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Krumm, Carolin; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hasefriedhof in Osnabrück: der Friedhof als Garten ; zur Entstehung, Konzeption und Entwicklung des Osnabrücker Friedhofes in der Hasetorvorstadt — Hameln: Niemeyer, Heft 19.2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51268#0055
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geschweige denn der Trauer freier Lauf gelassen. Dementgegen
werden zum ersten Mal Bibelverse und diese in einer auffallenden
Einheitlichkeit bzw. Wiederholung zitiert, dass eine allgemeinver-
bindliche Norm der Spruchauswahl wahrscheinlich wird360; fast alle
dieser Zitate erfreuen sich bis in die heutige Zeit hinein ausgespro-
chen großer Beliebtheit und sei es vielleicht nur aus dem Grunde
heraus, weil wir sie heute als traditionell verankerte und zugleich
standesgemäße Inschriften erkennen und daher fast instinktiv
anwenden. Der letzte Satz des Hoheliedes auf die Liebe nach dem
1. Korintherbrief Kapitel 13, Vers 13 („Glaube, Liebe, Hoffnung,
diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen"361) gehört
hierzu wie auch die Offenbarung des Johannes 14, 13 („Selig sind
die Toten, die in dem Herrn sterben, denn sie ruhen von ihrer
Arbeit und ihre Werke folgen ihnen nach"362) und das erst nach
der Jahrhundertwende gebräuchliche Zitat aus dem Evangelium
des Johannes 11, 25f.:
„Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an micht glaubt,
der wird leben [obgleich er stürbe. Und wer da lebet und glaubet
an mich, der wird nimmer mehr sterben]"363.
Damit wird deutlich formuliert, dass man in geradezu konserva-
tiv-traditioneller Weise den Toten gedachte, indem man den Aufer-
stehungsglauben, das Wissen um den seligen und heilbringenden
Tod wie auch die obligatorische Rechtschaffenheit im Leben zum
Grundtenor jeglicher Inschrift erhob, ein Trend im übrigen, der sich
bis in die Jahrhundertwende hineintradiert. Folgerichtig wird in
diesen Jahren erstmalig der auf dem gesamten Friedhofsareal
wohl am häufigsten zitierte Sinnspruch
„Es ist bestimmt in Gottes Rath, dass man vom liebsten was
man hat, muss scheiden"
formuliert, der so eindeutig wie kaum ein anderer absolute Hin-
gabe in das Unausweichliche, traditionellen Gottesglauben und
zugleich eine gewisse Portion Naivität freigibt; auffälligerweise fin-
den wir ihn fast ausschließlich mit seriellen, optisch zurücktreten-
den Grabmalformen kombiniert. Scheinbar haben „die Grabstein-

händler [...] den Familien vorgefertigte Formeln an die Hand gege-
ben, die auf gezwungenermaßen konventionelle und banale
Weise Gefühle zum Ausdruck brachten, die doch ganz authentisch
und persönlich waren"364.
Die Folgejahre zeichnen sich v.a. dadurch aus, dass sie den vor-
gezeichneten Trend unvermindert weiterführen, wobei die ausge-
wählten Bibelverse den festen Glauben an die Auferstehung wie
auch die Sinnhaftigkeit des Todes zunehmend überzeugter formu-
lieren. Der Spruch aus der Offenbarung 2, 10
„Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens
geben"
zeugt hiervon wie auch die Worte aus dem Hebräerbrief 13, 14
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir".
Durch eine kleine Anzahl regelmäßig wiederkehrender Bibelzita-
te ergänzt (z.B. Jerem. 31, 3), geben sich die Jahre bis ca. 1875 -
nach den erhaltenen Sentenzen zu urteilen - als konsequente
Umsetzung einer konservativen, bibel- und kirchengetreuen Gesell-
schaft zu erkennen, die jegliches persönliches Leid rhethorisch
dem sicheren Ziel nach Tod und Auferstehung unterstellt:
„Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu mir
gezogen aus lauter Güte".
„Trennung ist unser Loos, Wiedersehen unsere Hoffnung".
Erst in den endenden siebziger Jahren klingen zuweilen persön-
liche Emotionen durch, die nach nunmehr vierzig Jahren stereoty-
per Zitatsanwendung auch persönliche Schicksale andeuten: Leid
und Verlust werden nun klar formuliert, der frühe Tod voll Trauer
begleitet; der Schriftzug „geliebt und unvergessen" findet sich
jetzt auf manchem Grab:
„Hier ruht in Gott unser einzig geliebter Sohn [...]. Was wir an
Dir verloren, weiß nur der Herr allein, Gott, der dich neu geboren,
wird unser Tröster sein"365.
„Wie bist Du früh geschieden aus dieser eitlen Welt, jetzt weilst
Du dort in Frieden in Christi Himmelzelt"366.

61 Paradiesvision auf der Relieftafel der landschaftlichen Grabstelle der Familie Fränkler-Meyer (Abt. III).


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