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Krumm, Carolin; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hasefriedhof in Osnabrück: der Friedhof als Garten ; zur Entstehung, Konzeption und Entwicklung des Osnabrücker Friedhofes in der Hasetorvorstadt — Hameln: Niemeyer, Heft 19.2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.51268#0037
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Grabmäler, Dekor und Symbol
Die Belegungen
Als man am 21. März 1808 die erste Beisetzung auf dem neu
angelegten ersten Hase-Totenhof vollzog, war dies der Beginn
einer über lange Jahre konsequent eingehaltenen Entwicklung.
Denn mit der Bestattung des Land- und Justizkanzleidirektors Dr.
Justus Friedrich August Lodtmann in der Südwestecke der ersten
Abteilung begann eine feste Folge erstrangiger bzw. vornehmer
Bestattungen entlang der Mauerzüge der einzelnen Friedhofsge-
vierte. Zwar war an diesem Märztag des Jahres 1808 kaum etwas
vom neuen Friedhof, noch von vornehmen Bestattungsplätzen zu
sehen; dennoch war es in Osnabrück - wie auch in anderen Städ-
ten üblich - vorgesehen, die führenden Familien der Stadt in soge-
nannten Erbbegräbnissen entlang der Mauern, niedrigere gesell-
schaftliche Schichten jedoch in Reihengräbern im weitläufigen
Binnenbereich zu bestatten. Die straffe Bestattungstradition
beschreibt sehr treffend die allerdings wesentlich später datieren-
de, in Osnabrück archivierte Begräbnis-Ordnung für die städti-
schen Friedhöfe in Dortmund (1875)230, die allerdings nur Erb-
begräbnisse benennt: „Erbbegräbnisse zerfallen in 2 Klassen.
Erbbegräbnisse I. Klasse werden unmittelbar an den Wegen, Erb-
begräbnisse II. Klasse in zweiter Reihe hinter den Erbbegräbnissen
I. Klasse an den Wegen der Begräbnisplätze ausgewiesen und
können nicht beliebig gewählt werden" (§ 11).
Ein Blick über die zwei ältesten Abteilungen des Friedhofes
bestätigt, dass es sich bei den hier Bestatteten vorwiegend um
Mitglieder reicher oder alteingesessener Familien, politisch und
gesellschaftlich bedeutende Persönlichkeiten oder aber wohlha-
bende Berufsgruppen231 handelt, während sozial niedriger rangie-
rende Gruppierungen fast völlig fehlen. So wurden auf den ersten
vier Abteilungen zum überwiegenden Teil Kaufmannsfamilien,
aber auch Räte, Senatoren und Domherren sowie Rektoren, Medi-

ziner und Apotheker bestattet, wobei man auch abseits der Mau-
ern keine Gräber von Handwerkern oder aber Bauern antrifft, die
jedoch nachweislich zur Finanzierung dieser Erstanlage beigetra-
gen haben. Schriftwechsel belegen, dass namentlich die katholi-
sche Bauernschaft der umliegenden Ortschaften gleich zu Beginn
der Friedhofsanlage finanziell veranschlagt wurde, wobei man ihr
im Gegenzug zu dieser finanziellen Beteiligung den Städtern
gleichgestellte Rechte auf Bestattungen auf dem Hasefriedhof
zusicherte232; offensichtlich wurden diese Rechte jedoch gerne und
immer wieder hintergangen233. Dass heute massive Grabmale o.ä.
als Hinweise auf Bestattungen dieser Bevölkerungsgruppe jedoch
völlig fehlen, erklärt sich höchstwahrscheinlich aus ihrer Beisetzung
im kostengünstigeren Binnenbereich, der sog. Verwesungsfläche,
wo - wenn überhaupt - nur kleine, hölzerne Grabmale gestattet
waren, von denen sich in der Regel jedoch kaum etwas erhalten
hat. War eine Belegzeit abgelaufen, so wurde das Grabmal ent-
fernt und das Reihengrab zur Neubelegung freigegeben. So blei-
ben im gesamten Innenbereich früh datierende Gräber aus. Ent-
lang des Hauptwegekreuzes setzen sie erst gegen 1890 ein, zu
einer Zeit also, wo das hierarchisch gestaffelte Begräbnissystem
gewiss weniger straff, wenn nicht ganz aufgehoben war; nun
wurde auch ein Restaurator oder ein Dachdeckermeister am
Wegesrand akzeptiert.
Wie für die erste Abteilung im Einzelnen dargelegt, so ist diese
Bestattungstradition von hochstehenden Persönlichkeiten entlang
der Mauern und niedriger rangierenden, inschriftlich zumeist nicht
überkommenen Bestattungen im Innenraum auch für alle anderen
Abteilungen verbindlich; allerdings nimmt die Konsequenz der
sozialen Hierarchie zunächst kaum spürbar (Abt. III), deutlich
jedoch in der fünften Abteilung ab, wo man entlang der Mauern
auch Tagelöhner neben Senatoren bestattet findet oder anders-
herum einige Ratsherren im weniger repräsentativen Binnenfeld:
Dieser Trend erklärt sich vermutlich auch aus der sich wandeln-
den Berufsstruktur, die im Zuge der Industrialisierung auch einige
früher weniger angesehene Tätigkeiten zu einigem Wohlstand


33 Am Lindenrondell der fünften Abteilung dominiert bereits der Eindruck einer natürlichen Parklandschaft - nur der flache Mauerzug hinter den
Linden lässt erahnen, dass sich der Besucher hier noch in einem klassischen Ruhegarten befindet.

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