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Der Hort des neunzehnten Jahrhunderts.

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der Gefürchtete erscheint und wird sanft und schnell in das
Gefährt gehoben. Die Rosie ziehen an und pfeilschnell führen
sie ihre Last von dannen. Doch schon hat Salomon de Caus
im behenden Sprunge sich auf den Tritt des Wagens ge-
schwungen und Aug' in Aug' mit dem erbleichenden Minister,
ruft er mit donnernder Stimme, das Rasseln der Räder und
der Rosie Hufschlag übertönend, ihm zu:

„Bei des Königs Ehre und der Eurigen, müßt Ihr
mich hören, Cardinal!"

Da auf des Ministers Geheiß stehen die Rosie und die
herbeigeeiltcn Söldner greifen schon den Verwegnen. Mit
schwerverhaltenem Ingrimm aber herrscht der Cardinal ihnen zu:
„„Ins Narrenhaus mit dem Verrückten!""

Und bald bewältigten die Knechte den kämpfenden Helden
und führen ihn höhnend hinweg.

Ruhig lehnt sich der Cardinal wieder zurück in die weichen
Polster des Wagens, und gedenkt nicht mehr des Armen, den
sein Herrscherwort vernichtet.

Im schlurren Kerker zu Bicetre, tvo an den starren Mauern
hin die Seufzer stillen Wahnsinns zittern, Gerassel der Ketten

und das erschütternde Geheul der Rasenden durch die Gänge
gellt; wo im dunklen Gehöft irren Auges bleiche Gestalten
hinschleichen, oft wunderlich aufgeschmückt und seltsam sich ge-
berdend, umgeben von unbarmherzigen Wächtern, in deren
derben Fäusten die schwere Geisel, — da ruhet einsam auf
hartem Sessel Salomon de Caus, beide Hände auf die heiße
Stirn gepreßt, als wollte er in dem edlen Haupte den wan-
kenden Glauben und die sinkende Hoffnung aufrecht halten.

Leise betet er und lauter: „O Gott, ich habe nie dich
wissentlich betrübt, habe dir stets eifrig gedient, indem ich die
Menschen geliebt und ihnen alle meine Kräfte geweihet habe,
und doch wirfst du mich lebendig, lebendig in dies Grab,
und Weib und Kind in Angst und Elend. Wahnsinnig heiß
ich hier, o mein Gott, und Niemand glaubt und weiß, daß
mein Geist gesund und klar, gebeugt aber nicht gebrochen ist.

Da tönen Stimmen und Schritte an des Unglückseligen
Ohr, und auf fährt er und schwingt sich behend an das hoch-
gelegene Fenster, klammert sich an das starke Eisengitter mit
den magern Händen fest, und ruft angsterfüllt und flehentlich:

„O ihr Männer, Freunde, Menschen, hört mich! Ich bin
nicht verrückt! Entsetzliche Gewalt ist mir geschehen!"

So ruft er vom Morgen bis zum Abend, so oft Geräusch
ertönt, bis ihm Hand und Stimme den schweren Dienst ver-
sagt, dann sinkt er verzweifelnd zurück in dumpfes grollen-
des Sinnen.

So rang er Tage, Wochen und Monde hindurch, bis der
letzte Strahl des herrlichen Muthcs erloschen, und der letzte
Funke der Hoffnung verglommen war; bis endlich der stille
Wahnsinn wirklich sich leise auf die gequälte Seele senkte und
von ihr die Schmerzen der Erinnerung nahm.

Den 4. Dezember 1642.

Ter Cardinal ist tobt! -—- Freudig tönt es von Mund
zu Mund, durch die Königsstadt ins Land hinein, von Grenze
zu Grenze. Biel tausend Herzen athmen frei, und selbst der
König ist wieder zur That erwacht. Die Kerker öffnen sich.
Manch bleiches Jammerbild wankt daraus hervor und wird
am Strahle der Freiheit wieder heil. Manch verschollener
Name ivird grüßend wieder genannt. Nur Einem kann
Menschenhand nie mehr die Fessel lösen. Nacht bleibts um
den, der ein reiches Licht der Welt gebracht. Salomon de
Caus starb im Jrrenhause.

C. Stübler.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Hort des neunzehnten Jahrhunderts"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gefangener <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Caus, Salomon de

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 8.1848, Nr. 177, S. 68

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