,
Wir zogen die Kletten, die Locke kam nach.
Ja, garstige Stunden, die rupften uns sehr,
Doch nahmen, die guten uns leider noch mehr.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Plaudereien aus der Schummerstunde"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 751, S. 163
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg