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Krumm, Carolin; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hasefriedhof in Osnabrück: der Friedhof als Garten ; zur Entstehung, Konzeption und Entwicklung des Osnabrücker Friedhofes in der Hasetorvorstadt — Hameln: Niemeyer, Heft 19.2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51268#0027
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Die architektonische und
vegetabile Ausgestaltung
der Friedhofsanlage
Dekorative Friedhofsbauten
Neben dem schlichten, als Gerätehaus genutzten sog. Totengrä-
berhaus in der Südostecke der ersten sowie der oktogonalen Grab-
kapelle im Zentrum der zweiten Abteilung wurden insgesamt nur
noch zwei feste Gebäude auf dem Friedhofsareal errichtet. So ent-
stand als drittes Bauwerk das sog. „Gerätehäuschen mit Abortan-
lage"153 (Abb. 21) im Zentrum der vierten Abteilung, das laut Bau-
plan 1887 entworfen und bald darauf errichtet worden sein
dürfte. Das im Grundriss ursprünglich aus drei hintereinander
angeordneten Zonen bestehende Gebäude umfasste im mittleren,
risalitartig vorspringenden Trakt die Toilettenanlage, rückseitig die
Gerätekammer sowie frontseitig eine offene, auf die Friedhofsmit-
telachse ausgerichtete Vorhalle, die im Gegensatz zum ausgespro-
chen schlichten Gebäude mit neo-renaissancehaften Stilanleihen
ausgestaltet wurde. Dieser ausschließlich vom Friedhof aus
zugänglichen Loggia waren ursprünglich Blumenrabatten und
dekorative Grünflächen154 vorgelegt, so dass im Zusammenspiel
mit der tempelartigen Schaufassade des Gebäudes vielmehr der
Anschein eines dekorativen Gartenpavillons erweckt wurde als der
eines rein funktionalen Gebäudes. Vermutlich wurde der Staffa-
gecharakter des Gebäudes erst 1929 empfindlich gestört, als man
den rückseitigen Bautrakt spiegelsymmetrisch um weitere Räume
für Geräte, einen Aufseher und eine Wärterin erweiterte155, infol-
gedessen die nördliche (Buchsbaum-?)Rahmenpflanzung aufgege-
ben werden musste.
Einen ähnlich dekorativen, wenn auch weitaus geringeren
staffageartigen Charakter kennzeichnete die unmittelbar der
Kapelle gegenüber errichtete Leichenhalle, ein ganz in Naturstein

errichteter, langgestreckter eingeschossiger Bau mit mehreren
Leichenkammern, Vorräumen und einem Wärterraum.
Nach dem eingereichten Bauentwurf des Jahres 1938156 waren
kubische, z.T. blockartig geschnittene Heckenzüge angedacht,
die die Natursteinwand v.a. an den Stellen rhythmisierten, wo
Wandöffnungen infolge der Grundrissdisposition und Raumnut-
zung unmöglich waren. Sie bildeten in ihrer Strenge und Kontur
einen reizvollen Kontrast zu einer südlich vorgelagerten, mit Soln-
hofener Sandsteinplatten ausgelegten und durch lockere Rankbe-
pflanzung begrünten Pergola, von der nur noch die Balkenaufla-
ger innerhalb der Südwand erhalten blieben. Das Gebäude
repräsentiert die letzte bauliche Veränderung im Friedhofsareal;
vermutlich vertritt es mitsamt seiner pflanzlichen Ausgestaltung
jedoch auch das jüngste friedhofsgärtnerische Projekt, wie ein in
das Jahr 1943 datierender Gesamtplan157 nahelegt, der zwar die
die alten Verwesungsflächen zergliedernde Binnenstrukturen,
aber keine konzeptionellen Neuordnungen widergibt.
Nicht realisiert wurde der Umbau der oktogonalen Kapelle zu
einer Friedhofskapelle mit anschließendem Krematorium, obwohl
dies der 1905 gegründete Verein der Feuerbestattung in Osna-
brück werbewirksam propagierte. In fester Überzeugung, dass der
Bau eines Krematoriums nicht nur aus ethischen Gründen überfäl-
lig, sondern auch aus Kenntnis offensichtlichen Platzmangels und
des Wissens um einen neuen Wirtschaftsfaktor in der Stadt drin-
gend notwendig sei158, ließ er den Architekten Lothar Gürtler in
Eigenverantwortung Entwurfspläne zum Umbau erarbeiten. Als
diese vollendet und der Öffentlichkeit im März 1927 über die
Tagespresse vorgestellt wurden, argumentierte der Verein, dass
„wenn irgend etwas imstande ist, die Aufmerksamkeit auf Osna-
brück zu lenken, dann ist es in erster Linie ein Krematorium..."159.
Er bat daher „... die städtischen Kollegien, die Kapelle auf dem
Hasefriedhof zwecks Ausbau zu einem Krematorium zur Verfü-
gung zu stellen...". Der Magistrat äußerte sich bezüglich der Kre-
mation vor Ort jedoch zunächst abwartend, lehnte in jedem Fall
aber den Umbau der Friedhofskapelle ab.

21 Die Neo-Renaissancefassade des 1887 errichteten Toilettenhauses diente vor allem als Staffage und sollte der langgezogenen Nord-Süd-Achse
einen prächtigen Blickpunkt bieten (kol. Plan von 1887, Städt. Denkmalpflege Osnabrück).


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