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Rothe Nasen.

„Sie sagten," fing Gustav drinnen wieder an, „ich hätte
Ihnen Lockvogcl's Adresse übermittelt, und ich muß behaupten.
Sie haben im Gcgcnthcile dieselbe mir geschickt —" — „Aller-
dings — zurückgeschickt." — „Ich versichere Sie, Fräulein
Emma, ich habe Ihnen Nichts übersandt, als ein Paar von
mir an Sie gedichteter Verse —" — „Haben Sie den Aus-
schnitt aus dem Blatte nicht mehr?" — „Hier ist er." —
Das Fräulein las mit gerührtem Lächeln halblaut:

„An Emma!

Kann der Liebe süß' Verlangen,

Emma, kann's vergänglich sein?"-

„Ja stehen denn die Verse seht darauf?" — „Freilich, und
hier auf der andern Seite — des Doktors Empfehl-
ung — armer Freund, wie Hab' ich Ihre Liebenswürdigkeit
vergolten!" — „Sie konnten ja nicht anders, wenn Sie im
Berger nur die falsche Seite lasen — aber ich! wie schändlich
Hube ich das herrlichste Weib verdächtigt und behandelt —
können Sie mir verzeihen, Emma?"

Er kniete vor ihr nieder und küßte ihr die Hände.

Sie blickte ihn gütig, aber traurig an. „Ich will ein
anderer Mensch werden, Emma, wenn Du mich wieder aus-
nimmst an Dein Herz und Deinen Tisch, denn ich liebe —"
~~ „Halten Sie ein, Gustav, ich beschwöre Sie! Mein ganzes
Vermögen — und darauf haben Sie doch wohl auch ein wenig
spekulirt bei Ihrem Antrag —" — „Allerdings!" sagte Gustav
ehrlich. — „Mein ganzes Vermögen, das ich stets in einem
großen, seidenen Beutel bei mir trug, habe ich schon vor
mehreren Monaten verloren." — „In einem seidenen Beutel?
War es dieser da?" — „Ja!" rief Emma, „aber er ist ja
leer!" — „Ja, er ist leer! Und was ich allein von seinem
Wen, funkelnden Inhalt noch besitze, das ist meine rothe,
funkelnde Nase. Aber die gehört Ihnen, und Sic sollen sie haben!"

So sprach Gustav, und che die erstarrte Jungfrau Etwas
äu sagen oder zu thun vermochte, faßte er ein auf dem Tische
legendes Messer, schlug mit Einem Streich der ihn schreiend
und hindernd umflatternden Dohle den Kopf ab, säbelte sich
darauf ohne Weiteres die Nase weg und wollte dieselbe eben
in den Beutel stecken, als sich Etwas Seltsames ereignete.

Statt des Blutes nämlich tropfte köstlicher Wein von der
nbgcschnittenen Nase und crfiillte das ganze Zimmer mit dem
Vlumendufte des Neckar-, Mosel- und Rhein-Rebensaftes. Die
Zu Boden fallenden Tropfen aber klingelten wie das edelste
Metall und rollten als blanke Goldstücke umher — eine ganze
Unmasse, Emma's Vermögen. Zu gleicher Zeit flog zum Fenster
eine schneeweiße Taube herein, die nur um den Hals einen
fingerbreiten, blutrothcn Streifen hatte.

„Gustav, dieser Nasenschnitt
Macht Dich aller Laster quitt."

jubelte die liebe „Unschuld", denn sie war es, in ihrer gewohnten
holden Reimweise. Gleich darauf aber fuhr dieselbe in mehr
geschäftsmäßigem Tone fort: „Ganz hergcstellt kann unser altes
Verhältnis; freilich trotz Deiner edlen, heroischen Reue nimmer
werden, Gustav, doch will ich mich nie wieder von Dir trennen.

Ich will Dich als stummer, aber sicherer Wegweiser auf Deiner
Lebensreise begleiten, und wenn Du künftig an einen moralischen
Kreuzweg kommst, so geh' nur getrost — Deiner Nase nach,
denn I ch iverdc von jetzt an dieselbe vorstellen und werde Dich
warnend auf den üblen Geruch aufmerksam machen, in welchem
verbrecherische und verdächtige Kreise stehen." —

Daraus setzte sich das Täubchen mitten in Gustav's ver-
klärtes Gesicht und wurde immer kleiner. Der blutrothe Streifen
um den Hals verschwamm in dem zarten Weiß des Gefieders,
und schließlich hatte Gustav eine in Farbe und Gestalt normale
Jünglingsnase, nicht zu klein und nicht zu groß, nicht zu weiß
und nicht zu roth.-

Amts st hl.

Er schrieb ein leidlich Deutsch für einen Deutschen:
Schlicht, klar und bündig, keine langen Sätze.

Da schloß ihm ans das Amtshaus seine Schätze,

Und schnell erliegend, ach, dem bösen Beispiel,

Schreibt jetzt er musterhaft nur noch — Kanzleistyl!

Wirth: „Nun, wie schmeckt Euch der Wein?" — Gast:
„Gut, wenn's Euer bester ist; schlecht, wenn Ihr einen
besser n habt!" _

Zugmittel.

Commis voyageur: „Es würde mich sehr freuen,
wenn Sic mir den in Ihrem geschätzten Hause vacanten Reisc-
posten übertragen wollten." — Großhändler: „Bedauere,
bedauere! Wissen Sic, mein Artikel ist durch die kolossale
Concurrenz im Preise so gedrückt, daß ich nur einen Mitleid

3*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Rothe Nasen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1799, S. 19

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