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DER ALTERTÜMLICHE HEXASTYLOS IN PAESTUM

2 Joche beträgt, so verhalten sich auch die Frontpteren zu den
Seitenpteren wie 11 : 12.

Leider sind die Mafse des Oberbaus von Delagardette
und Labrouste widersprechend bekannt gegeben, so dass
man nur für eine oberflächliche Vergleichung daraus einiges
entnehmen kann. Vielleicht ist auch hier der mittlere Durch-
messer für die Proportion der Säule mafsgebend gewesen, denn
zu 1.27 m berechnet, kann er in einem klaren Verhältnis zu
den Intercolumnien der Front- und der Langseiten gedacht
werden, und es würde sich an den Fronten der mittlere Durch-
messer : Intercolumnium = 5 : G, an den Langseiten = 5:7 ver-
halten, and die Säulenhöhe (nach Labrouste G.48 m) wie so häufig
gleich dem fünffachen des mittleren Durchmessers sein. Aber
Delagardettes Mafs für die Höhe, G.ll m, weicht so bedeutend
von dem Labrousteschen ab, dass man vor einer zuverlässigeren
Untersuchung des Tempels von den Proportionsbetrachtungen des
Oberbaus überhaupt absehen muss. Es ist wirklich im höchsten
Grade wunderlich, dass von einem Gebäude, das so leicht zu-
gänglich ist, so oft besucht, so oft betrachtet und so gut be-
wacht wird, nicht einmal Mafse wie die Säulenhöhe oder der
obere Durchmesser mit einiger Sicherheit bekannt sind. Indes
vorläufig genügt der Grundriss dazu, dem Bau seine Stellung
am Ende der alten Periode anzuweisen. Er ist zwar in jener
schwankenden, vom Individuellen abhängigen Conceptionsweise

des alten freien Stils befangen, doch setzt er ihm in einer ganz
bestimmten Richtung, durch die Pointierung der Jochdifferenz,
die Krone auf. Damit hätte man allerdings niemals zu einer
Art des strengen dorischen Stils gelangen können, der auf
der Ausgleichung der Joche und des Triglyphon beruht. Aber
gerade die gewiss berechtigte Betonung der Verschiedenheit von
Front- und Langseiten und die bewusste proportionale Bindung
zwischen den beiden Hauptteilen der Peristase giebt dem Ge-
bäude den Charakter selbstbewusster Sicherheit, der durch die
eigentümliche ornamentale Ausbildung des Capitells eine be-
deutsame Steigerung erfährt. Vergl. übrigens S. 24.

Von einem Gesamteindruck des Tempels als eines Gebäudes
kann heutzutage kaum mehr die Rede sein. Da die Cella-
wände fehlen, sieht man durch die Säulenreihen hindurch, und
was man von den meisten ferneren Standpunkten aus wahr-
nimmt, ist ein Wald von 5G Säulen. Die Front erscheint breit,
aber durchaus nicht niedrig, die Säule selbst trotz der starken
Schwellung ausserordentlich zierlich; leider werden ihre unteren
Teile last überall von Farren und Dornengebüsch verdeckt.
Dringend erforderlich ist eine Aufräumung der Cella, damit die
innere Säulen Stellung bestimmt werden kann, ferner eine sorg-
fältige Ausgrabung der Umgebung, bei der die schmerzlich ver-
miesten Fries- und Gesimsreste gewiss herauskommen werden.
Der Raum hinter der Cella wird wohl ewig unklar bleiben müssen.

Der altertümliche Hexastylos (der sog. Cerestempel) und sein Altar.

TAFEL 3.

In demselben Geschmack wie der Enneastylos, aber tech-
nisch und formal wesentlich fortgeschrittener, ist der kleine nörd-
liche Tempel errichtet, ein Hexastylos, der gewöhnlich ohne
irgend einen Anhalt der Ceres zugeschrieben wird. Vor dem
Enneastylos hat er

heutzutage den
grofsen Vorzug, dass
er wenigstens an
den Giebeln einen
Teil des Frieses und
des Gesimses be-
wahrt hat und uns
diese Glieder in der
altpaestanischen, d.
i. vermutlich in der
altachaeischen Ver-
sion kennen lehrt.
Abgesehen davon
hat er durch die
alles vernichtende

Jahrhundert befunden hat; darnach waren seine Intercolumnien
vermauert, so dass er als Stall benutzt werden konnte, und
auch den vor seiner Front gelegenen Altar, über dessen
Trümmer weg jetzt der Weg zu ihm führt, hatte man einst

überbaut. Der Altai'
ist 1795, der Tempel
selbst 1805 von den
modernen Zuthaten
befreit worden. Ge-
wiss sind es solche
modernen, jetzt be-

Abb. 16. Der alterthümliche Hexastylos in Paestum
von Südwest.

Zeit doch zu sehr gelitten, als dass wir ihn vollständig recon-
struieren könnten, noch mehr freilich hat er in der Beurteilung
der Neueren infolge unsinniger Publicationen zu leiden gehabt.
Es ist wichtig, dass aus einer Notiz bei Ruggiero a. a. 0.
459 hervorgeht, in welchem Zustand sich der Tempel im vorigen

seitigten Verunstal-
tungen gewesen, die
den sonderbaren

ady ton artigen
Grundriss der Cella,
wie ihn Paoli bietet,
veranlasst haben.
Aus Paoli wieder-
holen ihn Delagar-
dette und auch Labrouste, obgleich der letztere nichts davon
gesehen hat, und dass wirklich Modernes daran gewesen ist,
bezeugt Delagardette. Majors Gewährsmänner hatten diese
Einbauten mit richtigem Takte ganz und gar unberücksichtigt
gelassen.
 
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