Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Roh, Franz: Der Zeichner Wilhelm Thöny
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0107

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WILHELM THÖNY, 18. BRUMA1RE. ZEICHNUNG

DER ZEICHNER WILHELM THONY

VON

FRANZ ROH

Man wird ihn schwerlich verwechseln mit dem Simpli-
zissimuszeichner gleichen Namens. Thöny (Graz) ist mit
Malereien hervorgetreten, von denen besonders einige Ver-
suche fesseln, die Nachtlandschaft zu gestalten. Noch über-
zeugender erscheint er aber als Zeichner. Er rechnet zu den
ganz wenigen Vertretern heutiger österreichischer Kunst,
denen niemals etwas Wienerisches, jenes dekorativ Verbind-
liche gefährlich wurde. Seine Bildform ist immer ursprüng-
lich bis zum Abrupten. Seine Zeichenkunst, die hier allein
besprochen sei, wurzelt eigentlich noch im Impressionismus,
wenn man diesen Begriff umfassend nimmt. Seine Bildform
will nicht als abgekapseltes Absolutum erscheinen, immer
will er das scheinbar Improvisatorische, das prozeßhafte Wer-
den und Vergehen in seinen Arbeiten ausdrücken. Auch hat
er das Zeug zu einem schnell zugreifenden Karikaturisten
und Satyriker, doch will er letzten Endes nicht festnageln
und entlarven, auch keinesfalls erzählen. Er versucht in-
mitten skizzenhaften Fixierens eines realistisch gesehenen
Augenblicks etwas dunkel Dämonisches zu packen. In seine

zittrigdünnen, erregenden Federstriche hängen sich schwere
Lavierungen ein, die das Gespinst der Zeichnung mit lasten-
den Dunkelmassen durchsetzen. Blanke Leerflächen wech-
seln mit dichtem Gewühle einer struppigen Faktur. Und ein
malerisches Auflösen der Helldunkelerscheinung wechselt —
in ein und derselben Arbeit — mit jähem, silhouettenartigem
Abbrechen der Figuration.

Thöny sollte mehr beachtet werden. Er ist charaktervoll
und dennoch niemals verfestigt. Seine Bildform ist ganz un-
theoretisch, sozusagen in feuerflüssigem Zustande. Thöny
wurde 1888 in Graz geboren, begann in München, zog sich
bald wieder nach Graz zurück, illustrierte Balzac (bei Georg
Müller), Dostojewski (bei Kurt Wolf), mußte während des
Krieges für sein österreichisches Regiment Gefangenentypen
zeichnen und trat dann mit sehr bewegten, zum Teil kühnen
Landschaftsmalereien hervor. Die Galerien von München,
Wien, Prag, Frankfurt, Graz besitzen Arbeiten von ihm. Er
gründete die Grazer Secession und unterhält einen Zeichen-
kurs an der Kunstschule seiner Stadt.

97
 
Annotationen