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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Schmid, Andreas: Kunstkritik
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Cremer, Franz Gerhard: Unsere Künstler und das öffentliche Leben, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0203

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309

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

310

Dr. Th. Gsell-Fels42), Seite 1167 lesen, er-
scheint nun nach vollen „vierhundert" Jahren
wie eine der tadellosesten und schönsten
Goldlack-Arbeiten der Japaner; es ist geradezu
von staunenswerter Klarheit und von einer
verblüffenden Erhaltung.

Zu den Aussprüchen eines Plinius und
Dürer wollen wir auch noch die kurze Be-
merkung eines unserer hervorragendsten
Forscher fügen und damit gleichzeitig einer
Ehrenpflicht genügen, welche die Kunstwelt
und die Verehrer der Kunst Max von Petten-
kofer schulden. In seiner die Welt über-
raschenden Publikation: „Über Ölfarbe und
Konservierung der Gemälde-Galerien durch
das Regenerations-Verfahren" (Braunschweig,
Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn, 1872)
beginnt der Genannte den ersten Abschnitt
mit den Worten: „Allgemein hört man die
Klage, daß der Stoff, woraus der Maler seine
Kunstwerke bildet, so vergänglicher Natur ist,
daß ihm gegenüber der Bildhauer um den
Marmor zu beneiden wäre, wodurch wohl
Werke von Phidias, aber keines von Zeuxis
und Apelles auf unsere Zeit gekommen.

Das ist allerdings eine Tatsache, aber
keine, welche notwendig oder unvermeidlich
erfolgen mußte. Gleichwie die meisten Kunst-
werke des Altertums trotz ihres dauerhaften
Materials doch völlig vernichtet und nur wenige
erhalten worden sind, könnten Ölgemälde auf
uns gekommen sein . . ., wenn man sie ge-
hörig konserviert hätte. Gewöhnlich glaubt
man, die Unmöglichkeit, der Ölmalerei die
Dauer des Marmors zu geben, sei natur-
notwendig darin begründet, daß ein großer
Teil der stofflichen Grundlage diqser Kunst
aus dem Reiche der organischen Natur stamme,
deren Erzeugnisse — wenn auch langsamer
und schneller — zuletzt doch immer und unver-
meidlich von Luft und Licht verzehrt werden.

Dem läßt sich entgegenhalten, daß wir
die Bestandteile der Ölmalerei einzeln oft
ziemlich unversehrt noch aus den ältesten
Zeiten stammend vor uns haben. Die mit
Cedernharz getränkten Baumwollgewebe der
ägyptischen Mumien sind älter als die Marmor-
werke des Phidias. Das Bernsteinharz und
manchmal in ihm unversehrt eingeschlossene
Insekten und Pflanzenteile sind sogar älter
als jede Kunst des Menschen. Die ägypti-

42) »Mayers Reisebücher« — „Ober-Italien"
(Leipzig, 1875).

sehen Gräber zeigen uns ferner, daß auch
viele Farben auf hölzernen Särgen und Papyrus
dieselbe Dauer besitzen. Es handelt sich also
gewiß nur darum, zu wissen, unter welchen
Umständen Ölgemälde auf Leinwand oder
Holz ausdauern, unter welchen sie zugrunde
gehen . . .!"

Diese Worte v. Pettenkofers lauten tröst-
licher als jener Schluß Prof. Ostwalds, wo er
die chemisch-physikalische Seite sämtlicher
Techniken behandelt und dann — die Flinte
ins Korn werfend — zu dem Schlüsse ge-
langt, daß die Pastellmalerei die einzig rich-
tige sei. Eine solche Äußerung wollen noch
dürfen wir unerwidert lassen, weil das un-
zeitige Verlassen der durch Jahrhunderte hin
mit größtem Erfolge geübten Ölmaltechnik
einer geistigen Bankerotterklärung wahrlich
nur allzu ähnlich ist!

Da weiterhin der Bericht der „Düssel-
dorfer Neuesten Nachrichten" mit der wirklich
traurigen Rundschau Ostwalds über die in
öffentlichen Gebäuden und privaten Häusern
ihrem Untergang entgegengehenden Bilder
der allerneuesten Zeit eine Art Appell
an die Künstler verbindet und an die Ge-
wissenspflicht mahnt, gleich den alten
flämischen Meistern wieder Werke für ein
halbes Jahrtausend zu schaffen, so sind wir
voll berechtigt, der „modernen Schulung"
unsere ganze Aufmerksamkeit zu schenken!
Es ist gar keine Entschuldigung, daß der so-
genannte „moderne Künstler" nur auf die künst-
lerische Wirkung Bedacht nehme, denn der
Käufer — sagt sehr richtig der Berichterstatter
— denkt nicht an die rasche Vergänglichkeit
des Werkes. Es fehlt demnach bei dieser
neueren Schulung am Allernotwendigsten: an
der Herzensbildung, die nur durch streng
wissenschaftlichen, auf religiösem Boden be-
ruhenden Unterricht erreicht wird.

Wohin ich mich nun immer wende, stets
höre ich die Kunst etwas Göttliches nennen.
Daher der Aufruf Senecas:43) „Laßt uns den
Göttern folgen, soweit die menschliche Schwäche
es gestattet"; (De benefieiis lib. I, 1, 9.) und
die weitere Mahnung: „Soweit es möglich ist,
bilde in dir die Gottheit nach" (De vita beata
16, 1,9.); und zum andern Male fragt er:
„Was ist hochherrlich ?" und antwortet darauf:

43) »Seneca-AIbum«. — ..Weltfrohes und Welt-
freies aus Senecas philosophischen Schriften " Von
B. A. Betzinger. (Freiburg im Breisgau, 1899.)
 
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