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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 19
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Avenarius, Ferdinand: Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0303

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Lrstes Iulibekt 1896.

-B

1S. Dekt.


Derausgeber:

zferdinand NvenarLus.

Bezugspreis:

^ Vierteljährlich 2>/e Mark.

s. Zakrg.

Auge n d.

s ist nicht lange her, da sandte mir unser
^ Münchner Mitarbeiter Paul Schultze-Nanm-
burg einen Bericht über die beiden neuen
Zeitschristen „Jugend" und „Simplicissimus". Der
Kunstwart ist keine Lobesoersicherungsanstalt, noch
ist es ihm unerhört, daß einer seiner Mitarbeiter
gegen den andern auftritt. Jch schrieb Schultze-
Naumburg: lassen Sie mich mit dem Abdruck warten,
bis ich Jhnen ein wenig opponieren kann, und ihm
war's recht. Jetzt erlaubte unser Raum dieses Wort-
gesecht eher, aber zu einem eigentlichen Opponieren
ist mir die Lust vergangen; je länger ich öie Blätter
verfolge, je mehr stimme ich Schultze-Naumburg im
allgemeinen zu, und je mehr ich die Schwierigkeiten
solcher Unternehmungen erwäge, je mehr sehe ich ein,
daß man durch viele Aussetzungen im einzelnen den
Leitern Unrecht thäte. Dazu aber mögen die Blätter
Anlaß geben, einmal ganz im allgemeinen nachzu-
sehen, ob wir alle nicht den Begriff „Jugend" in der
Kunstbetrachtung mit zu wenig Kritik verwenden.

Nun spreche zunächst unser Münchner Arbeits-
genosse:

„Mit die wichtigsten Dokumente des modernen Kultur-
lebens sind unsere Z e it s ch r i s t e n. Alles aus Erden
wird alt; die Zeitschristen und Blätter, aus deren Anfänge
jeder Historiker zurückgreifen mutz, veröden und sterben ab,
nur wenige erscheinen in neuem Gewande und zweiter
Jugend. Aber der natürliche Gang der Dinge schafst sich
stets.selbst den Ausweg; wo in der Natur eine Oeffnung
verstopft ist, bildet sich daneben eine neue. Verschlietzen

die alten Blätter ihre Spalten den berechtigten Aeutzerungen
eines jüngeren Geschlechts, so sind sie ihre eigenen Toten-
gräber. llnd mögen die jungen Konkurrenzunternehmen
noch so sehr über ihr Ziel hinausschießen, so haben sie
doch hundertmal mehr Lebenskraft und Wert aufzuweisen
— haben sie doch eines für sich: goldene Jugend.

So ein neues Unternehmen ist die junge Zeitschrist,
die Di-: Hirth und Fritz von Ostini jetzt herausgeben und,
um kurz und bündig zu sagen was sie sollte, die »Jugend«
tauften. Jhre Gründung war eine Notwendigkeit; man
wutzte, datz sie irgendwo austauchen mußte, denn, um mein
altes Bild zu gebrauchen, die bestehenden Leitungen waren
verstopft und eine Schar von Aeußerungen suchte nach
einem Ausweg. Zwischen das abgeschmackte Gewäsch der
Familienblätter platzt nun frisch und wohlgemut, hie und
da etwas aneckend und des öfteren etwas unfertig, dieser
junge Gesell. So allein will und darf die »Jugend« betrachtet
werden. Setzt sich ein giftiger Schreibergesell in seine
Dornenhecken hin, um splitterrichtend über sie herzufallen,
nun, so sindet er genug, worüber er seine Galle ergießen
kann. Aber für uns kommt es auf das Wesen der
Sache an. llnd da kann man sich zu diesem Blatt, dessen
Programm Programmlosigkeit ist, schon gratulieren; ein
Tummelplatz für jugendliche Kräfte sollte sie werden, ein
künstlerisches Rendezvous für all die srischen, noch unab-
geschlossenen Bestrebungen, sür die der Philister sich be-
danken würde, bekäme er sie alle Wochen einmal vorgesetzt;
ein Organ für die Jungen und die jung gebliebenen Alten
coMi-a die Alten und die alt aus die Welt gekommenen
Jungen. llnd vor allem sehlt vor ihr ein Gefühl ganz,
das man sonst vor so manchen neuen llnternehmungen
hat: wieder mal so eine Spekulation aus das p. p. Publikum,
das möglichst billig mit breiten Bettelsuppen gefangen
werden soll. Das Blatt erscheint viel mehr als fröhlicher
 
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