| 178 Wozu die Stern
braunen Nektar, der dazumal noch von solcher Güte war,
j daß selbst die Engel des Himmels ihre Freude daran gehabt
hätten. „Und jetzt?" seufzte er tief auf; „und jetzt?" Es
lag eine solche Bitterkeit, eine solche Verstimmung in diesem
„und jetzt?" daß Meißner, der eben zugegen war, als sein
Onkel es aussprach, sich von wahrem Mitleide für den armen
Mann ergriffen fühlte.
Man liest von den Qualen des Durstes, die Menschen
und Thiere in der Wüste Sahara zu ertragen haben; man
entsetzt sich an der Vorstellung, was aus den Israeliten
geworden wäre, wenn Moses nicht mit seinem Stabe aus
dem Felsen eine Quelle — freilich nur frischen Wassers —
gelockt hätte, aber was ist dies Alles gegen die Folterqualen
des durstigen Müncheners, dem es an gutem Biere fehlt?
Herr Schmerler war ein lebendes Bild solchen Jammers.
„O was gäbe ich darum," rief er mit hoffnungsloser
Entmuthigung, „wenn ich in meinem Leben nur einmal
wieder so einen Stoff zu trinken bekäme, wie früher! . . ."
Seltsame Fügung des Himmels! In demselben Augen-
blicke, als der würdige Herr dies aussprach, trat Minchen
mit einem Präsentirteller ein, auf dem ein vielversprechender,
steinerner Krug nebst zwei Gläsern stand.
„Papachen!" rief sie freudig, „denke Dir nur diese
Ueberraschung! Carl hatte die glückliche Idee, für Dich ein
Fäßchen Bier aus Dort kommen zu lassen, von dem er be-
hauptet, daß es Dir gewiß schmecken wird."
„Wie?" rief der angenehm überraschte Herr, „das hast
Du gethan?"
„Nun, was ist denn da Großes dabei?" lächelte Fleißner.
„Es ist aus unserm Franziskanerkloster. Ich dachte mir:
willst einmal sehen, ob unsere Herren Patres ihren alten
Ruf zu bewahren wissen. Da ich es nicht mehr mitansehen
konnte, daß Sie so Durst leiden müssen, schrieb ich dem
Pater Kellermeister, er möge mir ein Faß von seinem Besten
unter Ihrer Adresse schicken. Da ist es jetzt. Nun probiren
Sie's aber! . . . Müssen doch erst sehen, ob's wirklich gut
ist, bevor Sie ein solches Aufhebens machen.
Er schenkte die beiden Gläser voll. Hu! wie das
perlte, wie das brauste und überschäumte und wie es sich
allmälig klärte und mit einer milchweißen Borte besetzt in
ätherklarer, herrlicher Farbe dem entzückten Auge des alten
Herrn entgcgenleuchtete!
! Es war ein feierlicher, ein ernster Moment.
Herr Schmerler trank, setzte ab, trank wieder, setzte
! nochmal ab und leerte hierauf mit einem Zuge das Glas,
! dann stellte er es hin und blickte den zufrieden lächelnden
! Fleißner mit unaussprechlichem Wohlwollen an.
„Carl," sagte er tief bewegt, „dieses Bier ist ein
Göttertrank! Komm an mein Herz, mein Junge! Diese
Aufmerksamkeit ist ihres Lohnes werth . . ." Und die Hand
seiner Tochter ergreifend, fügte er entschlossen hinzu: „Ich
weiß, daß Ihr Euch liebt. Minchen ist ein braves Mädchen,
Carl ein rechtschaffner Mensch. Da! da habt Ihr Euch! . . .
Seid glücklich!"
th helfen kann.
Wie aus den Wolken gefallen, sahen Fleißner und
Minchen sich an. Fleißner's Gesicht strahlte im Ausdrucke
namenlosen Glückes und Minchens Wangen erglühten wie
mit Blut übergossen.
„Nun, seid Jhr's zufrieden?" fragte der alte Herr.
Statt einer Antwort sanken Carl und Minchen sich in
die Arme.
Am Schlüsse der Ferien, sechs Wochen später, kehrte
Carl nach Dort zurück. Diesmal ging er aber nicht zu
Fuß, sondern er fuhr in der Equipage seines Onkels und
ihm zur Seite saß Minchen, die als Frau Fleißner zum
Neide aller weiblichen Honoratioren des Ortes daselbst ihren
Einzug hielt.
So kann auch schlechtes Bier zum Guten führen!
Zwei Quadratschuhe
nach der Vorstellung der Frau Professorin Annamierl.
braunen Nektar, der dazumal noch von solcher Güte war,
j daß selbst die Engel des Himmels ihre Freude daran gehabt
hätten. „Und jetzt?" seufzte er tief auf; „und jetzt?" Es
lag eine solche Bitterkeit, eine solche Verstimmung in diesem
„und jetzt?" daß Meißner, der eben zugegen war, als sein
Onkel es aussprach, sich von wahrem Mitleide für den armen
Mann ergriffen fühlte.
Man liest von den Qualen des Durstes, die Menschen
und Thiere in der Wüste Sahara zu ertragen haben; man
entsetzt sich an der Vorstellung, was aus den Israeliten
geworden wäre, wenn Moses nicht mit seinem Stabe aus
dem Felsen eine Quelle — freilich nur frischen Wassers —
gelockt hätte, aber was ist dies Alles gegen die Folterqualen
des durstigen Müncheners, dem es an gutem Biere fehlt?
Herr Schmerler war ein lebendes Bild solchen Jammers.
„O was gäbe ich darum," rief er mit hoffnungsloser
Entmuthigung, „wenn ich in meinem Leben nur einmal
wieder so einen Stoff zu trinken bekäme, wie früher! . . ."
Seltsame Fügung des Himmels! In demselben Augen-
blicke, als der würdige Herr dies aussprach, trat Minchen
mit einem Präsentirteller ein, auf dem ein vielversprechender,
steinerner Krug nebst zwei Gläsern stand.
„Papachen!" rief sie freudig, „denke Dir nur diese
Ueberraschung! Carl hatte die glückliche Idee, für Dich ein
Fäßchen Bier aus Dort kommen zu lassen, von dem er be-
hauptet, daß es Dir gewiß schmecken wird."
„Wie?" rief der angenehm überraschte Herr, „das hast
Du gethan?"
„Nun, was ist denn da Großes dabei?" lächelte Fleißner.
„Es ist aus unserm Franziskanerkloster. Ich dachte mir:
willst einmal sehen, ob unsere Herren Patres ihren alten
Ruf zu bewahren wissen. Da ich es nicht mehr mitansehen
konnte, daß Sie so Durst leiden müssen, schrieb ich dem
Pater Kellermeister, er möge mir ein Faß von seinem Besten
unter Ihrer Adresse schicken. Da ist es jetzt. Nun probiren
Sie's aber! . . . Müssen doch erst sehen, ob's wirklich gut
ist, bevor Sie ein solches Aufhebens machen.
Er schenkte die beiden Gläser voll. Hu! wie das
perlte, wie das brauste und überschäumte und wie es sich
allmälig klärte und mit einer milchweißen Borte besetzt in
ätherklarer, herrlicher Farbe dem entzückten Auge des alten
Herrn entgcgenleuchtete!
! Es war ein feierlicher, ein ernster Moment.
Herr Schmerler trank, setzte ab, trank wieder, setzte
! nochmal ab und leerte hierauf mit einem Zuge das Glas,
! dann stellte er es hin und blickte den zufrieden lächelnden
! Fleißner mit unaussprechlichem Wohlwollen an.
„Carl," sagte er tief bewegt, „dieses Bier ist ein
Göttertrank! Komm an mein Herz, mein Junge! Diese
Aufmerksamkeit ist ihres Lohnes werth . . ." Und die Hand
seiner Tochter ergreifend, fügte er entschlossen hinzu: „Ich
weiß, daß Ihr Euch liebt. Minchen ist ein braves Mädchen,
Carl ein rechtschaffner Mensch. Da! da habt Ihr Euch! . . .
Seid glücklich!"
th helfen kann.
Wie aus den Wolken gefallen, sahen Fleißner und
Minchen sich an. Fleißner's Gesicht strahlte im Ausdrucke
namenlosen Glückes und Minchens Wangen erglühten wie
mit Blut übergossen.
„Nun, seid Jhr's zufrieden?" fragte der alte Herr.
Statt einer Antwort sanken Carl und Minchen sich in
die Arme.
Am Schlüsse der Ferien, sechs Wochen später, kehrte
Carl nach Dort zurück. Diesmal ging er aber nicht zu
Fuß, sondern er fuhr in der Equipage seines Onkels und
ihm zur Seite saß Minchen, die als Frau Fleißner zum
Neide aller weiblichen Honoratioren des Ortes daselbst ihren
Einzug hielt.
So kann auch schlechtes Bier zum Guten führen!
Zwei Quadratschuhe
nach der Vorstellung der Frau Professorin Annamierl.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wozu die Biernoth helfen kann" "Zwei Quadratschuhe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1117, S. 178
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg