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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 2
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Sydow, Eckart von: Die Primitiven-Sammlung Eduard V. D. Heydt
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DIE PRIMITIVEN-SAMMLUNG EDUARD v.d. HEYDT

von

ECKART v. SYDOW

Die Hauptrolle von Privatsammlungen in unserer
museumsreichen Zeit ist in soziologischer
Hinsicht doppelter Art: Propaganda für neue, in
den öffentlichen Sammlungen noch nicht an-
erkannte Strömungen und dann die Verbindung
von Kunstwerk und Leben, wie sie in Galerien
so gut wie unmöglich ist. In unserer allgemach
vorurteilslos gewordenen Zeit ist der zweite Punkt
von besonderer Wichtigkeit. Wohl sorgt auch in
manchen Staatsgalerien die Veranstaltung wechseln-
der Ausstellungen für eine gewisse Veränderung,
aber die Rolle, die sie im gesamten Museums-
betrieb spielen, ist doch klein, gemessen an dem
großen Troß von Werken, die höchstens bei Zen-
tenarfeiern ihrer Meister den Platz ändern. Die
Aufnahme eines Kunstwerkes in ein Museum be-
deutet durchweg seine Distanzierung von der Um-
gebung, in der es geschaffen worden ist, und von
der Welt, in der wir zu leben gewöhnt sind. Dar-
um weht ein Hauch leicht fröstelnder Feierlich-
keit durch alle typischen Museumsräume, — er
entfärbt nicht nur so manches Kunstwerk, son-
dern auch uns selbst, die Betrachter. Die Aufgabe
der Privatsammlung liegt in der Umkehrung die-
ses Vorgangs: indem man das Werk in das all-
gemeine Auf und Ab des gegenwärtigen Lebens
einbezieht, hebt man seine Isolierung in weitem
Maße auf. Die fortwährenden Veränderungen, die
in der Sammlung eines leidenschaftlichen Kenners
stattfinden, sorgen für einen ständig sich ändern-
den Aspekt. Und die manigfach wandelnden Grup-
pierungen, in denen uns ein und dasselbe Werk
bald an dieser, bald an jener Stelle einer umfang-
reicheren Sammlung entgegentritt, lassen unmittel-
barer als sonst das Maß der Kräfte erleben, die
einem Kunstwerk von Rang innewohnen.

Diese Aufgabe gewissermaßen experimenteller
Art wird für Werke alter und neuer Kunst von
einer Reihe von deutschen Privatsammlungen er-
füllt. Nur auf einem Gebiet hat man sich im
Kreise deutscher Kunstfreunde einer ausgesproche-
nen Zurückhaltung befleißigt, und dies ist das
Gebiet der primitiven Kunst. Das ist eigentlich
überraschend. Denn die deutsche Literatur ist

reicher, als die eines anderen Volkes, an gründ-
lichen Werken und kürzeren Ubersichten über die
Kunst der Naturvölker. Dennoch hat sich das un-
leugbar große Interesse fast ausschließlich auf lite-
rarischem Gebiet betätigt. Den entschiedenen Mut
zum Ankauf afrikanischer, ozeanischer usw. Ar-
beiten haben nur wenige deutsche Sammler ge-
habt. An ihrer Spitze steht Baron Eduard von der
Heydt. Das Außergewöhnliche seiner Primitiven-
Sammlung wird freilich durch die Ortlichkeit ihrer
Aufbewahrung charakterisiert: Zandvoort in Hol-
land und Ascona im Süd-Tessin, — in dieser zum
deutschen Kulturkreis peripheren Position mag man
das Symbol des Exzeptionellen erkennen.

Gewiß ist auch in dieser Sammlung gelegent-
lich ein Anhauch von Musealität spürbar, so im
Zandvoorter Haus, in dessen Galerie ein Teil der
afrikanischen Masken aufgereiht steht. Aber der
vernehmliche Wellenschlag der nahen Nordsee sorgt
doch für eine Atmosphäre voll Lebendigkeit. Und
in Ascona, wo freilich nur eine kleine Anzahl
primitiver Werke ihre Heimat gefunden hat,
ändert sich unablässig die Kombination der Stücke.
Ein so lebendiges Fluktuieren, wie hier, ist nur
möglich, wenn die Qualität der Stücke beträcht-
lich ist. Und in der Tat darf man der Intuition
dieses Sammlers dankbar für die große Reihe her-
vorragender Stücke sein, die sich in seinem Besitz
befinden.

Die meisten Zentren der Neger-Kunst, in der
Hauptsache natürlich der sogenannte westafrikani-
sche Kreis, haben ihre Repräsentation gefunden.
Das Hinterland der Elfenbeinküste ist mit einer
Reihe schöner Masken vertreten, wie sie deutsche
Museen mit Ausnahme Münchens überhaupt nicht
besitzen.

Weniger umrangreich ist Kamerun vertreten. Es
mag sein, daß der bäuerische Einschlag, der im
Kameruner Grasland nur selten überwunden wor-
den ist, für den Sammler eine Hemmung bedeu-
tete. Immerhin enthält Ascona eine Maske von
seltener Grandiosität der Struktur und eine Statuette
von ungewöhnlicher Bewegungsdramatik, ein Uni-
kum ihrer Art.

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