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Die Heilquelle, oder:
Exemplar iu der Stadt; allein dieses Exemplar war defect;
und just der Baud, der den eben so nothwendigen als acht-
baren Buchstaben N enthält, war nicht vorhanden. Die bar-
barische Köchin Wachtels hatte nämlich mit diesem Bande das
Küchenfeuer angezündet, und so hatten die lieblichen Wasser-
gottheiten den Flammentod gesunden und konnten dem wiß-
begierigen Publikum keine Auskunft über die wichtige Stellung
geben, die ihnen Hellas und Latium einst in der Mythologie
eingeräumt. —
Die Arbeiten wurden, sobald die Aktien gezeichnet waren,
mit einem besonders für Goldbnrg unglaublichen Eifer unter-
nommen. Es sollte nicht nur der Quell gefaßt werden, man
schickte sich auch an, einige hölzerne provisorische Badhänschen
zu errichten. Die Einwohnerschaft verließ kaum die Baustüttc
und gab sich den allcrsüßcstcn Träumen für die Zukunft hin,
sic sah schon die Fremden massenweise hcrbeiströmen und unter
diesen viele Fürsten und Fürstinnen, viele Prinzen und Prinzes-
sinnen, die berühmtesten Sänger, Sängerinnen und Tänzerinnen.
Sie sahen schon ihre Vaterstadt durch zahlreiche, prachtvoll ein-
gerichtete Gasthäuser bedeutend vergrößert, durch ein großes Kur-
und Schauspielhaus außerordentlich verschönert. Man sprach sogar
schon von einer Spielbank, die nicht verfehlen würde, eine ganz
besondere Anziehungskraft auf die Fremden auszuüben. Einige
wagten wohl eine schüchterne Bemerkung gegen die Gründung
einer solch' unsittlichen Anstalt; sie wurden jedoch von allen
Anderen durch die Behauptung überstimmt, daß kleinliche,
moralische Bedenken verstummen müßten, sobald cs sich um's
Wohl des Vaterlandes handelt.
Daß der Besitzer der Quelle als Wohlthäter seiner Vater-
stadt betrachtet wurde, versteht sich säst von selbst.
So sanguinisch indessen die Goldburger sich in ihren
Hoffnungen zeigten, so fehlte es unter ihnen doch nicht an
Pessimisten. Diese waren freilich gering an Zahl und geringer
noch an Ansehen. Sie behaupteten, die Quelle sprudle gar
nicht. Ihr Wasser könne weder die Kranken gesund, noch die
Gesunden krank machen. Es schmecke blos schlecht, wirke aber
nicht schädlich, es sei denn, daß man früh Morgens sogleich
beim Anfstehen, oder Abends unmittelbar vor dem Schlafen-
gehen einen halben Eimer davon trinke. Aber wer kennt nicht
die Pessimisten? Wenn der Himmel voll Geigen hinge, würden
sic an demselben nur schwarze Donncrwolkcn, aber keine einzige
die Quelle des Unheils.
Violine sehen. Das ist indessen blosser Neid. Wirft doch der
Teufel dem lieben Herrgott die Mangelhaftigkeit der Schöpfung
vor aus purem Aergcr, daß er selbst nichts hat zu Stande
bringen können, als einen widerlichen Höllenpfuhlgcstank, den
er überall mit sich hernmträgt.
Die wenigen Pessimisten wurden übrigens des Mangels
an Patriotismus angeklagt und man suchte zu beweisen, daß
deren Vorfahren gar nicht von Goldbnrg abstammtcn; denn
wenn sie wirklich Kinder von Goldburger Kindern wären, so
würden sic keinen Pessimismus zeigen bei einer Gelegenheit,
wo der Optimismus heilige Vaterlandspflicht sei.
(Schluß folgt.)
Mod-erne Gründlichkeit.
Buchhändler: „Sie haben das Buch erst Vormittag
geholt, wie ist cs möglich, daß Sic jetzt schon fertig sind da-
mit?" — Literat: „Ich Hab' cs nur kritisch durchgesehen,
weil ich eine Recension darüber schreibe."
Umsonst verheirathct.
A (zu seinem Freund): „Schon wieder sitzest Du da und
nähst Knöpfe an Deinem Rock fest — man sollte gar nicht
glauben, daß Du eine Frau hast!" — B: „Na, meinst Dit
denn, wenn man verheirathct ist, reißen die Knöpfe nicht ab?"
Wechsel.
Es wechseln Blicke, Worte, Eide,
Gefühle, Briefe, Küsse Beide.
Sic werden wechseln guter Dinge
Am Altar nächstens auch die Ringe,
lind schließlich, statt sich zu vertragen.
Auf — Wechselfälschung sich verklagen,
Obgleich sic oder weil sie eben
Dem Wechsel allzusehr ergeben.
T. tl.
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Die Heilquelle, oder:
Exemplar iu der Stadt; allein dieses Exemplar war defect;
und just der Baud, der den eben so nothwendigen als acht-
baren Buchstaben N enthält, war nicht vorhanden. Die bar-
barische Köchin Wachtels hatte nämlich mit diesem Bande das
Küchenfeuer angezündet, und so hatten die lieblichen Wasser-
gottheiten den Flammentod gesunden und konnten dem wiß-
begierigen Publikum keine Auskunft über die wichtige Stellung
geben, die ihnen Hellas und Latium einst in der Mythologie
eingeräumt. —
Die Arbeiten wurden, sobald die Aktien gezeichnet waren,
mit einem besonders für Goldbnrg unglaublichen Eifer unter-
nommen. Es sollte nicht nur der Quell gefaßt werden, man
schickte sich auch an, einige hölzerne provisorische Badhänschen
zu errichten. Die Einwohnerschaft verließ kaum die Baustüttc
und gab sich den allcrsüßcstcn Träumen für die Zukunft hin,
sic sah schon die Fremden massenweise hcrbeiströmen und unter
diesen viele Fürsten und Fürstinnen, viele Prinzen und Prinzes-
sinnen, die berühmtesten Sänger, Sängerinnen und Tänzerinnen.
Sie sahen schon ihre Vaterstadt durch zahlreiche, prachtvoll ein-
gerichtete Gasthäuser bedeutend vergrößert, durch ein großes Kur-
und Schauspielhaus außerordentlich verschönert. Man sprach sogar
schon von einer Spielbank, die nicht verfehlen würde, eine ganz
besondere Anziehungskraft auf die Fremden auszuüben. Einige
wagten wohl eine schüchterne Bemerkung gegen die Gründung
einer solch' unsittlichen Anstalt; sie wurden jedoch von allen
Anderen durch die Behauptung überstimmt, daß kleinliche,
moralische Bedenken verstummen müßten, sobald cs sich um's
Wohl des Vaterlandes handelt.
Daß der Besitzer der Quelle als Wohlthäter seiner Vater-
stadt betrachtet wurde, versteht sich säst von selbst.
So sanguinisch indessen die Goldburger sich in ihren
Hoffnungen zeigten, so fehlte es unter ihnen doch nicht an
Pessimisten. Diese waren freilich gering an Zahl und geringer
noch an Ansehen. Sie behaupteten, die Quelle sprudle gar
nicht. Ihr Wasser könne weder die Kranken gesund, noch die
Gesunden krank machen. Es schmecke blos schlecht, wirke aber
nicht schädlich, es sei denn, daß man früh Morgens sogleich
beim Anfstehen, oder Abends unmittelbar vor dem Schlafen-
gehen einen halben Eimer davon trinke. Aber wer kennt nicht
die Pessimisten? Wenn der Himmel voll Geigen hinge, würden
sic an demselben nur schwarze Donncrwolkcn, aber keine einzige
die Quelle des Unheils.
Violine sehen. Das ist indessen blosser Neid. Wirft doch der
Teufel dem lieben Herrgott die Mangelhaftigkeit der Schöpfung
vor aus purem Aergcr, daß er selbst nichts hat zu Stande
bringen können, als einen widerlichen Höllenpfuhlgcstank, den
er überall mit sich hernmträgt.
Die wenigen Pessimisten wurden übrigens des Mangels
an Patriotismus angeklagt und man suchte zu beweisen, daß
deren Vorfahren gar nicht von Goldbnrg abstammtcn; denn
wenn sie wirklich Kinder von Goldburger Kindern wären, so
würden sic keinen Pessimismus zeigen bei einer Gelegenheit,
wo der Optimismus heilige Vaterlandspflicht sei.
(Schluß folgt.)
Mod-erne Gründlichkeit.
Buchhändler: „Sie haben das Buch erst Vormittag
geholt, wie ist cs möglich, daß Sic jetzt schon fertig sind da-
mit?" — Literat: „Ich Hab' cs nur kritisch durchgesehen,
weil ich eine Recension darüber schreibe."
Umsonst verheirathct.
A (zu seinem Freund): „Schon wieder sitzest Du da und
nähst Knöpfe an Deinem Rock fest — man sollte gar nicht
glauben, daß Du eine Frau hast!" — B: „Na, meinst Dit
denn, wenn man verheirathct ist, reißen die Knöpfe nicht ab?"
Wechsel.
Es wechseln Blicke, Worte, Eide,
Gefühle, Briefe, Küsse Beide.
Sic werden wechseln guter Dinge
Am Altar nächstens auch die Ringe,
lind schließlich, statt sich zu vertragen.
Auf — Wechselfälschung sich verklagen,
Obgleich sic oder weil sie eben
Dem Wechsel allzusehr ergeben.
T. tl.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Heilquelle, oder: die Quelle des Unheils" "Moderne Gründlichkeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1833, S. 83
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg