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Krumm, Carolin; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hasefriedhof in Osnabrück: der Friedhof als Garten ; zur Entstehung, Konzeption und Entwicklung des Osnabrücker Friedhofes in der Hasetorvorstadt — Hameln: Niemeyer, Heft 19.2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51268#0034
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Die Osnabrücker Hasetotenhöfe
im Vergleich
Entgegen den Erwartungen, die sich angesichts der gartenhisto-
risch bedeutenden frühen Friedhofsanlagen von Dessau und
Herrnhut erheben, bleiben detaillierte, archivalische Quellen aus-
wertende Aufarbeitungen zu diesem Themenbereich selten. Zwar
wird in der Regel die Entwicklungsgeschichte der Plätze erfasst,
ohne dass jedoch konkrete Aussagen zur Begrünung des Areals
oder aber der Grabstätten zum festen Bestandteil der Bearbeitung
gehören würden. Eine Ausnahme repräsentieren oftmals ggrten-
denkmalpflegerische Pflegekonzepte, denen jedoch nicht immer
eine tiefgreifende Quellenrecherche zugrundeliegen kann; der Ver-
gleich mit zeitgleichen Anlagen wird damit erheblich erschwert.
„Anlagen und Pflanzungen" auf Friedhöfen
(F.L. v. Sckell 1825)
Durch die obligatorisch zitierten Textstellen in v. Goethes Wahlver-
wandtschaften, aber auch durch zahlreiche unbekanntere Quel-
len196 bestärkt, wird allzu schnell das ästhetisch ausgereifte Bild
blühender Gärten auf die Friedhöfe des frühen 19. Jahrhunderts
übertragen, ungeachtet dessen, dass J. M. Voit erst 1825 Empfeh-
lungen über „die Anlegung und Umwandlung der Gottesäcker in
heitere Ruhegärten der Abgeschiedenen" resümierte und F. L. v.
Sckell im gleichen Jahr die bereits als Mauergevierte aus dem
Acker ausgegrenzten Begräbnisplätze als „lieblose und sogar von
der Natur selbst vernachlässigte Orte"’97 beschrieb:
„Es schmerzte mich daher oft recht tief, so viele Kirchhöfe198 zu
sehen, für die die Kunst doch gar nichts gethan hatte, und die
nichts anders, als ein Stück Feld, von einer hässlichen Mauer
umgeben, mit einem schwarz angestrichenen und eben so hässli-
chen Thore geschlossen, und mit geschmacklosen schauerlichen
Behältern der Knochenreste versehen, dargeboten; auf solchen
lieblosen und sogar von der Natur selbst vernachlässigten Orten,
wo sie keinen Baum, keinen Strauch, keine murmelnde Quelle,
keine Trauerweide erscheinen lässt, wo der Gesang der Vögel ver-
stummt, wo keine Bänke, ja nicht einmal ein Weg, [...] bestehet,
ohne dass er sich genöthigt findet, über Gräber zu stolpern, und
die Grenze, die diesen die Liebe wand, zu zertreten; da werden
die Menschen begraben!"
Angesichts dieses offensichtlich noch mancherorts dominieren-
den Missstandes bzw. augenfälligen Mangels an gärtnerisch-
gestaltenden Maßnahmen entwickelte er eine Reihe von Empfeh-
lungen, nach denen „...die einfachen Gräber mit Blumen..." zu
schmücken und als wirkliche „...Blumenbeete und nicht mehr als
schauerliche, formlose Grabhügel..." anzulegen als auch „...hin und
wieder Ruhebänke..." anzubringen seien, „...um die vom Schmerz
Ermatteten aufzunehmen...". Damit sollte dem Friedhof der Cha-
rakter eines Gartens zukommen, damit der „schauerliche Charak-
ter in ein heimliches mildes Bild" (§1) verwandelt werden könne.
Bereits nach Aufzählung dieser wenigen, recht allgemeinen
Leitsätze wird deutlich, dass sich auf dem ersten, dem sog. alten
Osnabrücker Todtenhof vieles von dem von v. Sckell Kritisierten als
auch den als vorbildlich angepriesenen Empfehlungen wiederfin-
det: Neben der dunklen abweisenden Mauer hielt er an den tradi-
tionellen schwarzgestrichenen Toren ebenso fest, wie es ihm
zugleich an Ruhebänken, Plätzen, Quellen, Trauerweiden oder
überhaupt baumartigen Pflanzungen mangelte, die für v. Sckell
der Inbegriff eines schönen Friedhofes waren. Von der Liste der
angepriesenen Sträucher und Bäume199 wurde nur ein Teil und die-
ser auch erst wesentlich später angesetzt, wobei es sich hierbei
allerdings wiederum um die typischen Friedhofsgewächse roman-
tisch-elegischen Stils, d.h. meist um Hängeformen von dunklem
Habitus200 handelt (Betula alba, Carpinus betulus, Fraxinus excelsi-
or pendula), die v. Sckell eigentlich weitestgehend ausgeschieden

bzw. durch helle Beipflanzungen aufgelockert wissen wollte (§ 3);
einzige Ausnahme repräsentiert die auch auf dem Hasefriedhof
bereits früh gesetzte „freundliche Linde". Tatsächlich scheint v.
Sckell bei dieser Auflistung ganz von seinen Vorlieben zur Gestal-
tung von großzügigen Landschaftsparks geleitet worden zu sein,
denn hier wie dort finden sich die gleichen Arten201. Von eigens
für Friedhöfe entwickelten, auf den Zeitgeist des frühen 19. Jahr-
hunderts abgestimmten Überlegungen kann daher kaum die Rede
sein, sondern vielmehr von der für v. Sckell so charakterischen Vor-
liebe für die helle Pyramidenpappel. Demzufolge ist es auch wenig
erstaunlich, dass seine Empfehlungen zur Bepflanzung rein theore-
tischen Charakters sind und auch in Osnabrück ungehört bleiben.
Anders verhielt es sich bei den Anregungen zur architektoni-
schen Gestaltung und der Flächengliederung, von denen sich et-
liches auch in Osnabrück umgesetzt findet. So zierte die friedhofs-
eigene Wagenzufahrt das geforderte „allegorische Basrelief" (§ 4),
das heitere urjd „sinnliche Bild des Todes" anstelle des erschrecken-
den Knochenmannes, entlang der Mauer waren Gräber für „Denk-
mäler oder auch nur schöne Grabsteine oder Urnen u.s.w. mit
Inschriften" (§ 3) ausgeschieden, die Binnenfläche wurde „in meh-
rere reguläre Felder, halb in Quadrate, oder längliche Vierecke ein-
getheilt" (§ 4), um auf diesen alljene zu bestatten, „die keine
öffentlichen sichtbaren Zeichen des Andenkens erhalten", obgleich
Hinweise auf „Blumen oder aromatische Gewächse" fehlen. Deut-
liche Abweichungen zeigen sich dementgegen in der Wafil der
äußeren Bepflanzung, die nach v. Sckell als „ein 30 Fuß breites
Gebüsch [...] vorzugsweise aus vaterländischen Arten" (§ 13)
angelegt werden sollte, welches die Mauern verdecke und darüber
hinaus nicht parallel zu dieser verlaufe; nur so sei zu gewährleisten,
dass ein schöner „Luftwald" entstehe, „der auch seinen Umgebun-
gen zu einer wahren Zierde dienen müsste, wenn auf diese Weise
das Schauerliche hinter ein trauliches Bild versteckt werden
würde".
Historische Friedhofsanlagen in Hamburg und Berlin
Vor allem im Vergleich mit den Hamburger frühen Friedhöfen der
Zeit um 1800 fällt der Osnabrücker Hasetotenhof als ausgespro-
chen schlichter, nur in seinen Randbereichen gärtnerisch gestalte-
ter Begräbnisplatz auf. Hier sind es v.a. die zeitgenössischen Reise-
und Ortsbeschreibungen, die schon vor 1800 von gartenähnlichen
Totenhainen vor den Toren Hamburgs berichten. Demnach waren
fast alle dieser als Mauergevierte angelegten Plätze202 bald von
dichten Pflanzungen umzogen, ohne dass hierbei allgemeinver-
bindliche Vorstellungen oder gar Vorschriften vorgeherrscht zu
haben scheinen. Zwar plädierte der Domherr Friedrich Johann
Lorenz Meyer 1794 dafür, „...die angelegten Begräbnissplätze mit
diesem malerisch schönen Baum [italien. Pappel; Anm. d. Verf.) zu
umpflanzen..."203, doch wurden gleichermaßen auch Ulmen und
Linden204 sowie verschiedene Arten an Dornenhecken (Dammtor-
friedhöfe) versetzt205,' wobei die Umhegung in lockerer Abfolge,
einfacher Reihung oder aber in Form von Alleen206 erfolgen konn-
te. Alleen akzentuierten auch das Innere der Friedhöfe, indem sie
dem charakteristischen Wegekreuz folgten. Selten, aber früh fin-
den sich Hinweise zur Bildung malerischer Baumgruppen und v.a.
in dem o.g. Vortrag des Domherrs F. J. L. Meyer (1794), der expli-
zit die Anpflanzung der italienischen Pappel „...in einzelnen Grup-
pen auf die Plätze selbst, mit anderen Bäumen vermischt, zu set-
zen, und die Zugänge damit einzufassen..." empfiehlt, da somit
„...die charakteristische Ansicht dieser Plätze sehr gewinnen
würde..."207. Zwar verzeichnen auch die Rechnungsbelege des
St. Katharinen-Friedhofes eine ganze Anzahl von Baumsorten, die
wohl als Solitäre bzw. als Bäume in dekorativen Baumgruppen,
kaum aber als Alleebäume denkbar sind, allerdings fehlen konkre-
te Hinweise, die eine solche eher landschaftliche Gestaltung durch
Bildung ausschmückender Baumgruppen untermauern würden208.
Im Vergleich mit dem gängigen Erscheinungsbild historischer Fried-
höfe und auch der historischen Vegetation der Hasetotenhöfe

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