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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Farbige Eisengitter der Barockzeit — Hameln: Niemeyer, Heft 27.2002

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Konservierung und Restaurierung von geschmiedeten und gefassten Eisenobjekten - eine Bestandsaufnahme
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Grünenfelder, Josef: Barocke Chorgitter in der Schweiz und ihre Farbfassungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52522#0086
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Konservierung und Restaurierung von geschmiedeten und gefassten Eisenobjekten - eine Bestandsaufnahme

Barocke Chorgitter in der Schweiz und ihre Farbfassungen
Josef Grünenfelder

Eiserne Gitter sind schwarz. Das scheint ganz selbstverständlich
zu sein, zeigt doch der Hammerschlag des geschmiedeten Metalls
nach seiner Bearbeitung eine schwärzliche Färbung. Das seit dem
Anfang des 20. Jahrhunderts dominierende „materialechte"
Denken leistete der Vorstellung Vorschub, dass man das Eisen
nur anstrich, um es vor Rost zu schützen, und das Aussehen
durch die Wahl eines dunklen Anstrichs demjenigen des roh
geschmiedeten Metalls anzugleichen suchte1. Schwarz als Farbe
von Eisen war eine derartige Sebstverständlichkeit, dass es bis in
neueste Zeit nur wenige Untersuchungen zur Fassung von Git-
tern gibt, und dies sogar bei Baudenkmälern, deren ursprüng-
liche Stuck- und Wandfassungen und deren Veränderungen im
Lauf der Geschichte genau abgeklärt wurden.
Die Befunde vieler Untersuchungen bestätigen: Schwarz war
bei Eisenfassungen auch zur Barockzeit weithin die Norm, farbig
die Ausnahme. In aller Regel sind die in barocken Deckenfresken
dargestellten Eisengitter und -geländer schwarz gezeigt, sogar in
Kirchen, in denen nicht-schwarze Gitter stehen, wie etwa in St.
Gallen (Josef Wannenmacher, 1764) oder in Kreuzlingen (Franz
Ludwig Herrmann, 1765). Fast ohne Ausnahme waren auch die
heute farbig wiederhergestellten Gitter seit dem 19. Jahrhundert
schwarz gefasst. Andererseits konnten in den letzten Jahren nicht
wenige Buntfassungen nicht nur aus dem mittleren Drittel des


1 Fischingen, Benediktiner-Klosterkirche, rekonstruierte Lüsterfassung
des Chorgitters von Johann Jakob Hoffner, 1745 (Ausschnitt).

18. Jahrhunderts, sondern auch aus dem 17. Jahrhundert nach-
gewiesen werden, sodass sich ein differenzierteres Bild ergibt.
Dass Chorgitter nicht einfach schwarz zu sein brauchen, son-
dern eben auch historische Buntfassungen aufweisen können,
darauf hat in der Schweiz erstmals Albert Knoepfli hingewiesen,
und zwar im Zusammenhang mit der Entdeckung der gelüster-
ten Buntfassung am Chorgitter der Klosterkirche Fischingen2.
Dieses war 1743-1745 vom Konstanzer Stadtschlosser Johann
Jakob Hoffner verfertigt worden3. Die Anschaffung des Gitters,
welches in mehrfacher Stufung in den Vorchor ausgreift, war
der erste von mehreren Schritten, in denen der Ostteil des
1685-1687 entstandenen Kirchenraums im Sinne des Rokokos
erweitert und umgestaltet wurde. Der neu angefügte, erhöhte
Chor erhielt 1761 ein lichtes Deckenbild von Johann Jakob Zeil-
ler, sprühende, blau und gelb gefasste Stuckaturen von Melchior
Modler sowie eine ähnlich wie das Gitter lebendig bewegte
Orgelfront, ebenfalls in Rot- und Blautönen gehalten. Der Zusam-
menklang zwischen diesen Elementen und dem schillernd ge-
fassten Gitter4 mag vor der klassizistischen Umgestaltung des
Altarhauses noch dichter gewesen sein als jetzt. Besonders deut-
lich wird die Abstimmung der Gitter-Fassung mit der Umgebung
beim Idda-Grabmal, wo die Monumental-Säulen des gleichzeitig
mit dem Gitter entstandenen Triumphbogen-Vorbaus in gleicher
Weise in blaulasiertem Silber mit Gold- und Weißäderungen ge-
fasst sind wie dieses selbst. Diese Beobachtung spricht dafür,
dass die Lüsterfassung des Gitters nicht erst 1761 erfolgte.
Im Gegensatz zu dem Fischinger Gitter wurde das vom sel-
ben Meister gefertigte, zwei Jahre jüngere Chorgitter der Klos-
terkirche Muri (Aargau) nicht bunt, sondern von Anfang an
schwarz gefasst. Es kam als jüngstes Glied in die Gesellschaft
bereits vorhandener, älterer, schwarz gefasster Gitter. Mit diesen
steht es in einem hochbarocken Zentralraum, in dem starke Farb-
kontraste typisch sind: Zur weißen Architektur und zu weißem
Stuck treten Fresken, auf gelb/rot/blau gestimmt, und auch die
Frührokoko-Ausstattung mit Altären, Brüstungen und Orgeln lebt
von einer kräftigen, blautonigen Marmorierung. Die Schwarzfas-
sung des Gitters unmittelbar nach dessen Aufstellung ist archi-
valisch einwandfrei nachgewiesen. Jedoch liegt unter der profes-
sionell dünn angebrachten, deckenden schwarzen Farbschicht


2 Fischingen, Benediktiner-Klosterkirche, Idda-Grabmal. Die Fassungen
der Architekturteile und des Gitters sind eng aufeinander abgestimmt.

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