Zusammenfassung
Zusammenfassung
Lothar Klappauf
Die vorangehenden Beiträge haben einen Einblick in die For-
schungsergebnisse einer interdisziplinären Forschergruppe zur Ge-
schichte des Harzes gegeben, die sich in den letzten zehn Jahren
um die Arbeitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen
Landesamts für Denkmalpflege gebildet hat. Dadurch ist es erst-
mals möglich, den Harz nicht nur aus Sicht einheimischer Forscher
zu sehen sondern es ist eine Reihe auswärtiger Autoren verschie-
dener Wissenschaftszweige hinzugekommen, die sich intensiv mit
den Problemen des Harzes gemeinsam auseinandergesetzt haben
und aus ihrer Sicht auf den Harz blicken. Ebenso ist es neu, dass
sich eine dermaßen vielschichtige Wissenschaftlergruppe gemein-
sam und koordiniert um die Geschichte einer Landschaft küm-
mert. Schon aus diesen Gründen ist das Projekt Harz modern und
richtungsweisend für eine zukünftige forschungsorientierte Denk-
malpflege.
Dennoch können die Ergebnisse nur relativ sein, nur in weni-
gen Abschnitten waren systematische Untersuchungen möglich.
Sie weisen den Weg für weitere Forschungsansätze, die eine
beispielhafte Stellung der Montanarchäologie im Harz sichern.
Waren es ursprünglich rein denkmalpflegerische Ansätze, die
dazu führten, sich mit der Siedlungsgeschichte des Harzgebirges
zu beschäftigen und die bis dahin vernachlässigten Aussagen der
Bodendenkmale für die Geschichte der Landschaft zu berücksichti-
gen, so zeigt die Zusammenfassung und Aktualisierung der Sied-
lungsgeschichte des Harzes und seines Vorlandes nun verstärkt
konkrete Hinweise auf eine vermutete frühe Begehung, die im
Zusammenhang mit Bergbau und Verhüttung gesehen werden
muss. Aus der einfach scheinenden, hauptsächlich chronologisch
ausgerichteten Fragestellung hat sich ein komplexer Ansatz erge-
ben, der auf Grundlage der chronologischen Ergebnisse dazu
angetan ist, die uns heute entgegentretende Kulturlandschaft
Harz zu ihren Ursprüngen zu verfolgen und ihre Entwicklung zu
verstehen. In diesem Sinne führen uns diese Studien auf den
Spuren des Alten Mannes zu den Wurzeln des heutigen Harzes.
Dieses Gebirge, untrennbar mit seinem Vorland verbunden,
muss darüber hinaus im überregionalen Zusammenhang gesehen
werden, um seine Funktion zu verstehen. Ansätze dazu sind in der
Ur- und Frühgeschichte bereits die Frage nach dem ethnischen
Einflussbereich. Die Einflussbereiche für die Bronzezeit sind ent-
sprechend der Forschungslage noch völlig ungeklärt. Wie weit die
reichen bronzezeitlichen Kulturen der Lüneburger Bronzezeit oder
aber die aus dem Südosten nördlich um den Harz greifende
Aunjetitzer Kultur von den Schätzen des Harzes beeinflusst
wurden, bleibt vorerst der Spekulation überlassen. Aber bereits die
eisenzeitliche Befestigungsanlage der Pipinsburg bei Osterode und
ebenso eine Reihe der wenig jüngeren Funde aus Düna zeigen
schon um die Zeitenwende eine eher südliche Orientierung, ver-
mutlich in den hessisch/thüringischen Raum. Ebenso überraschen
die vielen, von römischem Einfluss zeugenden Einzelfunde. Aller-
dings muss diese Überraschung relativiert werden. Bereits im Rah-
men älterer Forschungsprogramme wurde zum Beispiel bei Gielde
im nördlichen Harzvorland eine Reihe Funde römischen Ursprungs
geborgen. In der jüngeren Zeit ist die Herstellung von Keramik
nach römischer Art sowohl in Thüringen als auch im Leinetal
mehrfach nachgewiesen. Die Funde römischer Münzen zeigen
einen weiten Einflussbereich der römischen Wirtschaft.
Dennoch bleibt die Tatsache unerklärlich, dass die Erze des
Harzes weithin verbracht wurden entsprechend dem neuzeitlichen
Grundsatz, dass das Erz zur Kohle geht. Dies setzt bereits vor 2000
Jahren ein komplexes Wirtschaftssystem voraus, das in der Ger-
mania Libera nicht als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Der
Transport der Erze - selbst in kleinen Mengen - erfordert Wege-
verbindungen um oder über das Harzgebirge. Dass die Erze nicht,
wie zu erwarten, am Ort des Abbaus verhüttet wurden, erscheint
auf den ersten Blick unlogisch. Doch wird man sich von der Vor-
stellung lösen müssen, dass zu dieser Zeit immer noch ein einfa-
cher Abbau der Erze im Tagebau geschah, von dem die typischen
Geländespuren fehlen. Wie in anderen Bergbaurevieren sollte ein
Abbau in Schächten in Erwägung gezogen werden, von dem eine
Reihe der unzähligen, historisch nicht genannten Schachtpingen
stammen könnte. In diesem Fall stände das Holz im Abbaurevier
nicht für die energiefressende Verhüttung zur Verfügung. Holz,
selbst das auf Grund seines hohen Brennwertes besonders geeig-
nete Buchenholz war jedoch, wie die verschiedenen botanischen
Untersuchungen zeigen, im Harzvorland, also bei den Siedlungen,
in ausreichender Menge vorhanden. Somit war es günstig, die
Gewinnung des begehrten Metalls im Bereich einer kontrollier-
baren Siedlung durchzuführen, von der aus der Weg zum Markt
möglich war. Jedoch sind diese Vorstellungen noch als Modelle zu
verstehen, die der Verifizierung durch die Denkmale bedürfen
ebenso wie die Suche nach den Absatzmärkten, bei denen viel-
leicht der Helweg eine wichtige Rolle spielt. Auch wird eine Forde-
rung an künftige Untersuchungen deutlich, nämlich die stärkere
Einbeziehung der Bergbauspuren, bis hin zur archäologischen
Untersuchung früher Schächte.
Diese Unsicherheit setzt sich im Grunde fort bis in das 9. Jahr-
hundert n. Chr., bis in die Zeit der nun aus liudolfingischen Ge-
schlecht stammenden ottonischen Kaiser, deren Stammsitz bei
Gandersheim nicht ohne Einfluss auf den Harz geblieben sein
kann. Für diese „geschichtslose" Zeit wurde bisher gerne die soge-
nannte „Völkerwanderung" verantwortlich gemacht, eine Zeit, in
der weite nördliche Landstriche als entvölkert angesehen wurden.
Diese Vorstellung ist, wie nicht nur pollenanalytische Befunde
immer wieder zeigen, nicht mehr vertretbar. Vielmehr muss von
einem sicherlich reduzierten, aber dennoch kontinuierlichen Fort-
gang der Besiedlung ausgegangen werden, lokale Besiedlungs-
unterbrechungen sind nicht zu verallgemeinern. Pollenanalytische
Untersuchungen in den Harzer Mooren lehren uns ebenso wie die
geochemischen Untersuchungen an verlandeten Seen im Harzvor-
land, dass in dieser Region die Zeit nicht still stand. Sie bestätigen
die in Düna gewonnenen Eindrücke einer gewissen Siedlungskon-
tinuität und müssen zukünftig in größeren Programmen verstärkt
eingebunden werden. Die Zerstörung der lokalen Vegetation kann
in den Pollenprofilen ebenso wie bei den Makroresten nachgewie-
sen werden und ist nicht nur auf die Nutzung der Wälder für
Hausbau zurückzuführen, sondern vor allem auf die Ausbeutung
der Wälder für die Verhüttung der Harzer Erze. Diese muss so
intensiv gewesen sein, dass seit karolingischer Zeit nur noch die
Ressourcen im Gebirge übrig blieben und diese sogar schon eine
gewisse Schädigung aufweisen.
Hierein fügt sich, dass bis in das 8. Jahrhundert Funde vor
allem im Vorland des Harzes dokumentiert werden können. Auch
die Relikte der Verhüttung konzentrieren sich bis dahin im Wesent-
lichen im Vorland und sind mit Siedlungen gekoppelt. Mit der Ver-
lagerung der Schmelzhütten in das Gebirge geht eine Ausweitung
der Ackerflächen im Vorland einher, verursacht durch eine Ver-
mehrung der Bevölkerung.
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Zusammenfassung
Lothar Klappauf
Die vorangehenden Beiträge haben einen Einblick in die For-
schungsergebnisse einer interdisziplinären Forschergruppe zur Ge-
schichte des Harzes gegeben, die sich in den letzten zehn Jahren
um die Arbeitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen
Landesamts für Denkmalpflege gebildet hat. Dadurch ist es erst-
mals möglich, den Harz nicht nur aus Sicht einheimischer Forscher
zu sehen sondern es ist eine Reihe auswärtiger Autoren verschie-
dener Wissenschaftszweige hinzugekommen, die sich intensiv mit
den Problemen des Harzes gemeinsam auseinandergesetzt haben
und aus ihrer Sicht auf den Harz blicken. Ebenso ist es neu, dass
sich eine dermaßen vielschichtige Wissenschaftlergruppe gemein-
sam und koordiniert um die Geschichte einer Landschaft küm-
mert. Schon aus diesen Gründen ist das Projekt Harz modern und
richtungsweisend für eine zukünftige forschungsorientierte Denk-
malpflege.
Dennoch können die Ergebnisse nur relativ sein, nur in weni-
gen Abschnitten waren systematische Untersuchungen möglich.
Sie weisen den Weg für weitere Forschungsansätze, die eine
beispielhafte Stellung der Montanarchäologie im Harz sichern.
Waren es ursprünglich rein denkmalpflegerische Ansätze, die
dazu führten, sich mit der Siedlungsgeschichte des Harzgebirges
zu beschäftigen und die bis dahin vernachlässigten Aussagen der
Bodendenkmale für die Geschichte der Landschaft zu berücksichti-
gen, so zeigt die Zusammenfassung und Aktualisierung der Sied-
lungsgeschichte des Harzes und seines Vorlandes nun verstärkt
konkrete Hinweise auf eine vermutete frühe Begehung, die im
Zusammenhang mit Bergbau und Verhüttung gesehen werden
muss. Aus der einfach scheinenden, hauptsächlich chronologisch
ausgerichteten Fragestellung hat sich ein komplexer Ansatz erge-
ben, der auf Grundlage der chronologischen Ergebnisse dazu
angetan ist, die uns heute entgegentretende Kulturlandschaft
Harz zu ihren Ursprüngen zu verfolgen und ihre Entwicklung zu
verstehen. In diesem Sinne führen uns diese Studien auf den
Spuren des Alten Mannes zu den Wurzeln des heutigen Harzes.
Dieses Gebirge, untrennbar mit seinem Vorland verbunden,
muss darüber hinaus im überregionalen Zusammenhang gesehen
werden, um seine Funktion zu verstehen. Ansätze dazu sind in der
Ur- und Frühgeschichte bereits die Frage nach dem ethnischen
Einflussbereich. Die Einflussbereiche für die Bronzezeit sind ent-
sprechend der Forschungslage noch völlig ungeklärt. Wie weit die
reichen bronzezeitlichen Kulturen der Lüneburger Bronzezeit oder
aber die aus dem Südosten nördlich um den Harz greifende
Aunjetitzer Kultur von den Schätzen des Harzes beeinflusst
wurden, bleibt vorerst der Spekulation überlassen. Aber bereits die
eisenzeitliche Befestigungsanlage der Pipinsburg bei Osterode und
ebenso eine Reihe der wenig jüngeren Funde aus Düna zeigen
schon um die Zeitenwende eine eher südliche Orientierung, ver-
mutlich in den hessisch/thüringischen Raum. Ebenso überraschen
die vielen, von römischem Einfluss zeugenden Einzelfunde. Aller-
dings muss diese Überraschung relativiert werden. Bereits im Rah-
men älterer Forschungsprogramme wurde zum Beispiel bei Gielde
im nördlichen Harzvorland eine Reihe Funde römischen Ursprungs
geborgen. In der jüngeren Zeit ist die Herstellung von Keramik
nach römischer Art sowohl in Thüringen als auch im Leinetal
mehrfach nachgewiesen. Die Funde römischer Münzen zeigen
einen weiten Einflussbereich der römischen Wirtschaft.
Dennoch bleibt die Tatsache unerklärlich, dass die Erze des
Harzes weithin verbracht wurden entsprechend dem neuzeitlichen
Grundsatz, dass das Erz zur Kohle geht. Dies setzt bereits vor 2000
Jahren ein komplexes Wirtschaftssystem voraus, das in der Ger-
mania Libera nicht als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Der
Transport der Erze - selbst in kleinen Mengen - erfordert Wege-
verbindungen um oder über das Harzgebirge. Dass die Erze nicht,
wie zu erwarten, am Ort des Abbaus verhüttet wurden, erscheint
auf den ersten Blick unlogisch. Doch wird man sich von der Vor-
stellung lösen müssen, dass zu dieser Zeit immer noch ein einfa-
cher Abbau der Erze im Tagebau geschah, von dem die typischen
Geländespuren fehlen. Wie in anderen Bergbaurevieren sollte ein
Abbau in Schächten in Erwägung gezogen werden, von dem eine
Reihe der unzähligen, historisch nicht genannten Schachtpingen
stammen könnte. In diesem Fall stände das Holz im Abbaurevier
nicht für die energiefressende Verhüttung zur Verfügung. Holz,
selbst das auf Grund seines hohen Brennwertes besonders geeig-
nete Buchenholz war jedoch, wie die verschiedenen botanischen
Untersuchungen zeigen, im Harzvorland, also bei den Siedlungen,
in ausreichender Menge vorhanden. Somit war es günstig, die
Gewinnung des begehrten Metalls im Bereich einer kontrollier-
baren Siedlung durchzuführen, von der aus der Weg zum Markt
möglich war. Jedoch sind diese Vorstellungen noch als Modelle zu
verstehen, die der Verifizierung durch die Denkmale bedürfen
ebenso wie die Suche nach den Absatzmärkten, bei denen viel-
leicht der Helweg eine wichtige Rolle spielt. Auch wird eine Forde-
rung an künftige Untersuchungen deutlich, nämlich die stärkere
Einbeziehung der Bergbauspuren, bis hin zur archäologischen
Untersuchung früher Schächte.
Diese Unsicherheit setzt sich im Grunde fort bis in das 9. Jahr-
hundert n. Chr., bis in die Zeit der nun aus liudolfingischen Ge-
schlecht stammenden ottonischen Kaiser, deren Stammsitz bei
Gandersheim nicht ohne Einfluss auf den Harz geblieben sein
kann. Für diese „geschichtslose" Zeit wurde bisher gerne die soge-
nannte „Völkerwanderung" verantwortlich gemacht, eine Zeit, in
der weite nördliche Landstriche als entvölkert angesehen wurden.
Diese Vorstellung ist, wie nicht nur pollenanalytische Befunde
immer wieder zeigen, nicht mehr vertretbar. Vielmehr muss von
einem sicherlich reduzierten, aber dennoch kontinuierlichen Fort-
gang der Besiedlung ausgegangen werden, lokale Besiedlungs-
unterbrechungen sind nicht zu verallgemeinern. Pollenanalytische
Untersuchungen in den Harzer Mooren lehren uns ebenso wie die
geochemischen Untersuchungen an verlandeten Seen im Harzvor-
land, dass in dieser Region die Zeit nicht still stand. Sie bestätigen
die in Düna gewonnenen Eindrücke einer gewissen Siedlungskon-
tinuität und müssen zukünftig in größeren Programmen verstärkt
eingebunden werden. Die Zerstörung der lokalen Vegetation kann
in den Pollenprofilen ebenso wie bei den Makroresten nachgewie-
sen werden und ist nicht nur auf die Nutzung der Wälder für
Hausbau zurückzuführen, sondern vor allem auf die Ausbeutung
der Wälder für die Verhüttung der Harzer Erze. Diese muss so
intensiv gewesen sein, dass seit karolingischer Zeit nur noch die
Ressourcen im Gebirge übrig blieben und diese sogar schon eine
gewisse Schädigung aufweisen.
Hierein fügt sich, dass bis in das 8. Jahrhundert Funde vor
allem im Vorland des Harzes dokumentiert werden können. Auch
die Relikte der Verhüttung konzentrieren sich bis dahin im Wesent-
lichen im Vorland und sind mit Siedlungen gekoppelt. Mit der Ver-
lagerung der Schmelzhütten in das Gebirge geht eine Ausweitung
der Ackerflächen im Vorland einher, verursacht durch eine Ver-
mehrung der Bevölkerung.
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