Bergbau
1000 Jahre Bergbau?
Lothar Klappauf
1000 Jahre Bergbau im Harz, speziell am Rammeisberg - solche
Aussagen gehören zu den werbewirksamen Aussagen, die dazu
helfen sollen, den Besucher der Region auf die Vergangenheit
gespannt zu machen. Diese Werbung steht in der guten Tradition
dessen, was jedes Kind im Harz in der Schule lernt: Bis in die
jüngste Vergangenheit sei der Harz vom Menschen als öde und
siedlungsfeindliche Landschaft gemieden worden. Erst die Ent-
deckung der Rammeisberg-Lagerstätte um 968 sowie der im
12. Jahrhundert eröffnete Bergbau auf den Oberharzer Gängen
hätten eine Besiedlung des Gebirges eingeleitet. Unbestritten wird
auch vertreten, dass die Stadt Goslar ihren Reichtum dem Silber
aus dem Rammeisberg verdanke und dass dieses Silbervorkommen
der Grund für die Verlagerung der Pfalz Werla bei Schladen nach
Goslar sei.
Im Gegensatz zu den Geologen und Lagerstättenkundlern
fand die Geschichtsforschung bei diesen scheinbar eindeutigen
historischen Verhältnissen nur wenig Interesse an der Untersu-
chung der Bodenurkunden, den zumeist recht versteckt liegenden
archäologischen Denkmälern. Diese in der Regel wenig attraktiven
Hinterlassenschaften, zumeist die Abfälle der Bergbaubetriebe aus
taubem Gestein oder die Schlackenhalden längst untergegange-
ner Schmelzhütten waren allenfalls in Zeiten der Rohstoffverknap-
pung als mögliche Lieferanten der begehrten Metalle beachtens-
wert. Bereits um 1572 wird ein Verzeichnis der Schlackenhalden
nicht betriebener Schmelzhütten erstellt, in dem genaue Angaben
zu den Mengen noch verwertbaren Materials enthalten sind. In
dieser Tradition steht auch ein 1928 publiziertes Verzeichnis alter
Schlackenhalden (Bode 1928), wiederum mit genauen Angaben
zu den vorhandenen Mengen und sogar mit chemischen Analysen
der Schlacken. Eine Komplettierung dieser Verzeichnisse fand um
1980 statt, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: die Halden
waren zur Altlast geworden, von denen eine starke Gefährdung
der Umwelt hervorgeht. Diese Sichtweise hat sich bis heute halten
können.
Dagegen war es nach dem 2. Weltkrieg der Archäologe
Walter Nowothnig (Nowothnig 1965) vom Niedersächsischen
Landesmuseum Hannover, später tätig bei der Bodendenkmal-
pflege, der im Kontakt mit österreichischen Montanforschern die
1 In engem Kontakt mit österreichischen Montanforschern und durch
mehrere Studienaufenthalte im Gebiet des Mitterberges in Österreich
geübt, widmete sich W. Nowothnig als erster Archäologe intensiv den
Hinterlassenschaften des frühen Berg- und Hüttenwesens im Harz.
Spuren menschlicher Hinterlassenschaften im Harz intensiver
erforschte (Abb. 1) und Hinweise auf die frühe Bergbau- und
Hüttentätigkeit entdeckte. Durch seinen frühen Tod im Jahre 1971
konnte er die „Spuren des Alten Mannes" bis in die Zeit vor der
urkundlichen Überlieferung nicht mehr verfolgen. Seine Erkennt-
nis, dass sich diese Spuren „nur auf den Knien suchend" finden
lassen, leitet heute noch den Archäologen im Gelände. Nowoth-
nigs Kartierung der Schmelzplätze, kombiniert mit den bekannten
Burgen und Siedlungen, ist der Ansatz einer modernen siedlungs-
archäologischen Sichtweise der Relikte im Harz (Brachmann 1992).
Die Ergebnisse Nowothnigs wirkten auch noch nach seinem
Tode fort (Böhme 1978). Sie wurden vor allem von dem Siedlungs-
geographen Dietrich Denecke (1978) von der Universität Göttin-
gen aufgegriffen, der mit ehemaligen ehrenamtlichen Mitarbeitern
Nowothnigs Kartierungen und Archivarbeiten initiierte. Diese
ehrenamtlichen Forscher (Abb. 2) blieben in der Folgezeit die
einzigen, die sich noch mit den archäologischen Relikten im Harz
auseinandersetzten und für die heutige Arbeit ein nicht wegzu-
denkendes Potential an interessierten, freiwilligen Mitarbeitern
darstellten.
2 Die Ortskenntnis der einheimischen ehrenamtlichen Mitarbeitern ist für
den Archäologen eine unersetzliche Hilfe bei der Geländearbeit.
Als im Jahre 1981 am Rand des kleinen Dorfes Düna bei
Osterode eine Sondierungsgrabung zur Klärung des Denkmal-
charakters einer in einer Weide hinter der ehemaligen Domäne
gelegenen hufeisenförmigen Erhebung notwendig wurde, ahnte
kaum jemand, dass sich daraus nicht nur eine der größten Sied-
lungsgrabungen im Harzgebiet entwickeln würde, sondern die
Erforschung des Lagerstättengebietes selbst zur Folge haben
würde. Neben der Freilegung eines repräsentativen Steingebäudes
(Abb. 3) des 10. Jahrhunderts konnten in datierten Befunden Erze
und Schlacken gefunden werden, deren Herkunft durch Analysen
an der TU Clausthal bestimmt werden konnte: Eisenerze vom
Iberg bei Bad Grund und aus dem Lerbacher Revier bei Osterode
wurden in den Jahren vor Christi Geburt in Düna verhüttet.
Oberharzer Gangerze lieferten spätestens seit dem 3. Jahrhundert
n. Chr. das wertvolle Silber und nur wenig später ist der Einsatz
von Rammeisberger Erz zur Gewinnung von Kupfer nachzuweisen.
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1000 Jahre Bergbau?
Lothar Klappauf
1000 Jahre Bergbau im Harz, speziell am Rammeisberg - solche
Aussagen gehören zu den werbewirksamen Aussagen, die dazu
helfen sollen, den Besucher der Region auf die Vergangenheit
gespannt zu machen. Diese Werbung steht in der guten Tradition
dessen, was jedes Kind im Harz in der Schule lernt: Bis in die
jüngste Vergangenheit sei der Harz vom Menschen als öde und
siedlungsfeindliche Landschaft gemieden worden. Erst die Ent-
deckung der Rammeisberg-Lagerstätte um 968 sowie der im
12. Jahrhundert eröffnete Bergbau auf den Oberharzer Gängen
hätten eine Besiedlung des Gebirges eingeleitet. Unbestritten wird
auch vertreten, dass die Stadt Goslar ihren Reichtum dem Silber
aus dem Rammeisberg verdanke und dass dieses Silbervorkommen
der Grund für die Verlagerung der Pfalz Werla bei Schladen nach
Goslar sei.
Im Gegensatz zu den Geologen und Lagerstättenkundlern
fand die Geschichtsforschung bei diesen scheinbar eindeutigen
historischen Verhältnissen nur wenig Interesse an der Untersu-
chung der Bodenurkunden, den zumeist recht versteckt liegenden
archäologischen Denkmälern. Diese in der Regel wenig attraktiven
Hinterlassenschaften, zumeist die Abfälle der Bergbaubetriebe aus
taubem Gestein oder die Schlackenhalden längst untergegange-
ner Schmelzhütten waren allenfalls in Zeiten der Rohstoffverknap-
pung als mögliche Lieferanten der begehrten Metalle beachtens-
wert. Bereits um 1572 wird ein Verzeichnis der Schlackenhalden
nicht betriebener Schmelzhütten erstellt, in dem genaue Angaben
zu den Mengen noch verwertbaren Materials enthalten sind. In
dieser Tradition steht auch ein 1928 publiziertes Verzeichnis alter
Schlackenhalden (Bode 1928), wiederum mit genauen Angaben
zu den vorhandenen Mengen und sogar mit chemischen Analysen
der Schlacken. Eine Komplettierung dieser Verzeichnisse fand um
1980 statt, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: die Halden
waren zur Altlast geworden, von denen eine starke Gefährdung
der Umwelt hervorgeht. Diese Sichtweise hat sich bis heute halten
können.
Dagegen war es nach dem 2. Weltkrieg der Archäologe
Walter Nowothnig (Nowothnig 1965) vom Niedersächsischen
Landesmuseum Hannover, später tätig bei der Bodendenkmal-
pflege, der im Kontakt mit österreichischen Montanforschern die
1 In engem Kontakt mit österreichischen Montanforschern und durch
mehrere Studienaufenthalte im Gebiet des Mitterberges in Österreich
geübt, widmete sich W. Nowothnig als erster Archäologe intensiv den
Hinterlassenschaften des frühen Berg- und Hüttenwesens im Harz.
Spuren menschlicher Hinterlassenschaften im Harz intensiver
erforschte (Abb. 1) und Hinweise auf die frühe Bergbau- und
Hüttentätigkeit entdeckte. Durch seinen frühen Tod im Jahre 1971
konnte er die „Spuren des Alten Mannes" bis in die Zeit vor der
urkundlichen Überlieferung nicht mehr verfolgen. Seine Erkennt-
nis, dass sich diese Spuren „nur auf den Knien suchend" finden
lassen, leitet heute noch den Archäologen im Gelände. Nowoth-
nigs Kartierung der Schmelzplätze, kombiniert mit den bekannten
Burgen und Siedlungen, ist der Ansatz einer modernen siedlungs-
archäologischen Sichtweise der Relikte im Harz (Brachmann 1992).
Die Ergebnisse Nowothnigs wirkten auch noch nach seinem
Tode fort (Böhme 1978). Sie wurden vor allem von dem Siedlungs-
geographen Dietrich Denecke (1978) von der Universität Göttin-
gen aufgegriffen, der mit ehemaligen ehrenamtlichen Mitarbeitern
Nowothnigs Kartierungen und Archivarbeiten initiierte. Diese
ehrenamtlichen Forscher (Abb. 2) blieben in der Folgezeit die
einzigen, die sich noch mit den archäologischen Relikten im Harz
auseinandersetzten und für die heutige Arbeit ein nicht wegzu-
denkendes Potential an interessierten, freiwilligen Mitarbeitern
darstellten.
2 Die Ortskenntnis der einheimischen ehrenamtlichen Mitarbeitern ist für
den Archäologen eine unersetzliche Hilfe bei der Geländearbeit.
Als im Jahre 1981 am Rand des kleinen Dorfes Düna bei
Osterode eine Sondierungsgrabung zur Klärung des Denkmal-
charakters einer in einer Weide hinter der ehemaligen Domäne
gelegenen hufeisenförmigen Erhebung notwendig wurde, ahnte
kaum jemand, dass sich daraus nicht nur eine der größten Sied-
lungsgrabungen im Harzgebiet entwickeln würde, sondern die
Erforschung des Lagerstättengebietes selbst zur Folge haben
würde. Neben der Freilegung eines repräsentativen Steingebäudes
(Abb. 3) des 10. Jahrhunderts konnten in datierten Befunden Erze
und Schlacken gefunden werden, deren Herkunft durch Analysen
an der TU Clausthal bestimmt werden konnte: Eisenerze vom
Iberg bei Bad Grund und aus dem Lerbacher Revier bei Osterode
wurden in den Jahren vor Christi Geburt in Düna verhüttet.
Oberharzer Gangerze lieferten spätestens seit dem 3. Jahrhundert
n. Chr. das wertvolle Silber und nur wenig später ist der Einsatz
von Rammeisberger Erz zur Gewinnung von Kupfer nachzuweisen.
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