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Strafe und Lohn.

„Wie, ein Mann?" rief der andere, und riß ihn an das
Licht. „Ah! ich kenne euch!" Drauf rannte er in das Haus,
holte noch einen Säugling heraus, und überreichte beide
Bachem mit den Worten: „Da, macht mir keine Flausen,
und nehmt; daß ihr mir nicht zum zweiten Male solche
Streiche macht, oder—; ich kenne euch." Mit diesen Worten
sprang er ins Haus zurück, und warf die Thüre heftig ins
Schloß.

Da stand der arme Bachem, unter jedem Arme ein Kind,
eine Zeitlang wie versteinert; drauf brach sein Mund in ein
convulsivisches Lachen aus, während zugleich Thränen seine
Wangen herabstürzten, die keineswegs zu den Freudenthränen
gehörten.

„Zwei für eins!" sprach er und ging dann langsam
und beschämt seiner Wohnung zu.

Als er eingetreten und der Thüre der Schlafkammer ge-
naht war, hockte er nieder, legte die Kinder auf beide Kniee,
sie mit dem linken Arme haltend, während er mit der Rechten
die Thüre öffnete. Eins der Kinder erwachte dabei, und
hob an zu schreien.

„Mein Kind, mein Kind!" rief seine Frau. „Gott sei
Dank, du bringst mir mein Kind wieder. Gib mir mein Kind!"

Bachem, der eingetreten war, und wieder in jedem Arme
ein Kind trug, stand zögernd; er wußte nicht, in welchem
Arm er das Seinige hatte. Auf ihr wiederholtes Verlangen
überreichte er endlich das Weinende.

Tie Mutter benetzte es mit Freudenthränen, hielt es
dann gegen das Licht, uip zu sehen, ob es keinen Schaden
genommen habe; da bemerkte sie ein feines weißes Kinder-
zeug. „Himmel!" rief sie aus, „das ist mein Kind nicht!"

„Nicht?" fragte Bachem, „dann wird es dieses wohl
sein?" Damit überreichte er das Andere.

Man denke sich das Erstaunen der Mutter!

Aber dieses Erstaunen wich bald der Mutterliebe und
Nächstenliebe. Nachdem sie ihr Kind, das ruhig fortschlum-
; werte, leise ans Herz gedrückt hatte, legte sie es neben sich,
und wandte sich zu dem fremden, welches fortfuhr zu weinen.
„Das arme Würmchen!" sprach sie mitleidig, „vielleicht
weint deine Mutter jetzt um dich, wie ich um das Meinige
geweint habe. Möchte sie wissen, daß es in guten Händen
ist;" damit legte sie den Säugling an ihre Brust, ihn zu
füllen. „Und wem gehört dies hier?" —

Bachem erzählte mit dem Tone eines beichtenden, be-
schämten Sünders seine Abenteuer.

„Siehst du!" sprach seine Frau, als er geendet hatte,
„das ist Gottes Strafe. Aber ich werde mich ihr unter-
werfen, und beide zur Gottesfurcht auferziehen."

„Dummheit!" brummte Bachem in den Bart, denn er
war jetzt zu sehr niedergeschlagen und beschämt, um noch
laut zu poltern.

„HöreJoseph!" hob sie wieder an, „dort hinten in der
Lampe wird noch etwas Oel sein. Zünde sie an, daß wir
Nachsehen, ob sich nicht irgend ein Zeichen findet, aus dem
wir seine Abkunft ersehen können."

Joseph gehorchte schweigend, seine Frau löste die Windeln,
j da fiel ein Brief auf die Decke. Sie überreichte ihn ihrem
Manne zum Lesen. Die Aufschrift lautete: „An Frau

Strömer, oder an diejenige, die sich sonst meines Kindes an-
genommen hat."

Bachem öffnete; das Schreiben enthielt noch eine Einlage.
Bachem las beim trüben Scheine der Lampe mühsam, wie folgt:

„Mit bitteren Thränen trenne ich mich von meinem
Kinde. Die Scham, die Furcht, enterbt zu werden, und
somit sein eignes Schicksal, wie das Meinige, zwingen mich
dazu. Ich wünsche ihm eine Pflegerin, wie Frau Strömer,
die sich mehr aus Liebe als aus Gewinnsucht seiner annehme.
Ich habe dabei aber nicht die Absicht, mich der Kosten seiner
Erhaltung zu entziehen. In der Einlage finden sich drei-
hundert Thaler —"

„Dreihundert Thaler!" — wiederholte Bachem freudig,
griff mit der Linken nach der Einlage, um sich zu über-
zeugen, daß sie noch da sei, und schob sie darauf zwischen
dem Daumen und dem Mittelfinger hin und her, um einst-
weilen durch das Gefühl ihren Inhalt zu erforschen. „Drei-
hundert Thaler!" sprach er und wollte weiter lesen, aber
es schwamm ihm vor den Augen, er mußte sie erst mit
seinem Tuche trocknen; dann fuhr er fort:

„Dreihundert Thaler. — In einigen Jahren hoffe ich
so glücklich zu sein, mein Kind zurück nehmen zu dürfen,
und für liebevolle Behandlung meinen herzlichen Dank ab-
statten zu können. Nach Umständen bin ich alsdann auch
] zu einer fernem Belohnung bereit. Sollte ich mich in
meiner Hoffnung täuschen, so folgen fernere Zuschüsse.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Strafe und Lohn"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Mantel <Motiv>
Tür <Motiv>
Säugling <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 8.1848, Nr. 191, S. 180

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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