Fliegende Blätter (35.1861 (Nr. 835-860))

ISO

Der schlafende Schulmeister

Der Schulmeister auf dem Katheder sitzt,

Bau Sorge und Mühe der Alte schwitzt,

Denn seine ganze Kuabeuschaar
Voll Unruh' und voll Unart war.

D'ruin sitzt er müd' und schlummert ein
Und schnarchet laut das Schulmeisterlein.

Die Knaben sehen den Schläfer an
Und gehen lächelnd Mann für Mann.

Ans dumpfer Stube, aus traurigem Haus
Geht's fort in den grünenden Wald hinaus.

Weg mit den Heften, weg Bücherwust,

Jetzt sind wir Soldaten und spielen mit Lust.

„Doch wer soll unser Hauptmann sein?"

Also im kühlen Wald sie schrei'n.

„Ich bin," ruft einer, „der rechte Mann,

Mich lehrte die Mutter von Jugend an.

Und feine Lehrer sagten mir viel
Von Helden im blutigen Kampfesspiel."

„Ach, schweige doch stille vom Mütterlein,

Der Muth und die Kraft macht Soldaten allein."

„Ich bin," sagt ein And'rer, „der Aelteste hier,

D'rum folgt der Erfahrung, gehorchet mir!"

„Nein, nein! Du bist zu klein und zu alt.

Dem Jüngern, dem Starken, gehört die Gewalt!"

„Stark ist mein Arm; hell blinket die Wehr;

D'rum lasset mich führen das muntere Heer!"

Ein Dritter ruft; doch keiner folgt gern
Im Spiele des Kampfes dem Andern als Herrn.

Es schreiet und lärmet und zanket die Schaar,

Die Knaben nicht ahnen die nahe Gefahr.

Schulmeisterlein ist schon wieder erwacht
Und hat sich zürnend aufgeniacht.

Und ehe der Haufen es sich versah,

Stand er in ihrer Mitte da.

Da plötzlich wird es so still und so stumm.

Sie stehen so blöde und blicken so dumm.

Er geht in den Reihen wohl auf und ab,

Und schwingt mit gewaltigem Arme den Stab.

Dann treibt er sie wieder zur Schule hinein,

Das kaum erwachte Schulmeisterlein.

K, W.