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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Farbige Eisengitter der Barockzeit — Hameln: Niemeyer, Heft 27.2002

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Der Innenraum des Osnabrücker Domes im 17. Jahrhundert anhand der schriftlichen Quellen
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Assmuth, Norbert: Die barocken Gitter-Portale im Paderborner Dom: Bemerkungen zu Bestand und Konservierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52522#0034
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Das Chorgitter des Osnabrücker Domes - Geschichte, Funktion, Beziehungen

Die barocken Gitter-Portale im Paderborner Dom -
Bemerkungen zu Bestand und Konservierung
Norbert Assmuth

Zur Einführung
Die an anderer Stelle dieser Publikation beschriebene Konzipie-
rung der Konservierung des Osnabrücker Chorgitters erhebt Fra-
gen nach den Begleitumständen, unter denen das Paderborner
Gitter die Zeit überdauerte. Schließlich werden beide derselben
Fertigungsschmiede in Dringenberg zugeschrieben. Die Gitter
entstehen in zeitlich kurzer Folge: Das Paderborner Gitter wird
1654, das Osnabrücker zehn Jahre später eingebaut, weil infolge
der Liturgiereform des Trientiner Konzils (1554-1563) die mittel-
alterlichen Lettner in den Domen zurückgebaut werden. Sie
selbst müssen später den Bedürfnissen gewandelter Nutzungs-
anforderungen weichen.
Die Restaurierung und Neuaufstellung des Paderborner Git-
ters liegt einige Jahre zurück. Aufzeichnungen dazu sind vernach-
lässigt worden. Nach der Wiederherstellung und den Reparatur-
arbeiten nach 1945 wird die Bedeutung des Werkes zunächst
verkannt. Es ist sogar zeitweise dem Untergang geweiht, kann
schließlich nur dadurch, dass der gotische Margarethen-Flügel-
altar vor der Westwand des Turmes aufgestellt wird, als Siche-
rungsgitter zurückgeführt werden.1
Die später entstandenen perspektivischen Gitter der Pader-
borner Langhauskapellen haben sich einmal abgesehen von
Kriegsschäden an Ort und Stelle ihrer Portalrahmungen erhalten.
Sie haben aber dennoch bis auf die Erwähnung am Rande bisher
keine Beachtung gefunden.
Dieser Diskurs folgt den Angaben literarischer Quellen und
mündlichen Überlieferungen. Er versteht sich als Katalog. Daher
kann mancher Leser im Nachhinein die Angaben als fragmenta-
risch empfinden und daraus reklamieren, der spezifische Stellen-
wert der Gitter sei nicht ausreichend ausgeführt.
In den Wirren des 30jährigen Krieges beschließt das Pader-
borner Domkapitel 1631 die Überführung des 1627 von Wilhelm
von Westfalen gestifteten Liboriusschreines zum Schutz vor
Plünderung in den Dom nach Münster. Der Heilige wird in Pader-
born seit 836 verehrt und trägt zur Festigung des katholischen
Glaubens bei. Die Verwüstungen des Krieges gehen tatsächlich
nicht spurlos am Paderborner Dom vorüber. Die Weitsicht des
Kapitels bewahrt mit der Sicherung des Schreins auch die Keim-
zelle des Glaubens. Die Zuspitzung der Auseinandersetzungen im
Dreißigjährigen Krieg und den Kampf um Paderborn beschreibt
1874 wohl erstmals Franz von Löher und rückt damit die lokal-
politischen Ereignisse in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.2
Die Varianten der Geschichtsschreibung rekapituliert ausführlich
Klemens Honselmann.3 Auf sie sei hier ebenfalls verwiesen. Die
vorliegende Darstellung soll daher nur schlaglichtartig die Ereig-
nisse aufzeigen.
Die Rekatholisierung des Paderborner Bistums treibt Ferdi-
nand I. von Fürstenberg voran. Die Reform setzt den Wandel von
vormals mittelalterlich geprägten politischen und sozialen Struk-
turen zu einem zentralistisch organisierten Territorialstaat voraus.
Der Weg der Neuordnung ist lang. Symptomatisch dafür steht
die späte Rückkehr des Schreins mit der Liboriusreliquie 1650 in
das bis dahin konsolidierte Hochstift. Nach dem Tod Ferdinands I.
im September des gleichen Jahres wird Dietrich Adolf von der
Reck zum Bischof Paderborns und damit auch zum Landesherrn
gewählt. Es ist eine Zeit, in der auch die Bistümer Köln, Münster
und Hildesheim durch neue Bischöfe besetzt werden. Die wirt-

schaftliche Not der Bevölkerung ist groß. Die Verbesserung der
Versorgung unterstützt die Mission und bestärkt das Glaubens-
bekenntnis. Dietrich Adolf von der Reck setzt getreue Geistliche
in den Kirchspielen seines Landes ein. Er wirbt um die Ansied-
lung der Franziskaner und Kapuzinerinnen in Paderborn, sucht
die Unterstützung der Dominikaner in Warburg, ordnet und kon-
trolliert die Einkünfte der Geistlichen, überwacht das Gerichts-
wesen, betreibt die Wiedereinlösung von Pfandgeldern und för-
dert damit den wirtschaftlichen Aufschwung. Dietrich Adolf von
der Reck bemüht sich schließlich auch, den Paderborner Dom
gemäß der Verkündigung des Glaubens nach dem Trientiner
Konzil umzugestalten.4 Die mittelalterliche Ausstattung wird
entfernt und der gotische Lettner mit seiner reichen Verzierung
an Apostelfiguren abgebrochen. Die Bischofsgräberwerden im
Langhaus in den Boden versenkt. An gleicher Stelle entsteht ein
Podest mit halber Höhe zum Hochchor. Dieses Podest erhält
1654 zum Laienraum einen Abschluss durch ein perspektivisches
Gitter (Abb. 1).5
In den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts beginnt man auch
mit der dringend notwendig gewordenen Renovierung der Lang-
hauskapellen des Domes. „Die Dreifaltigkeitskapelle ließ Dom-
propst Johann Wilhelm von Sitzing 1653 wiederherstellen. Ihr
folgten die Dreikönigskapelle und die Marienkapelle, deren
Finanzierung Fürstbischof Dietrich Adolph von der Reck 1653
und 1657 übernommen hatte, wobei das Patrozinium der Drei-
königskapelle in ein Josephspatrozinium umgewandelt wurde.
Nach fast dreißigjähriger Bauphase wurden ab 1685 zunächst
die am nördlichen Seitenschiff gelegenen Kapellen renoviert, ab
1688 die drei noch verbliebenen am südlichen. ... Das Kapitels-
protokoll vom 3. 2.1685 berichtet über die Zuweisung der drei
nördlichen Kapellen: ... Die Renovierung der Engelkapelle war
demnach Fürstbischof Hermann Werner von Wolff-Metternich
zugesprochen worden, die der Elisabethkapelle dem Dompropst
Johann Adolph von Fürstenberg, und die Ausbesserung der
Meinolfuskapelle wurde Freiherrn von Oeynhausen übertragen".6
Gleichzeitig mit den Instandsetzungen der Kapellen und den
Renovierungsarbeiten entstehen zwischen 1653 und 1706 Portal-
anlagen, die mit Gittern verschlossen werden (Abb. 2).
Das Chorgitter von 1654
Die Schenkung des Chorgitters durch Dietrich Adolf von der
Reck, die geistige Urheberschaft durch den Ordensbruder Paul,
die Fertigung und Aufstellung dokumentieren sich in den Proto-
kollen der Kapitelssitzungen.7 Schmiede und Maler werden
darin jedoch nicht namentlich bezeichnet. Wilhelm Tack wertet:
„Das Ganze ist eine reiche wohldurchdachte Arbeit, die großen
Anklang gefunden hat. Denn sie wurde bei den Kapellenporta-
len des Domes nachgeahmt und zehn Jahre nach ihrer Entste-
hung im Dom zu Osnabrück, von geringen Kleinigkeiten abge-
sehen, genau kopiert."8 Vermutlich habe Meister Christian
Schmitt aus Dringenberg, der nach den Strukturrechnungen
das Osnabrücker Gitter fertigte, auch das Paderborner Gitter
hergestellt. Zur Bestimmung führt Tack den Umkehrschluss aus,
dass allein biographische Verflechtungen und die Erfahrung des
Meisters Christian Schmitt mit der perspektivischen Darstellung
des Paderborner Gitters der Grund dafür sein dürften, dass die

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