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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 2
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Martin, Kurt: Deutsche Dichter als Maler und Zeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0069

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GOTTFRIED KELLER, MITTELALTERLICHE STADT

BESITZER: ZENTRALBIBLIOTHEK ZÜRICH

DEUTSCHE DICHTER ALS MALER UND ZEICHNER

VON

KURT MARTIN

Bei einem Überblick, wie ihn die Heidelberger
Ausstellung in diesem Sommer bot, grenzen
sich zwei Gruppen ab: der Dilettant, der aus Laune
und ohne tiefere künstlerische Absicht zeichnet, und
der Doppelbegabte, der ein bildkünstlerisches Er-
gebnis erstrebt. Hat sich der eine der unverpflich-
tenden Äußerung hingegeben, die mehr oder weni-
ger auf ihre Eigenheiten und Eigenarten hin zu
betrachten ist, so wird der andere seine Bemühungen
mit dem Maße der bildenden Kunst gewertet wissen
wollen. Zu dieser sachlichen Beurteilung des Wer-
kes kommt jedoch das Gewicht der Persönlichkeit,
deren wesentlichere Bestätigung, wenn man den
Dichter voranstellt, auf dem Gebiet der Sprache liegt,
sodaß die doppelte oder wechselnde Beziehung inner-
Anmerkung der Redaktion: Die Originale der Ab-
bildungen waren während des Sommers in Heidelberg aus-
gestellt.

halb der gleichen künstlerischen Natur an sich zum
Problem wird.

Geschichtlich gesehen hat es immer Doppelbe-
gabungen gegeben, von der Antike bis zur Gegen-
wart, so daß die Begründung dieser Fähigkeit
außerhalb des Geschichtlichen im Psychologischen
liegen muß. Dagegen spielen die Kulturgrundlagen
für die Ausbildung und Entwicklung doppelter
Anlagen eine bedeutende Rolle, denn der Vergleich
zwischen dem europäischen und dem ostasiatischen
Kulturkreis zeigt, daß der Osten sowohl im Werk
selbst als auch im Künstler, ja sogar in der Kunst-
form eine Einheit zwischen Dichtung und Malerei,
zwischen Sprache und Bildform erreicht hat, die
die europäischen Möglichkeiten weit übertrifft. Die
Ursache liegt in der Bilderschrift, die das Wort als
Bild gestaltet, im Gegensatz zur phonetischen Schrift,
die das Gesprochene vor dem Geschriebenen be-

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