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Segers-Glocke, Christiane [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft: Naturraum - Mensch - Umwelt im Harz — Hameln: Niemeyer, Heft 21.2000

DOI article:
Hans-Gert Bachmann: Zur Metallerzeugung im Harz während des Früh- und Hochmittelalters
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51267#0139
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Metalle, Metallerzeugung, Handel und Gewerbe

gewinnung, aber auch der kombinierten Buntmetallerzeugung in
Verbindung bringen. Sie sind jedoch keine Produkte der eigent-
lichen Schachtofenarbeit und weder mit „echten" Verhüttungs-
schlacken zu vergleichen noch zu verwechseln.
Prozessrekonstruktion
Für die Bleierzverhüttung am Johanneser Kurhaus wird aufgrund
von freigelegten Ofen- bzw. Herdfundament-Resten das soge-
nannte Röstreaktionsverfahren angenommen. Bei diesem, beson-
ders für hochwertige Bleierze geeigneten Prozess wird das Rösten
des Bleiglanzes, PbS, und die Reduktion der beim Abrösten ent-
standenen Oxide und Sulfate zu Metall in einem Herd durch-
geführt. Dieses Herdschmelzen erfordert Temperaturen, die zwar
über dem Schmelzpunkt des Bleis (328 °C) liegen müssen, aber
nicht so hoch zu sein brauchen, um flüssige Silikatschlacken
entstehen zu lassen. Als Brennstoff genügt deshalb Holz oder Torf,
eventuell in Verbindung mit Holzkohle. Blasebälge sind nicht erfor-
derlich; der natürliche Luftzug reicht aus, um den Prozess in Gang
zu setzen und zu Ende zu bringen. Das Verfahren war besonders
in England und Schottland verbreitet und wurde dort noch bis
zum Anfang des 20. Jahrhunderts ausgeübt. Agricola, dessen
„Re metallica" den technischen Stand des 16. Jahrhunderts wie-
dergibt, erwähnt ausdrücklich auch das Herdschmelzen und zeigt
auf einem Holzschnitt einen windbetriebenen Ofen, „...wie er von
den Sachsen, die in Gittelde wohnen ..." (Abb. 3) verwendet
wurde (Agricola 1556, 346). Weil die Prozesstemperaturen nicht
zur Bildung von Schlackensilikaten ausreichen, fehlen an solchen



3 Der Kärntner Ofen (A). Die eine niedrige Mauer (B). Holz (C). Das Erz
mit dem heraustropfenden Blei (D). Der große Tiegel (E). Der kleine Tiegel
(F). Die Kelle (G). Bleikuchen (H). Die rechteckige Öffnung in der Rückwand
des Ofens (I). Der sächsische Ofen (K). Die Öffnung in der Rückwand des
Ofens (L). Holz (M). Der obere Tiegel (N). Der untere Tiegel (0). Nach
Agricola (1556).

Schmelzplätzen die für Buntmetallverhüttung typischen Eisen-
silikatschlacken. Was beim Ausschmelzen des Bleis von der Erz-
beschickung im Herd verbleibt, hängt von der Menge und Art der
Nebenbestandteile ab. Üblicherweise bildet sich ein gesintertes,
verbackenes, heterogenes Ofenkonglomerat mit meist sehr hohen
Bleirestgehalten7. An vielen Verhüttungsplätzen, an denen Blei
nach dem Röstreaktionsverfahren in Herden erzeugt wurde, sind
diese metallreichen Reste des Erstschmelzens in einem bei höherer
Temperatur betriebenen Schlackenherd auf- und ausgeschmolzen
worden. Je nach Betriebstemperatur und Verweilzeit der Charge
im Ofen konnten hierbei typische Silikatschlacken entstehen, wie
sie bei der Reduktion vorher gerösteter Bleierze in Schachtöfen
anfallen. Solche Schlacken wurden jedoch am Johanneser Kurhaus
nicht gefunden.
Das alternative zweistufige Röstreduktionsverfahren ist eben-
falls ein altes und schon in der Antike beherrschtes Verfahren. In
Laurion bei Athen datiert die Reichblei-Gewinnung mittels Röst-
reduktion bis in das 5. vorchristliche Jahrhundert. Es wurde das
Verfahren der Wahl in vielen Bleiverhüttungszentren weltweit.
Noch während der letzten Betriebsperiode wurde auf der Claus-
thaler Bleihütte danach gearbeitet (Lehne/Weinberg 1968, 13-15).
Für die Charakterisierung des hüttentechnischen Geschehens
am Johanneser Kurhaus ist zu beachten, dass die Ofenfunde aus
der Zeit des 10. Jahrhunderts auf ein Herdschmelzen ohne
Schlackenanfall hinweisen. Das bleireiche Gekrätz der Röstreakti-
ons-Verhüttung ist vermutlich deshalb nicht mehr vorhanden, weil
es spätestens nach Einführung des Röstreduktionsprozesses
wiederverwendet und in Schachtöfen aufgeschmolzen wurde.
Aufgrund der Schlackenanalysen von zahlreichen anderen
Harzer Schmelzplätzen, die der Bleierzverhüttung zuzuordnen
sind, scheint das Röstreduktionsverfahren allmählich auch im Harz
den anfänglichen Röstreaktionsprozess abgelöst zu haben. Wind-
öfen wurden hier allerdings noch bis zur Mitte des 17. Jahrhun-
derts betrieben. Ebenso ist die Verhüttung Oberharzer Gangerze
ohne vorausgehende Röstung bis zum Anfang des 19. Jahrhun-
derts praktiziert worden.
Eindeutig sind die Zeugnisse des Treibprozesses, wie sie eben-
falls am Johanneser Kurhaus gefunden wurden, vor allem Bleiglät-
tereste. Seit dem 2. vorchristlichen Jahrtausend ist dieses Verfah-
ren der Edelmetallanreicherung unverändert beibehalten worden
(Abb. 4). Es hat erst im 19. Jahrhundert zeit- und arbeitsparende
Modifikationen erfahren.
Bereits für die Harzer Hütten des Mittelalters gilt, was seit je
hüttenmännische Praxis war und noch heute ist: Schmelzprodukte
aller Art, Ofenbrüche, Fehlchargen usw. wurden zu Weiterver-
arbeitung deponiert, um sie bei Gelegenheit den Primärerzen und
Zuschlägen neuer Ofenchargen zuzusetzen. Die Pyrometallurgie
hat schon immer großen Nutzen und Gewinn aus dem „Recyc-
ling" gezogen. Nur „armgeschmolzene" Reste/Schlacken kamen
auf Halde. Rammeisberg schrieb 1850, dass in den auf Gangerze
des Clausthal-Zellerfelder Reviers spezialisierten Hütten 21 Monate
vergingen, ehe aus einer Erzanlieferung alle darin enthaltenen
Blei- und Silbergehalte „zugute gemacht" (= gewonnen) worden
seien (Rammeisberg 1850, 174-185). Hieraus ist die Lehre zu
ziehen, dass auch für die Zeiten, aus denen uns Berichte und
Protokolle fehlen, die Rekonstruktion von Verfahrensweisen nur
bedingt gültig sein kann, weil möglicherweise wichtige Glieder der
Indizienkette fehlen.
Zusammenfassung
An den Schmelzplätzen Schnapsweg und Sommerberg wurden im
11. Jahrhundert Rammelsberg-Erze auf Kupfer verhüttet. Die
Gewinnung anderer Metalle oder metallischer Produkte dürfte

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