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Segers-Glocke, Christiane [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft: Naturraum - Mensch - Umwelt im Harz — Hameln: Niemeyer, Heft 21.2000

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Hans-Gert Bachmann: Zur Metallerzeugung im Harz während des Früh- und Hochmittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.51267#0131
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Metalle, Metallerzeugung, Handel und Gewerbe

Zur Metallerzeugung im Harz während des Früh- und Hochmittelalters
Hans-Gert Bachmann

Einleitung
Der Wanderer, der auf seinen Wegen durch die Täler des Harzes in
Flussgeröllen, in Bachbetten oder an Böschungen schwarze,
schwere „Steine" findet, ist ebenso Relikten der Metallerzeugung
in diesem Gebirge auf der Spur, wie die systematisch nach Verhüt-
tungsplätzen suchenden Archäologen, Geophysiker und Historiker.
Auch für den Harz gilt: Schlacken sind Abfälle der Metallerzeu-
gung, die der Verwitterung widerstehen. Sie sind oft die einzigen
Zeugen, die uns helfen, frühe Methoden der Metallgewinnung zu
erkennen und zu verstehen. Dies gilt besonders für Zeiten, aus
denen uns kaum schriftliche Nachrichten überliefert wurden. Aus
den spärlichen Oberflächenfunden und den Grabungsergebnissen
einzelner freigelegter Schmelzplätze die Prozesse zu rekonstru-
ieren, auf denen einst eine blühende und vielseitige Metallindu-
strie basierte, verlangt Spürsinn und Vorstellungsvermögen. Weil
aber die Naturgesetze in der Vergangenheit so gültig waren wie
heute, besteht Hoffnung, den langen Weg bis zu den Anfängen
zurückverfolgen zu können, denn auch einst mussten bestimmte
Temperaturen, Gasgleichgewichte und Reaktionszeiten erreicht
und eingehalten werden. Sonst wäre der Weg vom Erz zum Metall
nicht gangbar gewesen.
Ausgehend vom gut dokumentierten Kenntnisstand der
Gegenwart, soll versucht werden über die frühe Neuzeit bis ins
Mittelalter vorzudringen. Bei dieser Zeitreise müssen die regio-
nalen Unterschiede und Gegebenheiten der Harzer Bergbauregion
berücksichtigt werden (vgl. Beitrag Deicke): Der Rammeisberg mit
Altem und Neuem Lager hat eine besondere Genese und führt
charakteristische Erztypen. Die Oberharzer Ganglagerstätten mit
einer eigenen spezifischen Mineralführung sind dagegen anders
entstanden. Es geht folglich um Antworten auf die Fragen: Wann
und wo sind Erze welcher Lagerstätte(n) verhüttet worden und
welche Metalle wurden daraus erzeugt?
Geschichte mit ihren wechselnden Herrschaftsverhältnissen
und den damit verbundenen nur zu häufigen kriegerischen Aus-
einandersetzungen, dazu Naturereignisse und Seuchen, ferner
Verarmen oder gar Vertauben der Erzlager und Wassereinbrüche
in den Gruben haben die Montanindustrie ebenso beeinflusst wie
technischer Fortschritt. Zeitabhängige Veränderungen im Harzer
Hüttenwesen sind im Schrifttum nach unterschiedlichen Gesichts-
punkten beschrieben worden: So hat zum Beispiel Laub (Laub
1980, 55-65) folgende Einteilung getroffen: Phase I: 968 bis
-1300, Phase II: -1300 bis 1360 und Phase III: 1460 bis 1525 (von
1360 bis 1460 brachte eine verheerende Pest alle Tätigkeiten zum
Erliegen). Rosenhainer (Rosenhainer 1968, 7-8) unterschied in
seiner Übersicht: I. Die Anfänge der Metallerzeugung bis zum Jahr
1525, II. vom Jahr 1526 bis 1635 (Gründung der Communion-
verwaltung) und HL von 1635 bis zur Neuzeit. In diesem Beitrag
wird nur der Anfang der Metallerzeugung im Früh- und Hochmit-
telalter behandelt. Mangels überlieferter Dokumente basieren die
Ausführungen und Folgerungen auf neuen Forschungsergebnissen
zur Harzer Montanarchäologie; dazu gehören archäologische
Befunde ebenso wie Materialanalysen und Datierungen.
Die Phasen II und III nach Laub (Laub 1980, 55-65) sind dank
der historischen Darstellungen von Löhneyß (Löhneyß 1617),
Ercker (Ercker 1565), Cancrin (Cancrin 1767, 86-234) und Schlüter
(Schlüter 1738) gut dokumentiert (Abb. 1). Die Zusammenfassun-
gen von Kerl (Kerl 1852/1860. Ders. 1854), Rosenhainer (Rosen-
hainer 1968) und Grothe (Grothe / Feiser 1975), sowie Beiträge in

Lehrbüchern zum Metallhüttenwesen, zum Beispiel von Rammeis-
berg (Rammeisberg 1850,174-185), Schnabel (Schnabel 1894),
Tafel (Tafel / Wagenmann 1951) und der Aufsatz von Feiser (Gro-
the / Feiser 1975) setzen die Verfahrensbeschreibungen vom Be-
ginn der Neuzeit bis in die Gegenwart fort. Die letzte Betriebsperi-
ode der PREUSSAG-Blei- und Silberhütten in Clausthal und Lau-
tenthal bis zu ihrer Schließung im Jahr 1967 ist in einer
Monographie von Lehne und Weinberg (Lehne/Weinberg 1968)
für die Nachwelt festgehalten worden.
Alle Versuche Hüttenprozesse zu rekonstruieren, für die
schriftliche Zeugnisse fehlen, leiden unter den Einschränkungen
der zufälligen Fund-Hinterlassenschaften. Was der Geophysiker als
Anomalie im Gelände erfasst, der Archäologe ausgräbt und der
Analytiker untersucht, ist eine nicht unbedingt repräsentative
Auswahl. Mangelhafte Erhaltung von technischen Einrichtungen
und spärliche Auswahl an Artefakten sind eher Regel als Ausnah-
me. Öfen und andere Installationen wurden oft nur für einmalige
Verwendung errichtet. Die hinterlassenen Funde können sowohl
unbrauchbare Abfälle (zum Beispiel metallarme Schlacken) oder
verloren gegangene Wertstoffe (Metallfragmente, Sulfid-Zwi-
schenprodukte, Erze in frischem, angeröstetem oder angeschmol-
zenem Zustand) sein. Es kommt hinzu, dass Überreste aus ver-
lassenen älteren Verhüttungsanlagen häufig in späteren Zeiten
abgetragen wurden, um sie wegen ihrer oft erheblichen Metall-
gehalte aufzuarbeiten. Manche alten Schlackenhalden verschwan-
den, weil sich ihr „Abbau" lohnte, oder weil sie als „Retour-
schlacken" für die Hüttenbetriebe nützliche Flussmittel waren (vgl.
Schlüter 1738. Kerl 1854)'.
Schlackenanalysen ohne begleitende Erzfunde sind für die
Primärerz-Zuordnung von Harzer Schmelzplätzen meist irrelevant.
Die Wiederverwendung der Schlacken von Schmelzplätzen, auf
denen Rammeisberg- und/oder Oberharz-Erze verhüttet worden
sind, verzerrt das Verteilungsbild erztypischer Elemente, die sonst
als Bewertungskriterien herangezogen werden können. Dazu ein
Beispiel: Für Schlacken der Rammeisberg-Erzverhüttung sind hohe
bis mittlere Zinkgehalte typisch. Werden solche Schlacken als
Zuschläge beim Schmelzen von Gangerzen eingesetzt, bleibt der
Zinkgehalt auch in den Schlacken der Gangerzverhüttung weit-
gehend erhalten. Eine Analyse könnte Anlass zu dem Fehlschluss
geben, dass hier keine Gang-, sondern Rammelsberg-Erze ge-
schmolzen wurden.
Hüttenplätze können kurzzeitig oder über längere Zeiträume
- manchmal mit Unterbrechungen - betrieben worden sein. Das
erschwert die Datierung, weil stratigraphische Horizonte „ver-
wischt" oder gänzlich verloren gegangen sein können.
Verhüttung von Rammelsberg-Erzen
Datierung
Nach L. Klappauf und F.-A. Linke sind bis jetzt allein im niedersäch-
sischen Harz 800 Schmelzplätze entdeckt worden (vgl. hierzu auch
die Beiträge von L. Klappauf und F.-A. Linke). Hochgerechnet auf
den Gesamtharz könnte sich eine Zahl von 2500 ergeben. Im West-
harz lassen sich mittels 14C-Methoden, Keramikfunden oder histori-
schen Nachrichten 150 Verhüttungsanlagen zeitlich einordnen.
Radiokohlenstoffdatierte Holzkohlefundevon 17 Schmelzplätzen
reichen vom 9. bis ins 14. Jahrhundert.

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