He es einem ehrlichen Manne gehen kann!
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lnngen und Strafen; einmal warft du sogar in Criminalunter-
suchung und es beschließt daher das t. Gericht wie folgt:
„Da Georg Maier durch die zahlreichen Untersuchungen
und Anzeigen sich als ein höchst verdorbenes Individuum
darstellt, welches trotz aller Ermahnungen und Strafen keinen
Willen, sich zu bessern, zeigt, indem derselbe vielmehr fort-
gesetzt arbeitslos ist und der Liederlichkeit fröhnt, so wird, da
er ohnehin unter Polizeiaufsicht steht, welche nach Verord-
nung vomJahre 1816 Art , II, XroH in einem Zwangsarbeits-
Hause erstanden werden kann, dessen Detention daselbst auf die
noch übrige Zeit seiner unter Polizeiaufsichtstellung beantragt."
„Hast du etwas gegen den Beschluß einzuwenden?"
„Seit Jahren habe ich mich fügen müssen," murrte
Georg, „euer Recht hat die Schuld an meinem Unglück!"
„Hast du etwas gegen den Beschluß einzuwenden?"
unterbrach ihn der Commissär.
„Er ist ungerecht! Ich werde unterdrückt!" rief Georg
aufgebracht.
„Das wird die k. Regierung bemessen," sagte ruhig der
Commissär, nahm Georgs Einwendungen zu Protokoll, und
ließ ihn in’S Gefängnis; zurückbringen.
„Bringt die Maria Walter mit herauf!" rief er noch
den Abgehenden nach. — Maria erschien. Ihr Blick >var
wild — ihre Züge drückten eine völlige Verzweiflung aus.
Das k. Gericht hat folgendes gegen dich beschlossen:
„Da Maria Walter trotz mehrmaliger Erniahnung und
Strafe ihren sittenlosen Lebenswandel fortführt, was sie
dadurch beweist, daß sie bereits in einem Alter von 22 Jahren
zweimal außerehelich geboren hat und liederlichen Burschen
Unterschleif gibt, so rechtfertigt sich gemäß
Verordnung vom Jahre 1816, Art I,
Xro. 2 deren Einschaffung in die Zwangs-
anstalt Karsheim, und wird die Deten-
tion auf sechs Monate beantragt."
„Ich — nach Karsheim!" rief hände-
ringend Maria, „nach Karsheim ich?"
„Ja wohl; du sollst Respekt bekommen
vor dem Gesetze," erwiderte der Commissär.
„Meine Kinder! o Gott! meine ar-
men Kinder — was wird — was soll
aus meinen Kindern werden?" schrie
Maria lautweinend.
„Dafür sorgt die Gemeinde; sie sind
bei der Anna Meier untergebracht."
„Das ist grausam — unmenschlich!"
stöhnte Maria.
„Was hast du gegen den Beschluß
einzuwenden?" frug der Commiffär.
„Nehmt mir lieber das Leben, als daß
ihr mich so langsam zu Tode quält!"
Der Commiffär wiederholte seine Frage.
„Nichts!" schrie Maria mit dem Fuße
stampfend und krampfhaftdieFäusteballend,
„nichts! Verfolgen könnt ihr mich, meine
Schwäche verhöhnen, aber im Himmel droben sieht euch Einer,
mit dem ihr nicht mit einem Bogen Papier fertig werden könnt!"
Mit einer leichten Handbewegung bedeutete der Com-
missär dem Büttel, Marien abzuführen, nachdem sie den
Beschluß unterschrieben hatte.
Einige Augenblicke später meldete dieser, daß beide Jnhaf-
tirte ihre Eltern und Freunde noch einmal zu sprechen wünschten.
Ties wurde aus den nächsten Tag, den Sonntag, gestattet.
Am andern Tage, nach dem Gottesdienste, erschienen der
alte Maierbauer, Anton und seine Frau nebst Maria's Kin-
dern beim Gerichtsdiener.
Nach kurzer Zeit brachte der Büttel Georg und Marien
herein. Ersterer stürzte auf seinen Vater — Maria auf Anna
los, ohne ein Wort zu reden — der Schmerz war zu groß!
Ter Alte sank ans einen Stuhl und stammelte unter heißen
Thränen: „Leb wohl, Georg! Dich seh' ich nimmer! —
Diese Schmach überleb' ich nicht!" Georg sank vor ihm auf
die Kniee. „Vater!" schluchte er, „Vater!"
„Macht, daß ihr fertig werdet!" brummte der Büttel.
„Gott wird dir die Liebe und Sorge lohnen. Anna,'
stöhnte Maria, wendete sich zu den Kindern, die sie stürmisch
küßte und herzte.
„Vorwärts! ich habe mehr zu thun!" herrschte der Büttel.
Georg küßte nun gleichfalls seine Kinder und mitden Worten:
„Gott behüte euch und euer Haus!" übergab er sie an Anna,
wendete sich zum Vater und bat ihn mit ausgehobenen Händen:
„Erlieget nicht! Wir sehen uns ja bald wieder!"
„Leb' wohl," seufzte der Greis —„abermich siehst du nimmer!"
So war es auch.
Am nächsten Morgen in aller Frühe fuhr ein einspänniges Wägelein aus der
Landstraße, ein Gensdarme ging nebenher. Auf dem Wagen saßen Georg und Maria.
Rach acht Tagen begrub man den alten Maierbauer.
So kann es einem ehrlichen Manne gehen!
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lnngen und Strafen; einmal warft du sogar in Criminalunter-
suchung und es beschließt daher das t. Gericht wie folgt:
„Da Georg Maier durch die zahlreichen Untersuchungen
und Anzeigen sich als ein höchst verdorbenes Individuum
darstellt, welches trotz aller Ermahnungen und Strafen keinen
Willen, sich zu bessern, zeigt, indem derselbe vielmehr fort-
gesetzt arbeitslos ist und der Liederlichkeit fröhnt, so wird, da
er ohnehin unter Polizeiaufsicht steht, welche nach Verord-
nung vomJahre 1816 Art , II, XroH in einem Zwangsarbeits-
Hause erstanden werden kann, dessen Detention daselbst auf die
noch übrige Zeit seiner unter Polizeiaufsichtstellung beantragt."
„Hast du etwas gegen den Beschluß einzuwenden?"
„Seit Jahren habe ich mich fügen müssen," murrte
Georg, „euer Recht hat die Schuld an meinem Unglück!"
„Hast du etwas gegen den Beschluß einzuwenden?"
unterbrach ihn der Commissär.
„Er ist ungerecht! Ich werde unterdrückt!" rief Georg
aufgebracht.
„Das wird die k. Regierung bemessen," sagte ruhig der
Commissär, nahm Georgs Einwendungen zu Protokoll, und
ließ ihn in’S Gefängnis; zurückbringen.
„Bringt die Maria Walter mit herauf!" rief er noch
den Abgehenden nach. — Maria erschien. Ihr Blick >var
wild — ihre Züge drückten eine völlige Verzweiflung aus.
Das k. Gericht hat folgendes gegen dich beschlossen:
„Da Maria Walter trotz mehrmaliger Erniahnung und
Strafe ihren sittenlosen Lebenswandel fortführt, was sie
dadurch beweist, daß sie bereits in einem Alter von 22 Jahren
zweimal außerehelich geboren hat und liederlichen Burschen
Unterschleif gibt, so rechtfertigt sich gemäß
Verordnung vom Jahre 1816, Art I,
Xro. 2 deren Einschaffung in die Zwangs-
anstalt Karsheim, und wird die Deten-
tion auf sechs Monate beantragt."
„Ich — nach Karsheim!" rief hände-
ringend Maria, „nach Karsheim ich?"
„Ja wohl; du sollst Respekt bekommen
vor dem Gesetze," erwiderte der Commissär.
„Meine Kinder! o Gott! meine ar-
men Kinder — was wird — was soll
aus meinen Kindern werden?" schrie
Maria lautweinend.
„Dafür sorgt die Gemeinde; sie sind
bei der Anna Meier untergebracht."
„Das ist grausam — unmenschlich!"
stöhnte Maria.
„Was hast du gegen den Beschluß
einzuwenden?" frug der Commiffär.
„Nehmt mir lieber das Leben, als daß
ihr mich so langsam zu Tode quält!"
Der Commiffär wiederholte seine Frage.
„Nichts!" schrie Maria mit dem Fuße
stampfend und krampfhaftdieFäusteballend,
„nichts! Verfolgen könnt ihr mich, meine
Schwäche verhöhnen, aber im Himmel droben sieht euch Einer,
mit dem ihr nicht mit einem Bogen Papier fertig werden könnt!"
Mit einer leichten Handbewegung bedeutete der Com-
missär dem Büttel, Marien abzuführen, nachdem sie den
Beschluß unterschrieben hatte.
Einige Augenblicke später meldete dieser, daß beide Jnhaf-
tirte ihre Eltern und Freunde noch einmal zu sprechen wünschten.
Ties wurde aus den nächsten Tag, den Sonntag, gestattet.
Am andern Tage, nach dem Gottesdienste, erschienen der
alte Maierbauer, Anton und seine Frau nebst Maria's Kin-
dern beim Gerichtsdiener.
Nach kurzer Zeit brachte der Büttel Georg und Marien
herein. Ersterer stürzte auf seinen Vater — Maria auf Anna
los, ohne ein Wort zu reden — der Schmerz war zu groß!
Ter Alte sank ans einen Stuhl und stammelte unter heißen
Thränen: „Leb wohl, Georg! Dich seh' ich nimmer! —
Diese Schmach überleb' ich nicht!" Georg sank vor ihm auf
die Kniee. „Vater!" schluchte er, „Vater!"
„Macht, daß ihr fertig werdet!" brummte der Büttel.
„Gott wird dir die Liebe und Sorge lohnen. Anna,'
stöhnte Maria, wendete sich zu den Kindern, die sie stürmisch
küßte und herzte.
„Vorwärts! ich habe mehr zu thun!" herrschte der Büttel.
Georg küßte nun gleichfalls seine Kinder und mitden Worten:
„Gott behüte euch und euer Haus!" übergab er sie an Anna,
wendete sich zum Vater und bat ihn mit ausgehobenen Händen:
„Erlieget nicht! Wir sehen uns ja bald wieder!"
„Leb' wohl," seufzte der Greis —„abermich siehst du nimmer!"
So war es auch.
Am nächsten Morgen in aller Frühe fuhr ein einspänniges Wägelein aus der
Landstraße, ein Gensdarme ging nebenher. Auf dem Wagen saßen Georg und Maria.
Rach acht Tagen begrub man den alten Maierbauer.
So kann es einem ehrlichen Manne gehen!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie es einem ehrlichen Manne gehen kann !"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 163, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg