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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Schmid, Andreas: Kunstkritik
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Cremer, Franz Gerhard: Unsere Künstler und das öffentliche Leben, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0202

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307

1906.— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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licht findet und seinen Nachkommen den
gleichen Genuß bereiten möchte. Und da-
neben bleiben Verkauf und Erwerbung eine
rein geschäftliche Angelegenheit, die sich von
dem Kaufe oder der Anschaffung eines Ge-
schmeides oder kostbaren Juwels in nichts
unterscheidet: was der eine zu geben still-
schweigend verspricht und der andere ganz
selbstverständlich zu empfangen erwartet, sind
hier: Haltbarkeit, Un Veränderlichkeit der
Farben auf dauerndem Grunde! kurz, volle
Solidität des Werkes in des Wortes umfassendster
Bedeutung. Diesen Forderungen zu genügen
verlangt also einerseits die Ehre des Künstlers,
andererseits das geistige und materielle Inter-
esse, welches der Käufer in Acht genommen
zu sehen erwarten darf!

Die Auffassung, daß die Haltbarkeit der
Farben Ehrenpflicht des Malers sei, hatte
auch Dürer, woran zu erinnern ich nicht
unterlassen will, weil es Kreise gibt, die in
der Beschränktheit ihrer Exklusivität künst-
lerische und kaufmännische Interessen zu ver-
binden für ausgeschlossen halten. Und in
dem, was Dürer tat, folgte er den Alten, auf
die er mit der größten Verehrung hinblickte,40)
und die ihm Leitstern und Endziel in der
Kunst waren und blieben! Unser Altmeister
Albertus Durerus wußte recht wohl, was Plinius
von Protogenes berichtet, wo er sagt: „Unter
seinen Gemälden gebührt der Preis dem
Jalysus, welcher sich zu Rom befindet und
im Tempel des Friedens geweiht ist. — An
dieser Malerei trug er zum Schutze gegen
Beschädigung und Alter die Farbe vierfach
auf, damit, wenn die obere verschwinde, die
untere hervortrete . . .". Hätte dies wiederholte
Übermalen keinen anderen Zweck gehabt,
als das Bild auch bei mechanisch erfolgendem
Schleißen länger zu erhalten, dann stände
Protogenes ja mit dem Anstreicher auf einer
Stufe, der einen Hausgiebel mehrmals über-

*°) Im Jahre 1513 schreibt Dürer „über die große
Kunst des Malens" (Thaus. »Dürer«, S. 519) und
erwähnt etliche berühmte Maler: Phidias, Apelles,
Parrhasius usw., „deren einige ihre Kunst beschrieben
und zumal kunstvoll angezeigt und klar an den Tag
gebracht haben; doch sind ihre löblichen Bücher
uns bisher verborgen und vielleicht gar verloren ge-
gangen . . ., was da billig zu beklagen ist von einem
jeglichen weisen Mann . . Ich habe oft Schmerzen,
daß ich der vorgenannten Meister KunstbUcher be-
raubt sein muH; aber die Feinde der Kunst ver-
achten diese Dinge.''

streicht. Hier aber bedeutet das Übermalen
die Erzielung einer höheren Vollendung und
es ist wichtig, daß uns gerade hierzu eine
Parallelstelle von Dürers Hand erhalten ge-
blieben ist, dessen Ölbilder eine eben so hohe
Vollendung wie Erhaltung zeigen. Dürer, in
der Ölfarbentechnik nicht übertroffen, läßt uns
das Tun, das Verfahren des Protogenes in
anderem Sinne verstehen, als dies Plinius oder
dessen Berichterstatter zu erkennen geglaubt
hat. Dürer schreibt nämlich unter dem
24. August 1508 an Jakob Heller: „. . . Die
Flügel sind von außen mit Steinfarben aus-
gemalt, aber noch nicht gefirnißt und innen
sind sie ganz untermalt, damit man darauf
anfange, auszumalen . . .; auch ist es mit
zwei gar guten Farben unterstrichen, daß
ich daran anfange zu untermalen. Denn
ich bin Willens, wenn ich Eure Meinung ver-
nommen haben werde, etliche vier- bis
fünf- und sechsmal zu untermalen,
der Klarheit! und Dauerhaftig-
keit! wegen . . ."

Und wiederum schreibt Dürer unter dem
26. August 1509: „. . . denn ich habe sie
(die Tafel) mit großem Fleiß gemalt, wie ihr
sehen werdet. Sie ist auch mit den besten
Farben gemacht, die ich nur habe bekom-
men können. Sie ist mit gutem Ultramarin
unter-, über- und aufgemalt, etwa fünf- oder
sechsmal, und da sie schon fertig war, habe
ich sie nachher noch zweifach übermalt, auf
daß sie lange Zeit dauere. Ich weiß, wenn
Ihr sie sauber haltet (das klingt nicht nach
mechanischem Schleißen), daß sie fünf-
hundert Jahre sauber und frisch sein
wird . . ,"41)

Dürer sprach aus vollster Überzeugung,
denn diese konnte er auf Grund wissenschaft-
licher Erkenntnis und darauf gegründeter
empirischer Versuche — (wie man diese in
Proben und Gegenproben auch bei mir sehen
kann) — gewonnen haben. Den Beweis der
Wahrheit dafür erbringt er uns in seiner An-
betung der heil, drei Könige vom Jahre 1504
in der Tribuna der Uffizien zu Florenz ! ! !
Dieses Bild — eines der innigsten, „liebens-
würdigsten" Gemälde des Meisters, voll „poeti-
scher Züge", mit schöner Landschaft und in
warmer, harmonischer Farbe, wie wir bei

41) Man sehe Näheres bei Crem er »Studien zur
Geschichte der Ölfarbentechnik« (Düsseldorf, 1895),
S. 12 u. w.
 
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