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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Ein Landhaus bei Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0230

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DAS GARTENTOR

EIN LANDHAUS BEI LEIPZIG

DIE Umgebung Leipzigs ist trotz der Größe
und des Reichtums der Stadt nur mit wenigen
künstlerischen und originellen Landhäusern
umkränzt. An tüchtigen und geschmackvollen Archi-
tekten und Kunsthandwerkern fehlt es dabei nicht;
auch nicht an landschaftlich schönen und verhältnis-
mäßig leicht zu erreichenden Gegenden. —

Das Sommerhaus, von dem wir hier eine Reihe
von Abbildungen veröffentlichen, liegt in Lindhardt,
einer kleinen Villenkolonie, die inmitten großer und
frischer Waldungen eingebettet ist. Erbaut wurde das
Haus 1907/8 nach den Plänen des Regierungsbau-
meisters Ludwig Hirschfeld in Berlin, nach dessen
Entwürfen auch das Innere gestaltet wurde.

Das Haus steht inmitten eines Gartens. Unter
Benutzung alter Bestände ist er so angelegt, daß links
vom Eingangswege ein wilder Bauernblumengarten
mit Obstbäumen, rechts im engen Anschluß an das
Haus große, wellig bewegte reine Rasenflächen, die
von einzelnen Baumgruppen begrenzt und gegliedert
werden, Abwechselung bieten. Im Anschluß an den
Küchenaufgang liegt der Gemüsegarten; daneben,
hinter dem Hause, der Wirtschaftshof.

Die Lage inmitten des Gartens hat auch die archi-
tektonische Lösung beeinflußt. Es ist von der für
das moderne Einfamilienhaus ziemlich allgemein ge-
wordenen Form - - Erdgeschoß als längliches Recht-
eck und gleich darüber das Dach in gebrochener
Umrißlinie mit bewußter Absichtlichkeit abge-

wichen worden. Denn in diesem Typus, so praktisch
er auch ist, liegt doch die Schwäche, daß das Haus
eine ausgesprochene Beziehung zur Straße erhält und
daß sich eine zugleich einheitliche wie malerische
Wirkung schwer erreichen läßt. Allzuhäufig er-
scheinen bei diesen Häuschen Erker, Log-
gien usw. nur angesetzt, nicht innig mit dem

Kunstgewerbeblatt. N. F. XIX. H. 12

Hauptkörper verbunden. Nun schaue man einmal
dagegen an, wie der Architekt unseres Hauses Fassade
und Dach zu einer inneren Einheit verschmolzen hat;
wie das Haus aus dem Boden wächst, wie das Dach
jeder Wendung der Mauerarchitektur folgt, wie es
wirklich die Krönung und Vollendung des Hauses
ist und wie reizvoll straff und gedrungen in immer
neuer perspektivischer Verschiebung sich der ganze
Baukörper von den verschiedenen Seiten präsentiert.
Aus den Abbildungen ist ferner ersichtlich, wie es
durch geeignete Terrainbewegung gelungen ist, einer-
seits die im Keller gelegenen Räume, wie Wasch-
küche, Motorraum usw. zu belichten und wie andrer-
seits durch die ebenerdige Lage der offenen Halle
die innige Verbindung von Haus und Garten ge-
wahrt ist.

Das Haus ist nach den Himmelsrichtungen über
Eck gesetzt und zwar so, daß die pralle Mittags- und
Nachmittagssonne nur auf den Korridoren und den
Nebenräumen liegt; wogegen die Schlafräume Früh-
sonne haben. Die Stufen des Haupteingangs führen
über eine kleine Vorhalle in den ganz weiß gehaltenen,
mit Matten bespannten Garderoberaum. Ein Wind-
fang schließt ihn ab gegen den rückwärtigen Raum
des Korridors, in welchen Kücheneingang, Küche und
Treppenhaus münden. Von der Garderobe aus betritt
man die Wohnräume. Hier ist dem Architekten eine
besonders geschickte und überraschende Lösung ge-
lungen: die Eingangstür in die Diele liegt nämlich
genau in der Achse des großen Rundfenster-Ausbaus
vom Eßzimmer. Diele und Eßzimmer sind aber so
miteinander verbunden, daß man nach Belieben beide
Räume zusammenziehen oder durch einen Vorhang
trennen kann. Da die Fenster des Eßzimmers fast
bis zum Erdboden heruntergehen, so wird man also
beim Eintritt in die Diele durch einen im Hinter-

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