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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 1
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0045

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«ÜKTIONSNACHRICHTEN

DIE VERSTEIGERUNG
DER SAMMLUNG H.

„Wenn man die wirtschaftliche
Lage in Betracht zieht" — welche
selbstverständliche Einschränkung
seit einem Jahr, aber noch zwingender in diesem Herbst jedem
Auktionsbericht vorangestellt werden muß — ist die Versteige-
rung der Berliner Sammlung H. durch die Firmen Paul Cassirer
und Theodore Fischer in Luzern durchaus erfolgreich gewesen.
An den friedlichen Ufern des Vierwaldstätter Sees gab es
weniger Augurenlächler und mehr entschlossene Käufer als
auf den letzten Berliner Veranstaltungen. Die Spitzenpreise
waren nicht sensationell hoch, hatten aber einen über das
Rhetorische hinausgehenden unbestreitbaren Wirklichkeits-
charakter. Wenn diese unbrillante Verkaufsmethode allge-
meine Berliner Mode werden könnte, dann würde man in
der kommenden Saison — die sicherlich für viele Sammler
unter dem Imperativ des „Keep selling" stehen wird —
keine komplizierten Intrigen und Blulfmanöver, dafür aber
eine Vertrauen erweckende Geschäftsführung erleben.

Den Beständen und dem Ort entsprechend war die Be-
teiligung international. Das mystische Gastmahl des Greco (5)
erwarb für 220000 Franken ein englischer Sammler. Rogier
van der Weydens Marientafel (1), die schräge Halbfigur mit
dem scharf gedrehten Kinderkörper in knapper Rahmung,
wurde mit 150000 Franken dem Schweizer Ströhn zuge-
sprochen. Von den zwei dem Rubens zuerkannten kleinen
Mythologien geht die Herkuleskomposition aus der Samm-
lung Lichnowsky (10) für 10500 Franken an eine amerika-
nische Universitätssammlung, die zartbewegte Skizze zu der
Berliner „Jagd der Diana" (11) für 11 100 Franken nach
Holland. Van Dycks Studie eines „Betenden Jünglings" (13)
kam mit 10500 Franken in Schweizer Besitz. Für Rembrandts
Federzeichnung eines Orientalen (14) wurden 1700 Franken
gegeben. Gering ist der Preisunterschied zwischen den kleinen
gleichgerahmten Damenbildnissen (7 und 8), die früher beide
als Goya bezeichnet wurden: Goyas schwarzgekleidete Dame
unter bewölktem Himmel erzielte 2800, Jean Barbaults char-
mant verhüllte Italienerin 2500 Franken.

Unter den Werken neuerer Kunst wurde die subtile Genre-
studie von Toulouse-Lautrec „Beim Frisieren" (25) mit 10000
Franken bewertet. Die beiden Gemälde von Cezanne (23
und 24) sicherte sich Bernheim, Paris, für 36000 und 28000
Franken. Ebenfalls an Bernheim gingen Daumiers „Bettler"
(17) — ein Bild des fordernden Elends, fahle und wärmere
Fleischtöne im kahlen Raum — für 42 000 Franken; Daumiers
Putten (18), zwei großköpfige Athletenkinder, einen farben-
schweren Blumenkorb tragend, wurden einem Schweizer
Sammler für 11 500 Franken zugesprochen. Von Münchs vier
Gemälden wurde der höchste Preis, nämlich 4100 Franken,
für die „Karl-Johann-Straße in Oslo" (26) gezahlt, die
Maler-Impression eines Regens, der die matten Töne und
scharfen Farben einer begrünten Stadt verschwimmen und
aufleuchten läßt. Die blaue Raumhöhle des Mondscheinbildes
(27) erwarb ein deutscher Sammler für 3 500 Franken, die beiden

Szenen aus den „Gespenstern" (28, 29) erzielten 2000 und
1800 Franken.

Gut aufgenommen wurden die Skulpturenbestände der
Sammlung. Für Rodins impressionistische „ Wellen-Pla-
stik (34) wurden 2600 Franken gegeben. Maillols herrlicher
Bleiguß (39) ging für 17500 Franken in Schweizer Privat-
besitz über. Sehr groß — und bedeutungsvoll für die Wir-
kungsmöglichkeiten einer sehr deutschen künstlerischen Ge-
staltung — war das internationale Interesse für Barlachs
Bildnerei. Auf die „Alte Frau mit Stock" (40) bot eine
Dresdener Kunsthandlung 6600 Franken; den „Ekstatiker"
(42) sicherte sich das Züricher Kunsthaus Dr. Wartmann für
4100 Franken; den „Mann mit dem Mantel" (48) erwarb das
Graphische Kabinett Neumann in München für 4000 Franken;
auch die übrigen Skulpturen wurden, zum Teil in ausländischem
Auftrag, zu guten Preisen verkauft. Die zahlreichen Tier-
figuren von Gaul gingen glatt weg, zu Preisen, die bei den
importanteren Stücken zwischen 500 und 800 Franken, bei
den kleineren zwischen no und 200 lagen. Für den großen
stehenden Biber (59) wurden 1150 Franken gegeben. Das
spirituelle Köpfchen der Marie Laurencin von Haller (101)
erzielte 360 Franken. Die instinktsichere und kluge Klein-
kunst der Sintenis war im Luzerner Milieu besonders favo-
risiert. Trotz der langen Reihe der ausgebotenen Figürchen
blieb das Angebot bis zum Schluß sehr lebhaft. Die Durch-
schnittspreise gingen von 150 bis zu 300 Franken. Für den
„Esel von Seelow (99) wurden 2100 Franken gegeben, für
den Fußballspieler (96) 650, für den „Nurmi" 750 Franken.

Das Interesse eines internationalen Publikums für zeit-
genössische deutsche Kunst wäre als besonders erfreuliches
Symptom zu werten, wüßte man nicht, daß es sich nur auf
wenige Begünstigte erstreckt.

Eisenstadt

VORBERICHTE

Deutsches und französisches Silber des siebzehnten, acht-
zehnten und neunzehnten Jahrhunderts ist auch (beson-
ders) in Krisenzeiten ein vorzüglich beliebtes Sammelobjekt.
Eine der ersten Berliner Herbstauktionen, der Verkauf des
Kunstbesitzes des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen,
mit Beiträgen aus anderem deutschen Fürstenbesitz und
aus Berliner Privatbesitz, durch die Firmen Ball und Graupe,
enthält eine große Anzahl Augsburger Barockarbeiten, ferner
Arbeiten von Berliner und Dresdner Silberschmieden und
französisches Ludwig XV. Tafelsilber. Das Prunkstück der
Sammlung ist das aus 150 Teilen bestehende vergoldete
Tafelgeschirr aus dem Besitz der Mutter Napoleons, von
Odiot um 1800 angefertigt und mit überreichem Figuren-
und Reliefzierat versehen. Zu den Hauptbeständen der fürst-
lichen Sammlung gehören ferner signierte i8e-Möbel, eine
Beauvais-Garnitur und wertvolle kleinasiatische Knüpftep-
piche. Unter den Gemälden findet man vor allem gute
Landschaften der niederländischen Kleinmeister und des
italienischen Rokoko.

Im Anschluß an die erste von Graupe veranstaltete Buch-
auktion aus Berliner Privatbesitz, die vorzügliche Erstaus-

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