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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 2
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Glaser, Curt: Das große Kolbewerk des Marburger Kunstgeschichtlichen Seminars
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0082

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DAS GROSSE KOLBEWERK DES MARBÜRGER KUNSTGESCHICHTLICHEN SEMINARS

Das Photographieren von Kunstwerken hat in unserer
Zeit eine außerordentliche Bedeutung gewonnen, da
die verbreiteten Aufnahmen in hohem Maße die Erinne-
rungsvorstellung bestimmen und der häufigere Umgang mit den
Reproduktionen nicht selten maßgebenderen Eindruck hinter-
läßt als die nur gelegentliche Begegnung mit den Originalen.
— Kann an die Wiedergabe von Gemälden nur die Forderung
höchstmöglicher technischer Vollendung gestellt werden, so
muß der Photograph, der sich mit der Aufnahme plastischer
Kunstwerke beschäftigt, eine besondere Eignung für die Auf-
gabe haben, er muß mit einem lebendigen Gefühl für die
plastischen Werte überhaupt und mit der Fähigkeit der Ein-
fühlung in die spezifischen Anschauungsformen einer Epoche
oder eines Meisters ausgestattet sein. Es ist seit Wölfflins
richtungweisenden Ausführungen viel über das Thema der
photographischen Aufnahmen plastischer Kunstwerke dis-
kutiert worden, und die theoretische Beschäftigung mit der
Frage hat die praktische Handhabung in günstigem Sinne
beeinflußt. Es wird noch immer gesündigt, aber das Fehler-
hafte wird erkannt, und die Zahl der künstlerisch befriedi-
genden Aufnahmen ist im Steigen begriffen.

Für Meisterwerke der Vergangenheit bedeutet die Auf-
nahme eine Art der Interpretation, und sie wird gerade in
ihren besten Formen immer bestimmt sein durch die mehr
oder minder subjektive Einstellung der Gegenwart zu den
historischen Stilen. Für die Kunst der Lebenden gibt es die
Möglichkeit objektiver Darstellung, sofern der Künstler selbst
die Art der Aufnahme seiner Werke zu bestimmen vermag.
Rodin hat als erster sehr bewußt von dieser Möglichkeit Ge-
brauch gemacht, indem er die extrem malerischen Aufnahmen
seiner Skulpturen guthieß und damit zeigte, wie er seine
Schöpfungen angeschaut wissen wollte. In einer veränderten
Zeit müssen diese Aufnahmen als wichtige Dokumente für
die Interpretation der Originale selbst gewertet werden.

Kolbe verwahrt sich dagegen, ein Schüler Rodins genannt
zu werden, den er selbst nicht mehr als flüchtig gekannt
hat. Aber der Eindruck Rodins auf den jungen Künstler ist
ganz gewiß stark und bestimmend gewesen, und wenn Kolbe
manche Lehre aus dem Werk des älteren Meisters emp-
fangen hat, so auch diese, daß in der Photographie seiner
Schöpfungen dem Bildhauer ein wichtiges Hilfsmittel der
Selbstkontrolle wie der Wirkung auf die Außenwelt an die
Hand gegeben ist.

Es ist bezeichnend, daß die wesentlichen Photographen
Kolbescher Werke aus den Kreisen der Kunsthistoriker stam-
men; Der erste war Schnorr von Carolsfeld, der zweite ist
der Sohn Richard Hamanns, der in dem Marburger Seminar
seines Vaters die beste Schulung für die schwierige Auf-
gabe empfangen hat. Von ihm stammt der größte Teil der
Aufnahmen, die der Kunst des Bildhauers vorzüglich gerecht
werden.

Auch wer Kolbes Werk von vielen Ausstellungen zu ken-
nen meinte, wird den Tafelband mit Gewinn durchblättern.
Wenn man eine gewisse Einseitigkeit in der Auswahl zu
beanstanden geneigt ist, so mag man in ihr die subjektive
Meinung des Künstlers erkennen, der seine jüngeren gegen-
über den früheren Werken zu bevorzugen scheint und seine
Arbeit als Porträtist für minder wesentlich nimmt als seine
freien Figurenkompositionen. Es ergibt sich hieraus eine
gewisse Einförmigkeit, die den Gesamteindruck der Ver-
öffentlichung beeinträchtigt. Der unvoreingenommene Beob-
achter sieht das Gesamtwerk Kolbes reichhaltiger und viel-
fältiger, als es in diesem Bande sich darstellt, den man
trotz dieser Einschränkung als wesentlichen Beitrag zur Er-
kenntnis seiner Kunst und als besonders dankenswerte Tat
eines mutigen Verlages in dieser schweren Zeit gern ent-
gegennimmt.

Glaser

VORBERICHT
der Berliner November-Auktionen

R. Lepke kündigt für Ende November die Versteigerung
der bekannten Berliner Sammlung Ludwig Löwenthal an.
Von den niederländischen Gemälden ist eine Variante der
Jordaens-Komposition „Der Satyr und der Bauer" hervorzu-
heben, ferner ein Selbstporträt mit Familie des Adriaen van
de Velde und Bilder von Codde, Palamedesz, B. G. Cuyp,
Laermans. Interessant ist das Bildnis des Jean Jacques Rous-
seau, von Januarius Zick auf Kupfer gemalt, und eine Tafel
von dem „Meister der Lübecker Briefkapelle". Unter den
guten alten Möbeln befindet sich eine in der Literatur be-
kannte Roentgenkommode, unter den Werken der Klein-
plastik sind zwei wichtige Arbeiten des Johann Heinrich
Meißner beachtenswert.

Der Schwerpunkt der Sammlung S., Berlin, die am 10. und
ii. November bei der Firma Lepke zum Ausgebot kommt,
liegt im Altberliner Silber und Kunstmobiliar und auf dem
Sondergebiet der Tassen.

Im Dezember soll die Sammlung Max v. Bleichen ver-
steigert werden: Gemälde des neunzehnten und zwanzigsten
Jahrhunderts, Porzellane des achtzehnten Jahrhunderts, Elfen-

bein-Miniaturen, Tabatieren, Augsburger Silber und persische
Teppiche.

Die im vorigen Heft erwähnte Buchauktion aus Berliner
Privatbesitz bei Graupe wird, gemeinsam mit der Graphik-
versteigerung Ibach-Barmen, am 16. und 17. November statt-
finden, die Versteigerung der Sammlung Prinz Friedrich Leo-
pold am 27. und 28. November.

Am 6. und 7. November wird die Firma Hollstein & Puppel
eine Kupferstich-Sammlung aus deutschem Privatbesitz, die
ein seltenes niederdeutsches Schrotblatt um 1460 enthält
und im übrigen die großen Stecher des sechzehnten und
siebzehnten Jahrhunderts in guten Drucken präsentiert, zum
Verkauf stellen; anschließend eine interessante Reihe meist
deutscher Zeichnungen aus dem neunzehnten Jahrhundert,
darunter geschätzte Kartons der Romantiker und Nazarener.

M. E.

Die deutsche Graphik der Sammlung C.Sachs, die ursprüng-
lich am 6. November mit bei Boerner versteigert werden
sollte, fällt auf Wunsch des Besitzers als Stiftung dem Bres-
lauer Museum zu.

DREISSIGSTER JAHRGANG, ZWEITES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. OKTOBER, AUSGABE AM 1. NOVEMBER NEUNZEHN-
HUNDERTEINUNDDREISSIG. FÜR DIE REDAKTION VERANTWORTLICH: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO
CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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