Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
139

Bei Ki

„Mama, liebe Mama!" schrie Miezchen vordrängend
und umfaßte die Knie einer schönen, schlanken, todtblcichcn
Frau, die, ein schlafend Kind auf dem Arme, ihnen geöffnet.

„Um Gotteswillen, Prinzeßchen," rief die Tante, „was
geht in der Stadt vor? Sprich, Marie, was weißt Du? wo
ist Dein Mann?"

Der Angcredeten stürzten die Thränen über die ver-
grämten Wangen. Sie zog die Schwester in das ärmliche,
niedrige, verräucherte Gemach hinein, das zur Hälfte mit
Kinderbetten, zur Hälfte mit einer Staffelei nebst Zugehörig-
keiten und mit einem angefangenen Oelgemälde bestellt, kaum
in einer Ecke für ein wurmstichiges, zerfetztes Sopha Platz
ließ. Auf dieses setzten sich die Frauen, die eine schluchzend,
mit aufgelösten, langen Haaren im Nachtkleide, die andere
außer Fassung, fragend, erstarrt.

„Und Du weißt gar nichts, Justine? Ihr habt bei Euch
i nichts vernommen? O cs ist schrecklich! — Aufruhr ist'S,

| Revolution! — Man hat auf's Volk vor dem Schlosse
geschossen und jetzt stürmts von den Thürmen und geht
drauf und dran auf den Barrikaden, die sie gebaut, gegen
j das Feuer der Garden — o es ist schrecklich — o mein
Mann, meine armen Kinder!"

„Und wo ist er? wo ist Dein Mann?"

„Wo er ist? wie kannst Du fragen, Justine, wo er
ist?" sagte das Prinzeßchen aus den verweinten Augen die
Schwester ernst und stolz anblickcnd. „Mit dem armen Volk
ist er, bei dem Berliner Volk! Wo sollte er anders sein,
als oben auf den Barrikaden bei seinem armen Volke! —

O ich Hab' anfangs wohl viel gebeten und geweint. Da aber
sprach er zu mir, Justine, und fragte mich, ob ich einen Schurken
zum Vater meiner Kinder haben wollt', ob er die Freiheit ver-
rathen sollt' und das Recht zu Boden treten lassen, die sein
Recht und seine Freiheit sind und das Erbe unserer Kinder! da"
— fuhr sie tiefaufathmend fort — „da Hab' ich ihm unsre Holz-
art in die Hand gedrückt, Justine, und Hab' ihm die Kinder zu
küssen gereicht, Eins ums Andere, und Hab' ihn gebeten, er
soll rasch gehen, damit es nicht zu spät wird! — Justine,
horch, wie die Fenster wieder klirren, und die Erde dröhnt!
Aber komm, komm, sieh' zu, wie die Kinder schlafen, so
sanft, so ruhig — nicht wahr, Justine, wenn die Kinder so
sanft, so ruhig schlafen, kann ja dem Vater kein Leides
geschehen, das kann's nicht, das lassen ihre Engelseelen nicht,
die über den Vater wachen — Wie ruhig und sanft ihr
Athem geht — auch mein Miezchen schläft schon — sie hat
sich abgestrampelt, will ihr die Beinchen bedecken — so —
das Deckchen ist auch gar so dünn und kurz — und kalt
ist's in der Stube."

„O Herr im Himmel!" schrie Justine auf, als eben
wieder ein Kanonenschuß die Fensterscheiben erzittern machte
und das Gewehrfeuer vom Winde getragen, vernehmbar bis
in die abgelegene Wohnuug klang.

„Still, sei doch nur stille, Schwester, Du schreist mir
ja die Kinder auf! — Sieh' doch auf mich," fuhr sie fort,
j die bleichen thräncnsatten Züge zu einem Lächeln zwingend

önigs.

— „wie ruhig ich bin! — O und ich weine nicht, ich klage

ja nicht — ich Hab' ja meine Kinder und einen Vater, der
für seine Kinder sterben kann. — — Hör', Königin,"
flüsterte sie dann, die langen nachtschwarzen Haare aus
den Augen streichend, „wenn Du wolltest hier bleiben, ein
Augenblickchcn, ein Weilchen nur, wollte ich nur vor die Thüre
gehen und sehen, ob er noch nicht kommt oder ob sie ihn !
wohl schon getragen bringen — vielleicht daß mir Jemand !
sagte, wo ich ihn fände — Jesus im Himmel, wo ich ihn ‘
nur fände! — Mir wird plötzlich so Angst um ihn und

weh — Justine, ich trags nicht und will zu ihm, wär'ö

auch mein Tod! — Nicht wahr, Schwesterchen," sprach sie
ihr Tuch umwerfend und dann die Königin-Wittwe umfassend
und schmeichelnd, „Du bleibst hier, ich bin ja gleich zurück! >

ich möchte ja nur gehen und sehen, ob sie ihn schon — ob

ich ihn wo finde!"

„Aber, wo wirst Du ihn finden, Marie, in dem Ge-
wühl und Getümmel?"

„Wo sie am heftigsten schießen, da wird er wohl sein

— ich werd'dem Schießen nachgehen und dem Blute, Justine!
So — auch dieses Stückchen Brod werd' ich mitnehmen, j
vielleicht, daß er zuletzt noch ein wenig davon essen möcht',
Hab' ja Besseres nicht. — Nun, Adieu, Königin, behüte
die Kinder gut und sieh' doch nach, daß Miezchen sich nicht j
wieder abstrampelt, sie ist so unruhig. — So — leuchte
noch ein wenig hinaus, der Hof ist auch gar so wüst und
eng — ich denke, ich bin bald zurück, ich will ja nur sehen,
ob sie ihn schon —"

(Fortsetzung folgt.)

18
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Bei Königs"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Barrikade
Kuss <Motiv>
Aufruhr <Motiv>
Revolution <1848>
Ehemann
Abschied <Motiv>
Karikatur
Kind
Ehefrau
Satirische Zeitschrift
Berlin

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1112, S. 137

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen