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Rothe Nasen.
„Warum heben Sic denn selbst keines auf, Herr Lock-
bogel?" fragte sein Nachbar. — „Ich? Brauche ich Gold? Ich
habe Credit —" — „Aber Ich brauche welches, und wenn Sie
mir nicht bald Ihre schon abgetragenen Stiefel bezahlen —"
~~ „Nur keine Angst, mein Lieber! Sie werden in Bälde von
mir hören! Ich habe einen Plan, einen ganz ingeniösen
Plan —" Und der Herr Lockvogel legte die Stirne in die
Hand und versank in tiefes, tiefes Nachdenken.
„Laß doch die Philister schwatzen!" sagte einer seiner
Kameraden zu Gustav, der denselben einen Augenblick zugehört
hatte. „Prosit, Bruder! Ein Pereat der trockenen Wissen-
schaft! Es lebe das Feuerblut der Reben und der Dirnen!"
„Ach! Ach!" krächzte die Dohle freudig.
„Was hast Du denn, Bruder?. Du sichst so bleich, wie
mne Jungfer am Hochzeitmorgen!" — „Der Vogel!" stammelte
Gustav, „der Vogel!" — „Nun, es ist doch ein sideler Kerl, —
ist mir lieber als Deine langweilige Taube!" — „Wenn
er nur nicht schwarz wäre — ich fürchte mich vor ihm!" —
»Da kann man helfen! Sie, Herr Anstreicher!" rief der
Student in das Nebenzimmer hinein, wo von der satten, flotten
Pinselführung eines jungen Menschen Thürcn und Fenster in
weißer Oelfarbe strotzten, wie eine Winterlandschaft. „Sie, Herr
Anstreicher da drinnen!" Mit stiller Majestät wandte sich
langsam der junge Mensch um, warf stolz die langen Künstlcr-
haare zurück und fragte nur: „Anstreicher?" — „Pardon!
Herr Maler wollt' ich sagen!" — Der Künstler lächelte. —
»Würden Sie nicht die Freundlichkeit besitzen, niit Ihrem un-
sterblichen Pinsel diesen schwarzen Gesellen hier in eine liebliche
^ichtgestalt zu verwandeln?"
„Was thun wir Maler nicht um gute Worte!" antwortete
her Thüren-Raphael, und überfuhr den zappelnden Vogel mit der
weißen Farbe. „Verzeihen Sic, Herr!" sagte jetzt vom Philister-
üsch herüber der Schuhmacher, um sich bei den Studenten cinzu-
fchmeicheln, „verzeihen Sie, ist nun der Vogel gemalt oder
angestrichen?" — „Schuster," erwiderte der Künstler gering-
schätzig, „können das heißen, wie sie wollen, meinetwegen auch
anstreichen — auch das letztere ist eine Kunst, eine wunderbare
Kunst. Ich wollte Ihnen z. B. Ihre rothe Nase anstreichen,
daß Ihre Frau Gemahlin Sie nicht mehr kennen würde!"
„Seine rothe Nase!" fuhr hier, bevor der Schuster Etwas
erwidern konnte, Herr Lockvogel aus seinem Sinnen empor. „Ich
hab's! Seien Sic gesegnet für dieses Wort, Herr Maler, ich
hab's!" Der Mann stand auf und rannte so eilig davon,
daß er vergaß, die Zeche zu bezahlen. Die Trinker blieben
über seine vermeintliche Narrheit halb bestürzt und halb ergötzt
zurück, und tranken mit frischem Muthc fort, bis cs zwölf Uhr
schlug, Dann gingen Philister und Studenten zum Mittagessen.
Auch Gustav ging, wagte sich aber nicht zu Fräulein Emma,
weil er betrunken war und die Blitze ihrer schwarzen Augen
fürchtete und ihrer rothcn Lippen Donner. — Es war eigcnt-
üch doch ein Hundeleben, das er führte und nur, weil er kein
^eld hatte. Wie sagte Herr Lockvogel? Das Gold liege aus
der Straße! Das wollte er doch einmal probiren. Die Augen
auf den Boden geheftet, ging Gustav durch die Straßen der
Stadt und zum Thore hinaus — Gold suchen. Es währte
auch gar nicht lange, so fand er einen großen, grünseid'neu Beutel,
und wahrhaftig goldene Münzen blinkten durch die Maschen des-
selben mit den Bildnissen unserer gekrönten Häupter, die wjr in
dieser Fayon so innig lieben und verehren. Hocherfreut kehrte
der Student in die Weinkneipe zu Grethe zurück und saß von
da an Tag für Tag daselbst und dachte nimmer und nimmer
an die Alma mater und an Emma.
Das rothe Gold wurde zu rothem Wein, und dieser färbte
bald Gustav's Nase ebenso dunkel, wie dem Schuster die seinige.
' (Fortsetzung folgt.)
Zwiespalt.
Die Fliegen summen um's Haupt mir
Und wiegen in Schlaf mich ein;
Die Summen fliegen um's Haupt mir
Und sagen: „Laß 's Schlafen sein!" g. p.
Zweifacher Genuß.
„Welcher Reiz in diesen Zügen!"
Heimath-Klänge.
Korporal (zu den Rekruten): „Ihr Donnerwetter-Kerle, kann
man Eilch denn gar nicht bcibringen, >vas „rechtsum" und tvas
„linksum" ist?" — Stierhvf-Nazi: „Mit Verlaub, Herr Kor-
poral, wir thäten uns schon Alle viel leichter, wenn Sie „hott" und
„wist" schreien möchten."
Rothe Nasen.
„Warum heben Sic denn selbst keines auf, Herr Lock-
bogel?" fragte sein Nachbar. — „Ich? Brauche ich Gold? Ich
habe Credit —" — „Aber Ich brauche welches, und wenn Sie
mir nicht bald Ihre schon abgetragenen Stiefel bezahlen —"
~~ „Nur keine Angst, mein Lieber! Sie werden in Bälde von
mir hören! Ich habe einen Plan, einen ganz ingeniösen
Plan —" Und der Herr Lockvogel legte die Stirne in die
Hand und versank in tiefes, tiefes Nachdenken.
„Laß doch die Philister schwatzen!" sagte einer seiner
Kameraden zu Gustav, der denselben einen Augenblick zugehört
hatte. „Prosit, Bruder! Ein Pereat der trockenen Wissen-
schaft! Es lebe das Feuerblut der Reben und der Dirnen!"
„Ach! Ach!" krächzte die Dohle freudig.
„Was hast Du denn, Bruder?. Du sichst so bleich, wie
mne Jungfer am Hochzeitmorgen!" — „Der Vogel!" stammelte
Gustav, „der Vogel!" — „Nun, es ist doch ein sideler Kerl, —
ist mir lieber als Deine langweilige Taube!" — „Wenn
er nur nicht schwarz wäre — ich fürchte mich vor ihm!" —
»Da kann man helfen! Sie, Herr Anstreicher!" rief der
Student in das Nebenzimmer hinein, wo von der satten, flotten
Pinselführung eines jungen Menschen Thürcn und Fenster in
weißer Oelfarbe strotzten, wie eine Winterlandschaft. „Sie, Herr
Anstreicher da drinnen!" Mit stiller Majestät wandte sich
langsam der junge Mensch um, warf stolz die langen Künstlcr-
haare zurück und fragte nur: „Anstreicher?" — „Pardon!
Herr Maler wollt' ich sagen!" — Der Künstler lächelte. —
»Würden Sie nicht die Freundlichkeit besitzen, niit Ihrem un-
sterblichen Pinsel diesen schwarzen Gesellen hier in eine liebliche
^ichtgestalt zu verwandeln?"
„Was thun wir Maler nicht um gute Worte!" antwortete
her Thüren-Raphael, und überfuhr den zappelnden Vogel mit der
weißen Farbe. „Verzeihen Sic, Herr!" sagte jetzt vom Philister-
üsch herüber der Schuhmacher, um sich bei den Studenten cinzu-
fchmeicheln, „verzeihen Sie, ist nun der Vogel gemalt oder
angestrichen?" — „Schuster," erwiderte der Künstler gering-
schätzig, „können das heißen, wie sie wollen, meinetwegen auch
anstreichen — auch das letztere ist eine Kunst, eine wunderbare
Kunst. Ich wollte Ihnen z. B. Ihre rothe Nase anstreichen,
daß Ihre Frau Gemahlin Sie nicht mehr kennen würde!"
„Seine rothe Nase!" fuhr hier, bevor der Schuster Etwas
erwidern konnte, Herr Lockvogel aus seinem Sinnen empor. „Ich
hab's! Seien Sic gesegnet für dieses Wort, Herr Maler, ich
hab's!" Der Mann stand auf und rannte so eilig davon,
daß er vergaß, die Zeche zu bezahlen. Die Trinker blieben
über seine vermeintliche Narrheit halb bestürzt und halb ergötzt
zurück, und tranken mit frischem Muthc fort, bis cs zwölf Uhr
schlug, Dann gingen Philister und Studenten zum Mittagessen.
Auch Gustav ging, wagte sich aber nicht zu Fräulein Emma,
weil er betrunken war und die Blitze ihrer schwarzen Augen
fürchtete und ihrer rothcn Lippen Donner. — Es war eigcnt-
üch doch ein Hundeleben, das er führte und nur, weil er kein
^eld hatte. Wie sagte Herr Lockvogel? Das Gold liege aus
der Straße! Das wollte er doch einmal probiren. Die Augen
auf den Boden geheftet, ging Gustav durch die Straßen der
Stadt und zum Thore hinaus — Gold suchen. Es währte
auch gar nicht lange, so fand er einen großen, grünseid'neu Beutel,
und wahrhaftig goldene Münzen blinkten durch die Maschen des-
selben mit den Bildnissen unserer gekrönten Häupter, die wjr in
dieser Fayon so innig lieben und verehren. Hocherfreut kehrte
der Student in die Weinkneipe zu Grethe zurück und saß von
da an Tag für Tag daselbst und dachte nimmer und nimmer
an die Alma mater und an Emma.
Das rothe Gold wurde zu rothem Wein, und dieser färbte
bald Gustav's Nase ebenso dunkel, wie dem Schuster die seinige.
' (Fortsetzung folgt.)
Zwiespalt.
Die Fliegen summen um's Haupt mir
Und wiegen in Schlaf mich ein;
Die Summen fliegen um's Haupt mir
Und sagen: „Laß 's Schlafen sein!" g. p.
Zweifacher Genuß.
„Welcher Reiz in diesen Zügen!"
Heimath-Klänge.
Korporal (zu den Rekruten): „Ihr Donnerwetter-Kerle, kann
man Eilch denn gar nicht bcibringen, >vas „rechtsum" und tvas
„linksum" ist?" — Stierhvf-Nazi: „Mit Verlaub, Herr Kor-
poral, wir thäten uns schon Alle viel leichter, wenn Sie „hott" und
„wist" schreien möchten."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zweifacher Genuß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1797, S. 3
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg